Twisted - Review des Piloten

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Man muss sich das, so schwer es auch sein mag, einmal vorstellen: Ein Junge – ein Kind – ermordet seine eigene Tante und landet dafür für fünf Jahre in einer Jugendstrafanstalt. Danach muss er wieder in die Stadt ziehen, in der jeder seine Geschichte kennt, und auf die Schule gehen, in der ihn alle Kinder als "Socio" bezeichnen – ein Begriff, den sie nicht einmal verstehen. Trotzdem schafft es Avan Jogia überzeugend zu spielen, dass es Danny nicht all zu viel ausmacht. Als einzigen Anker findet der Zuschauer seine Aussage, dass er einen guten Grund hatte, seine Tante zu töten, und er Jo gegenüber versichert, dass es zu ihrem Wohl war. Dieser Grund, den Danny noch nie jemandem mitgeteilt hat, der ihn vielleicht sogar vor dem Jugendknast hätte bewahren können, ist es, der diesen Teil der Geschichte spannend macht. Was einem als Zuschauer hierzu sofort einfällt ist die Möglichkeit, dass die Tante ihn sexuell belästigt haben könnte – aber wieso sollte ihr Tod dann die Mädchen schützen? Das Mysterium birgt an dieser Stelle den Spannungsfaktor und sorgt dafür, dass man unbedingt wissen will, wie es weiter geht.

Ein Mord – nur ein Verdächtiger

Ist die Geschichte an sich nicht schon genug Grundlage, um Spannung und sicherlich genug Erzählstoff zu erzeugen, um ein Drama zu füllen, kreiert Adam Milch mit dem Mord an der Schülerin Regina eine Wendung, die aus der vielversprechenden Storyline eine Geschichte macht, die spannender kaum sein könnte. Zwar lebt sich Danny schnell wieder ein und kann auch innerhalb der ersten Hälfte der Pilotepisode wieder Kontakt zu seinen ehemaligen besten Freundinnen herstellen, doch wirkt dies aufgrund der Wendung nicht überstürzt. Es macht den Charakter nur spannender und überzeugender, denn so wird nicht nur Dannys Intelligenz, sondern auch sein Charme deutlich. Obwohl er von allen als der Böse angesehen wird und ihn jeder anstarrt, kann er schnell mit anderen umgehen und sie für sich gewinnen. So wirkt es zwar, als stünde die gesamte Schule gegen ihn, aber einzeln würde er, glaube ich, jeden Schüler um den Finger wickeln. Dabei bleibt er aber höflich und unschuldig, so dass man als Zuschauer bis zur letzten Szene davon überzeugt ist, dass die Anschuldigungen ungerechtfertigt sind. Zuletzt wird aber noch einmal mit den Zuschauern und ihrer Überzeugung gespielt, denn Danny hat die Kette, die Regina gestohlen wurde – und sie gehörte zuvor offenbar seiner Tante. Hier wird sehr schnell deutlich, dass Danny sowohl der unschuldige Junge sein könnte (nur auf Grundlage seiner Art und seiner Erklärung, dass er für den Mord an seiner Tante einen guten Grund gehabt habe), aber gleichsam auch ein Mörder sein kann, der Regina umgebracht hat (wohl auch aus diesem unbekannten Grund heraus). Diese Zwiespältigkeit kreiert Dreidimensionalität im Charakterbereich und lässt Danny nach nur einer Episode sehr komplex zurück. Seine Geschichte ist verstörend, aber seine Figur absolut faszinierend.

Im Hintergrund

Im Zuge der Etablierung von Danny als zentralem Charakter wird schnell deutlich, dass in dieser ersten Folge alle anderen Figuren zurückstecken müssen. Trotzdem gelingt es noch, zumindest Jo Tiefe zu verleihen. Dazu trägt vor allem ihre Darstellerin Maddie Hasson einen großen Teil bei. Ihre Mimik ist einfach, aber zielgerichtet. Ich glaube ihr, dass sie hin- und hergerissen ist zwischen Danny, dem Mörder, der ihre Kindheit zerstörte, und Danny, dem Jungen, der ihr trotzdem über all die Jahre nicht fremd geworden zu sein scheint. Mit dazu bei trägt sicherlich auch, dass ihre Hintergrundgeschichte insofern spannend gestaltet wird, indem ihr Vater Sheriff der Stadt ist und sie somit als direktes Bildeglied zwischen den Ermittlungen und Danny dasteht. Sie ist es auch, die Dannys einzigen emotionalen Moment heraufbeschwört. Sofort wird deutlich, dass zwischen den beiden Figuren mehr zu liegen scheint, als nur die alte Freundschaft; beide verbindet noch etwas mehr als die Vergangenheit. Man wird den Eindruck nicht los, dass hier an dieser kleinen Stelle Weihen für spätere charakterliche Entwicklungen gestellt wurden, die sowohl in einer engen und vertrauensvollen Freundschaft als auch in einer fatalen Liebesgeschichte enden könnten. Alle anderen Charaktere bleiben noch oberflächlich, wobei ich mir keine Sorgen mache, dass dies in kommenden Episoden geändert wird, da mit Dannys Charakter ein so grandioser Einstieg gemacht wurde und die Serie mit weiteren starken Figuren noch aufwarten könnte.

Fazit

"Twisted" könnte nach diesem Piloten tatsächlich ein Erfolg werden, denn selten verstörte und faszinierte eine Storyline so sehr nach nur einer Episode. Es war sicherlich klug, die erste Folge schon Monate vor dem eigentlichen Start der Serie zu zeigen und danach (zumindest für den US-Markt) im Internet verfügbar zu machen. ABC Family hat mit dieser Politik sicherlich den ein oder anderen Zuschauer gewonnen. Der Schluss der Episode lässt den Zuschauer am Bildschirm kleben, so dass er auf jeden Fall wissen will, wie es weiter geht. Denn über allem steht im Nachhinein die eine Frage: Was war schlimm genug, dass Danny dafür mordete, um andere zu schützen und warum passiert gleich nach seiner Entlassung der nächste Mord?

Jamie Lisa Hebisch - myFanbase

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