Unbreakable Kimmy Schmidt - Review Staffel 1

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Ich muss zugeben, dass das Ende von "30 Rock" ein kleines Vakuum im Bereich Comedy in meinem Herzen hinterlassen hat. Zweifelsohne gibt es richtig gutes Material auf dem Gebiet, doch kein anderes Format schaffte es in den vergangenen beiden TV-Jahren auch nur annähernd, die Vielschichtigkeit gepaart mit der richtigen Nuance Verrücktheit der NBC-Serie zu erreichen. Umso spannender war es, zu sehen, wohin Tina Feys neues Projekt "Unbreakable Kimmy Schmidt" gehen sollte.

Dass die Serie am Ende bei Netflix gelandet ist, da NBC anscheinend kein Interesse an ihr hatte, war wohl ein Glücksgriff. Nicht nur, dass man es dem Zuschauer so leicht macht, die gesamte erste Staffel in einem Rutsch durchsehen zu können, man umgeht so auch die Quoten-Problematik der großen Broadcast-Sender. Wie Netflix bekannt gab, sahen in den USA 7,3 Prozent der Abonnenten in den ersten 30 Tagen die neue Comedy. Gemessen an der Gesamtzahl der Nutzer des Streaming-Dienstes entspräche das etwa einer Einschaltquote von nicht ganz drei Millionen Zusehern. Das mag auf den ersten Blick nicht sonderlich viel erscheinen, setzt man es jedoch in Relation zum Aushängeschild des Streaming-Dienstes, "House of Cards", das in seiner dritten Staffel lediglich 6,5 Prozent der Nutzer zum Anschauen animieren konnte, dann ist der Erfolg von "Unbreakable Kimmy Schmidt" durchaus beachtlich.

Die Comedyserie rund um die 29-jährige Kimmy Schmidt, die nach fünfzehn Jahren Gefangenschaft in einem Bunker endlich wieder frei kommt und ihr Leben neu entdeckt, ist der Beweis dafür, dass auch ein solcher Underdog durchaus erfolgreich sein kann, wenn man heutzutage alternative Veröffentlichungsmethoden wählt.

"Unbreakble… they're alive, dammit. Females are strong as hell."

Foto: Ellie Kemper, Unbreakable Kimmy Schmidt - Copyright: Eric Liebowitz/Netflix ® All Rights Reserved.
Ellie Kemper, Unbreakable Kimmy Schmidt
© Eric Liebowitz/Netflix ® All Rights Reserved.

Natürlich zieht der Name Tina Fey etliche Zuschauer vor den Rechner, Fernseher oder wo auch immer man sich die Serie ansieht. Doch würde die Geschichte, der gesamte Cast und das Setting nicht überzeugen, hätte man auch bei den kritischen Streaming-Dienst-Kunden keine Chance. "Unbreakable Kimmy Schmidt" erfindet sicherlich das Rad nicht neu, doch Tina Fey gelingt es, in der Protagonistin Kimmy Schmidt eine liebenswerte Frau zu kreieren, die ihren Lebensmut und ihren positiven Blick auf die Umstände niemals verloren hat, selbst wenn sie damit klar kommen muss, dass ein durchgeknallter angeblicher Reverend ihr einen Großteil ihrer Jugend gestohlen hat.

Die Einstiegsszenen in die Welt des Bunkers sind göttlich komisch und auch der Titelsong, ein virales Video eines Interviews, wird in kürzester Zeit zum Ohrwurm. Vier Frauen werden nach über einem Jahrzehnt aus den Fängen einer Weltuntergangssekte gerettet und danach erst einmal von Talkshow zu Talkshow gereicht, wo man sich über sie eher lustig macht, als ihnen Mitleid entgegenzubringen. Schon da bemerkt man, wie es Kimmy gelungen ist, während dieser Zeit nicht den Verstand zu verlieren – sie hat einen unerschütterlichen Optimismus. Im Laufe der Staffel wird immer wieder klar, dass die Zeit der Gefangenschaft (und nichts anderes war es), auch Spuren auf ihrer Seele hinterlassen hat, doch anstatt die Ereignisse immer wieder neu zu erleben und vergangenen Chancen nachzutrauern, stürzt sie sich in ihr neues Leben in New York.

Manch einer könnte nun mit den Augen rollen und genervt abwinken – junge Frau sucht ihr Glück in New York, tausendmal bereits gesehen. Alter Käse? Mitnichten. Blickt man einmal auf die vergangenen Serien über Frauen in New York, so kommt einem unweigerlich "Sex and the City" in den Sinn. Vier New Yorkerinnen suchen nach dem perfekten Mann… und genau da ist die Krux. Meist dreht sich die Geschichte nicht um die Frauen selbst, sondern um deren Suche nach dem perfekten Gegenstück. Die amerikanische Comic-Autorin Alison Bechdel entwickelte einmal einen simplen Test, mit dem es möglich war, herauszufinden, ob Frauen in einer Serie oder in einem Film ernst genommen werden können, indem sie sich drei Fragen stellte: 1. Gibt es mehr als eine Frau in dem Medium und haben sie Namen? 2. Sprechen diese Frauen miteinander? Und 3. Sprechen sie über etwas anderes als Männer?

Betrachtet man nun einmal Serien wie "Sex and the City", "Girls" oder gar "Friends", so wird klar, dass viele dieser durchaus amüsanten, witzigen und Kultverdächtigen Programme oft an Frage Nummer drei scheitern. "Unbreakable Kimmy Schmidt" jedoch nicht. Natürlich haben die Frauen hier auch hin und wieder Männer als Thema, doch in Kimmys Leben nehmen diese niemals einen hohen Stellenwert ein. Anders beispielsweise ihre Mitgefangene Freundin Cyndee, die sich nichts sehnlicher wünscht, als nach ihrer Freilassung in ihr altes Leben zurück zu kehren und ihren Highschoolschwarm zu heiraten, hat Kimmy hat schlicht und ergreifend keine Zeit dafür. Sie muss, nein, will ihr Leben neu ordnen.

Ellie Kemper als Kimmy Schmidt ist eine hervorragende Besetzung. Sie transportiert die gute Laune von Kimmy unglaublich gut, schafft es dabei aber, dass man sie nicht ob ihrer Naivität belächelt. In den weniger witzigen Momenten gelingt es ihr dennoch, Kimmy einen herrlichen Optimismus versprühen zu lassen, auch wenn bald schon klar wird, dass die Zeit im Bunker nicht spurlos an ihr vorübergegangen ist. Ganz klar, die Serie steht und fällt mit Ellie Kemper und ihrer Version von Kimmy Schmidt, dem begeisterungsfähigen Teenager im erwachsenen Körper, der verständlicherweise irgendwie in den 90er Jahren hängen geblieben ist, als es noch keine Smartphones gab und der Ernst des Lebens weit entfernt war.

"I learned a long time ago that a person can stand just about anything for 10 seconds. ... All you gotta do is take it 10 seconds at a time."

Kimmys erste Stunden in New York sind herrlich witzig: Das erste was sie beispielsweise in New York nach dem Fernsehauftritt macht, ist sich ein Paar blinkende Turnschuhe von ihrem Anteil des Fonds zu kaufen, der durch Spenden für sie und ihre Mitgefangenen eingerichtet wurde. In ihrem Tatendrang stolpert sie schließlich irgendwie über die durchgeknallte Alt-Hippie Lillian, die ihr mal eben ein Dach über dem Kopf verschafft, indem sie sie bei dem glücklosen schwulen Schauspieler Titus Andromedon einquartiert.

Titus und Kimmy werden bereits nach kurzer Zeit Freunde. Zunächst macht sich Titus noch über die Naivität seiner neuen Mitbewohnerin lustig und nutzt ihre Gutmütigkeit nach Strich und Faden aus, doch auch er wird von der positiven Einstellung Kimmys schnell mitgerissen und es entwickelt sich im Laufe der ersten Staffel eine wunderbare Freundschaft der beiden, in der Titus zu so etwas wie Kimmys großem Bruder avanciert. Er steht ihr mit Rat zur Seite und erinnert sie hin und wieder daran, nicht immer so vertrauensselig zu sein. Tituss Burgess macht als glückloser Schauspieler eine herrliche Figur, auch wenn die eine oder andere Szene mit ihm etwas arg klischeehaft daherkommt. Im Grunde jedoch sind diese Szenen stets witzig.

Über Jane Krakowskis Charakter Jacqueline Vorhees kann man das leider nicht immer sagen. Jacqueline ist eine typische, überdrehte New Yorker High-Society-Lady, die aufgrund ihres Geldes längst die Bodenhaftung verloren hat und ihren Alltag durch vollkommen irrationale, durchgeknallte Aktionen wie einem Fuß-Lifting aufzupeppen versucht. Das führt zwar gerade in Interaktion mit Kimmy Schmidt immer wieder zu grandiosen Szenen, doch man kommt nicht umher darüber mit den Augen zu rollen, dass Krakowski hier eigentlich nur eine Version von Jenna Maroney spielt. Klar ist die dafür prädestiniert, gerade weil sie diese Verrücktheiten wahnsinnig authentisch verkörpern kann. Doch in den ersten Episoden wirkt dies eben nur wie ein "30 Rock"-Verschnitt.

Glücklicherweise gestattet man es Jacqueline sich innerhalb der ersten Staffel weiter zu entwickeln. Zwar ist sie am Ende immer noch eine versnobte Reiche, doch sie stellt ihr Leben auf den Prüfstand und beginnt, sich wieder an ihre Wurzeln zu erinnern (die übrigens interessanterweise bei den amerikanischen Ureinwohnern liegen). Ein wenig nervt es schon, dass gerade zu Beginn Jacqueline kein anderes Thema als ihren untreuen Ehemann zu haben scheint, doch Kimmy gelingt es schließlich, ihr zu zeigen, dass sie sich nicht über Geld oder Männer definieren muss, um ein erfülltes Leben zu führen. Kimmy platzt in ihr Leben, stellt es auf den Kopf und eröffnet ihr neue Perspektiven. Im Gegenzug nimmt Jacqueline Kimmy unter ihre Fittiche und wird zu einer Freundin, der sie irgendwann sogar vertrauen kann. Die Freundschaft der beiden Frauen steht zwar erst am Anfang, doch sie haben erkannt, dass sie voneinander profitieren können, selbst wenn das Leben der jeweils anderen oftmals so fremd wirkt.

Der Rest des Casts ist eigentlich nebensächlich. Es gibt liebeswerte Verrückte, wie Kimmys Bekanntschaft Dong aus dem VHS-Kurs, wo sie ihren Schulabschluss nachmachen will. Oder Jacquelines oberflächlich unangepasste, aufmüpfige Stieftochter Xanthippe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kimmy zu drangsalieren, einfach weil sie mit ihrer positiven Art nichts anfangen kann. Auch Kimmys kurzzeitiger Freund Logan Beekman war stellenweise wirklich witzig, doch einen dauerhaften Eindruck hinterlassen sie allesamt nicht. Auch über Kimmys Mitgefangene erfahren wir in der ersten Staffel nicht mehr als wir von ihnen bereits aus der ersten Episode wissen. Hier gibt es definitiv noch etwas Potential, es sei denn, man schließt die gesamte Bunker-Geschichte mit dem Gerichtsverfahren im zweiteiligen Staffelfinale ab. Hier sticht vor allem Jon Hamm in der Rolle des Reverends heraus, der die Frauen über ein Jahrzehnt zu seiner eigenen Belustigung in einen Kerker gesperrt hat und am Ende fast auch noch damit durchkommt, würde sich Kimmy nicht so ins Zeug legen, ihm seiner gerechten Strafe zuzufügen.

Kimmy wird noch Zeit brauchen, das im Bunker Erlebte hinter sich zu lassen und vielleicht täte es den vier Frauen gut, sich zusammen zu setzen und die ganze Sache aufzuarbeiten. Doch das wäre eine andere Show als "Unbreakable Kimmy Schmidt" es sein möchte. Natürlich ist es schrecklich und unvorstellbar grausam, was ihnen passiert ist, doch es bringt niemandem etwas, in der Vergangenheit zu leben. Das Leben im Hier und Jetzt ist ihre Zukunft. "Unbreakable Kimmy Schmidt" schafft es, diese dunkle Thematik in einer so herrlich leichten Comedy zu verpacken und es macht Spaß, Kimmy dabei zuzusehen, wie sie ihren Weg weiter geht und dabei genauso durchgeknallt und witzig und liebenswert sein wird, wie in den ersten dreizehn Episoden.

Melanie Wolff - myFanbase

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