Web Therapy - Review des Piloten

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Der Auftakt zu "Web Therapy" zählt zu jener Art von Pilotfolge, bei der man während des Schauens das ungute Gefühl nicht loswird, dass der Serie voraussichtlich kein besonders langes Leben bevorsteht. Dies liegt allerdings keinesfalls daran, dass das Gezeigte einfach nicht zu überzeugen weiß - im Gegenteil. Vielmehr ist der neue Showtime-Halbstünder ein Paradebeispiel für ein Comedy-Format, dessen rabenschwarzer und staubtrockener Humor wohl nur ein sehr kleines Zuschauersegment anspricht. Für Freunde des Genres Alternative Comedy könnte sich "Web Therapy" aber durchaus zu einem neuen Favoriten entwickeln. Der guten Ordnung halber sei an dieser Stelle vielleicht festgehalten, dass diese Einschätzung aus der Feder eines begeisterten Anhängers von Lisa Kudrow stammt, der kaum eine andere Serienfigur so sehr verehrt wie ihren "Friends"-Charakter Phoebe Buffay und der ihrer viel zu kurz geratenen HBO-Show "The Comeback" immer noch nachtrauert. Auch das seit 2008 laufende Online-Format "Web Therapy", welches nun eben von Showtime aufgegriffen worden ist und in leicht abgewandelter Form über die Fernsehbildschirme flimmert, ist mir zur Gänze bekannt. Der Blick auf diesen Piloten erfolgt somit zwangsläufig durch die rosarote Fanbrille.

"I've done the 50-minute sessions with people, but they end up going on and on about dreams and feelings and memories and past experiences that add up to a whole lot of nothing as far as I'm concerned."

Lisa Kudrows Seriencharakter, die selbsternannte Online-Therapeutin Dr. Fiona Wallice, ist zweifellos jener Gattung Mensch zuzuordnen, die einen im echten Leben von der ersten Sekunde an auf die Palme bringen würde. Ihre narzisstische Art, ihr offenkundiger Mangel an Einfühlungsvermögen und ihre zum Himmel schreiende Unfähigkeit machen es geradezu unmöglich, sie auch nur ansatzweise sympathisch zu finden. Dennoch, oder vermutlich gerade deshalb, übt diese Hauptfigur eine ganz eigene Faszination aus, die sich nur schwer in Worte fassen lässt. Fest steht, dass sie auf jeden Fall das Zeug dazu hat, das weibliche Pendant zu Larry David aus "Curb Your Enthusiasm", David Brent aus der britischen Version von "The Office" oder Charlie, Mac und Dennis aus "It's Always Sunny in Philadelphia" zu werden. An unterhaltsamen Fremdschäm-Momenten mangelte es schließlich schon im Serienauftakt nicht. Aber auch mit ihren zahlreichen Eigenarten, etwa der penetrant-monotonen Sprechweise oder der unüberhörbaren Schwäche für das Wort "modality", hinterlässt sie von Anfang an einen bleibenden Eindruck. Lisa Kudrow zeigt hier darstellerisch, vor allem auch was ihre Bände sprechende Mimik und Gestik betrifft, eine gewohnt souveräne Leistung.

Ebenfalls sehr gelungen ist die Darstellung von Fionas Gatten, Kip Wallice, durch "Alias"-Mime Victor Garber. Die unterschwellige Feindseligkeit zwischen den beiden entfremdeten Eheleuten wurde in der simulierten Therapiesitzung zu Beginn der Folge auf äußerst amüsante Weise vermittelt ("I know, I'm not an idiot." - "Well, you do a good impression of one." - "That's funny, I'll bring that up in therapy. "). Selbiges gilt für das gestörte Intimverhältnis, das in einem zweiten Wortgefecht - ausgetragen natürlich via iChat zwischen Büro und Schlafzimmer - zur Sprache kommt. Dieser erste Einblick in das Privatleben der Fiona Wallice lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass hier ein großes Konfliktpotential schlummert und nur darauf wartet, sich in dem ein oder anderen unterhaltsamen Schlagabtausch zu entladen. Darüber hinaus darf man sich - so viel sei vorbei schon einmal verraten - auf das Kennenlernen anderer Familienmitglieder, wie etwa Fionas Mutter Putsy Hodge (Lily Tomlin) oder ihre ungleiche Schwester Shevaun Haig (Julia Louis-Dreyfus), freuen.

"I'm not bored. I mean, I have enough of an inner intellectual life to keep interested in anything that even you could be saying."

Zur näheren Beleuchtung von Fionas beruflichem Hintergrund haben die Macher einen sehr cleveren Schachzug gewählt: Der erste Klient, der ihren neuen Online-Therapieservice in Anspruch nimmt, ist ausgerechnet ihr ehemaliger Arbeitskollege Richard Pratt (Tim Bagley). Die herrlich schräge Vergangenheitsbewältigung, die in den Gesprächen der beiden alten Bekannten betrieben wird, verdeutlicht einmal mehr, dass eigentlich Fiona selbst reif für Couch wäre. Stattdessen ist sie jedoch felsenfest von ihrer Kompetenz überzeugt und glaubt allen Ernstes, mit ihrem Geschäftsmodell eine zweite Karriere starten zu können. Im Zuge dessen schreckt sie nicht einmal davor zurück, die sie an Unfähigkeit glatt noch überbietende Sekretärin ihres früheren Arbeitgebers, Gina "I'm a Barbie Girl" Spinks (Jennifer Elise Cox), für ihre Zwecke zu missbrauchen. Ebenso skrupellos will sie dann am Ende der Episode aus einer überraschenden Entwicklung im Privatleben ihres einzigen Stammklienten, dem rückgratlosen Jerome Sokoloff (Dan Bucatinsky), Profit schlagen. Dieser Frau scheint wirklich jedes Mittel recht zu sein, um ihre beruflichen Ziele zu erreichen. Aus Sicht der Zuschauer ist dieses an sich verwerfliche Verhalten natürlich sehr willkommen, zumal daraus eine Unmenge an haarsträubenden Momenten und denkwürdigen Dialogen resultiert.

Insgesamt wird in dieser Pilotfolge das humoristische Potential von "Web Therapy" gewiss noch nicht voll ausgeschöpft, da naturgemäß die Einführung der Hauptcharaktere samt den dazugehörigen Hintergrundgeschichten im Vordergrund steht. Zudem dauert es vermutlich eine Weile, bis man sich komplett auf das doch recht ungewöhnliche Webcam-Format, das hier kontinuierlich zur Anwendung kommt, eingelassen hat. Gerade letzterer Aspekt bietet den Serienmachern aber eine durchaus spannende Möglichkeit, sich voll und ganz auf ihre Charakterstudie zu konzentrieren und auf ablenkende Nebenhandlungen weitestgehend zu verzichten. So manch einem Zuschauer mag dieser reine Gesprächsfokus auf Dauer bestimmt langweilig erscheinen, und auch das Fehlen eines ausformulierten Drehbuchs, bei dem eine smarte Pointe die nächste jagt, ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Wer sich allerdings darauf einlässt und die zum Teil wirklich beeindruckenden Improvisationskünste der Darsteller zu schätzen weiß, wird sich im weiteren Verlauf der Handlung bestimmt gut amüsieren. Der Grundstein für eine sehenswerte Comedy-Serie der etwas anderen Art ist hiermit zweifellos gelegt.

Fazit

Den Fans der Online-Serie wird der Auftakt zu "Web Therapy" wohl ein zufriedenes Lächeln entlocken, da die TV-Adaption des größtenteils bekannten Stoffes sehr gut gelungen ist und dank der neu hinzugekommenen Szenen und Charaktere gleichzeitig mit einigen interessanten Neuerungen aufwartet. Für Neueinsteiger macht es die Pilotfolge allein schon ob des eher ungewöhnlichen Formats nicht ganz einfach, sich in der verrückten Welt der Fiona Wallice zurechtzufinden, vom eigenwilligen Humor ganz zu schweigen. Freunden guter Nischen-Comedies sei jedoch nahe gelegt, sich davon nicht gleich abschrecken zu lassen und der Serie etwas Zeit zu geben, sich zu entfalten. Mein Kudrow-Herz hat #1.01 Click to Start - wissend, welch wunderbar absurde Entwicklungen dem Zuschauer noch bevorstehen - jedenfalls höher schlagen lassen. Demnach sind auch beide mir zur Verfügung stehenden Daumen gedrückt, dass dem zweiten Comeback-Versuch meiner unangefochtenen "Friends"-Favoritin ein längeres Leben vergönnt ist als dem ersten.

Willi S. - myFanbase

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