Weinberg - Review des Piloten
Kaltenzell, ein kleines, verschlafenes Dorf an der Ahr, das vorrangig vom Weinanbau in der Region lebt. Ein Ort, an dem jeder jeden kennt und an dem die Welt noch in Ordnung zu sein scheint. Bis, ja, bis ein Mann ohne Gedächtnis auftaucht und die Dorfidylle auf den Kopf stellt. Mit "Weinberg" gelingt es TNT Serie, deutsches Fernsehen wieder interessant aussehen zu lassen und den Zuschauer zu fesseln.
Die Handlung lässt sich relativ schnell zusammenfassen: Ein Mann (Friedrich Mücke) erwacht ohne jegliche Erinnerungen, verletzt und verwirrt, auf einem Weinberg und sieht über sich in den Reben die Leiche einer jungen Frau. Im Laufe der Pilotfolge "Zeichen" versucht unser Protagonist ohne Namen das Geschehene zu rekonstruieren und stößt dabei auf so einige Schwierigkeiten. Nicht nur ist es ihm kaum möglich, sich an Gedankenfetzen zu erinnern, die Bewohner von Kaltenzell scheinen auch kein sonderlich großes Interesse zu haben, dem Neuankömmling zu helfen, und verschließen sich ihm gegenüber. Einzig die Psychologin des Dorfes (Gudrun Landgrebe) und ein schweigsamer Sonderling (Jonah Rausch) scheinen ihm helfen zu wollen.
Der Hauptcharakter der Serie ist der, über den man am wenigsten weiß: Er hat keinen Namen, man weiß nicht, woher er kommt, ob er eine Verbindung zu Kaltenzell hat und wie er überhaupt dorthin gekommen ist. Und genau das ist es, was "Weinberg" ausmacht: die Charaktere, die alle irgendeine Art von Geheimnis um sich und ihre Person zu haben, und eine Dorfgemeinschaft, die etwas zu verheimlichen scheint. Bereits zu Beginn der Folge lernen wir Herrn Zepter (Arved Birnbaum) kennen, der seinen Ort nicht nur resolut regiert, sondern auch der Besitzer des Gasthauses ist, in dem unser Protagonist nächtigt. Er scheint sein Kaltenzell im Griff zu haben und klärt schwierige Angelegenheiten am liebsten selbst: So macht er sich mit seinem Gewehr bewaffnet auf den Weg zum Weinberg, um nach der Leiche des jungen Mädchens zu suchen, anstatt die Polizei zu rufen. Im beschaulichen Kaltenzell werden die Dinge eben alle etwas anders geregelt. Eine weitere wichtige Figur ist Sophia Fink (Sinah Maria Gierke), die durchaus lebendige Weinkönigin des Dorfes und gleichermaßen die Leiche, die der Held (so sein bisheriger Rollenname) auf dem Weinberg gesehen hat. Wie alle anderen Bewohner des Dorfes hat auch sie ein Geheimnis. Sie versucht gleich mehrmals in der Folge, sich Menschen anzuvertrauen, da sie sich anscheinend in einer gefährlichen Situation befindet. Das Geheimnis, das sie auf dem Herzen hat, scheint sie so sehr zu quälen, dass sie gegen Ende des Piloten ihre Beichte ablegt, die wir als Zuschauer aber leider weder zu hören, noch zu sehen bekommen.
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Eine weitere interessante Gestalt der Serie ist der schweigsame Adrian (Joah Rausch), der im Dorf als der Sonderling gilt, da er nicht spricht. Er scheint mehr über die Vorfälle auf dem Weinberg zu wissen und taucht immer wieder auf, um dem Helden wertvolle Hinweise zu geben. Ich denke dieser Charakter dürfte im Laufe der Serie noch zu einer sehr wichtigen Figur werden. Eine weitere Schlüsselfigur wird ebenfalls die Psychologin Dr. Wieland (Gudrun Landgrebe) darstellen, da sie zur Zeit die einzige Person ist, der sich unser Protagonist wirklich anvertraut und der er zu trauen scheint. Außerdem ist sie sehr neugierig und will herauszufinden, was dem Gedächtnislosen zugestoßen ist. Sie scheint die Mittel zu besitzen, die versteckten Erinnerungen aus ihm heraus zu kitzeln. Für willkommene komödiantische Abwechslung in der Pilotfolge sorgt die Band "Angry Fucks", die Rebellen des Dorfes. Besonders Matt (Marcel Glauche) und Kirk (Max Mauff) werden in den Fokus gesetzt. Inwieweit sie mit dem Geschehen auf dem Weinberg überhaupt etwas zu tun haben. lässt sich schwer einschätzen, aber ihre eigensinnige Denkweise und ihr Desinteresse am Leben in der Dorfgemeinschaft machen sie sich zumindest verdächtig.
© TNT Serie/Martin Rottenkolber
Mich persönlich hat "Weinberg" in seiner Machart sehr überrascht, denn ich bin normalerweise kein großer Fan von deutschen Serien. Es fühlt sich oftmals so an, als wolle man Hollywood nachmachen und dabei entstehen nicht nur Charaktere, die man schon tausend Mal gesehen hat, sondern auch oftmals Schauplätze, die nur wenig Aussagekraft haben. In "Weinberg" dagegen hat man es auf faszinierende Art und Weise geschafft, dieses spezielle Flair eines Dorfes im Ahrtal und dem Leben in einem solchen auf den Bildschirm zu zaubern. Da ich selber in einem kleinen Ort an der Ahr aufgewachsen bin, fühlte ich mich durch die Landschaftsaufnahmen und die wirklich sehr gut ausgewählten Drehorte fast schon heimisch. Die Liebe zum Detail entführt den Zuschauer in eine realistische Dorfgemeinschaft, in der eben auf den Weinfesten der Chor singt oder die Mutter der Weinkönigin ihre Tochter zurecht weist, weil sie ihren Wein zu schnell trinkt; und in der die Jugendlichen dem langweiligen Leben durch laute Musik, Piercings und rebellenhaftes Verhalten entfliehen wollen. Auf diese Art schafft es "Weinberg" sich seine eigene, heimatlich vertraute Welt zu erschaffen und gleichzeitig einen kleinen Ort an der Ahr filmtauglich aussehen zu lassen.
Die mystische und bedrückende Stimmung wird dadurch erzeugt, dass in Kaltenzell nie die Sonne scheint. Zumeist bewegen sich die Charaktere durch nebeldurchzogene Weinberge oder einen in grau getauchten Ort. Dass man im Hintergrund immer mal wieder den ein oder anderen Raben krächzen hört, macht die Stimmung nur bedrückender. Außerdem ist anscheinend nicht alles, was der Protagonist erlebt, wirklich passiert. So finden die Dorfbewohner, als sie ihn zum Ort des Geschehens begleiten, gar keine Leiche vor, und auch bei einer heißen Liebesnacht, die der Held mit der Frau des Bürgermeisters verbracht zu haben scheint, kann man sich am nächsten Tag nicht mehr sicher sein, ob diese tatsächlich stattgefunden hat. Dies löst das ein oder andere Stirnrunzeln aus und versetzt den Zuschauer in Alarmbereitschaft: Man weiß nicht, ob es sich bei dem, was man gerade sieht, um Gedankenfetzen oder Einbildungen des Helden handelt oder ob er sogar Visionen hat. Ein Mittel, das "Weinberg" sehr gut einzusetzen weiß und was die Serie nur noch interessanter macht.
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Die Pilotfolge von "Weinberg" überzeugt durch detailgetreue Charaktere und ein realistisches kleines Dorf. Dies gepaart mit den geheimnisvollen Bewohnern von Kaltenzell verspricht eine interessante Mischung aus Mystery und Thriller. Auch wenn es zeitweise etwas schwierig war, zwischen Gegenwart und Einbildung oder Wahnvorstellung zu unterscheiden, mochte ich die Dynamik der ersten Folge sehr. Ich möchte wissen, was genau in diesem kleinen Örtchen an der Ahr passiert ist und wer dafür verantwortlich war. Es lohnt sich einzuschalten!
Nicola Porschen
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