Weinberg - Review
#1.02 Verhängnis

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Nachdem "Weinberg" letzte Woche sehr stark gestartet ist musste ich meine Erwartungen an die deutsche Produktion heute leider schon wieder herunterschrauben. Nachdem der Tod der Weinkönigin Kaltenzell erschüttert hat, lernen wir einige Charaktere kennen, die man so vielleicht nicht unbedingt in der Serie braucht. Dabei kommen wir weder der Aufklärung von Sophias Tod, noch der Beantwortung der Frage, wer der Gedächtnislose ist, ein Stück näher.

Nur noch einmal zur Erinnerung: Ein Mann, dessen echten Namen man nicht kennt und der deshalb nur "der Held" genannt wird, wacht verwirrt neben der toten Weinkönigin auf einem Weinberg auf. In einem mehr als merkwürdigen Dorf namens Kaltenzell trifft er jede Menge verdächtige Bewohner. Als sich herausstellt, dass er sich die Tote nur eingebildet hat, fragt sich sowohl der Zuschauer, als auch der Protagonist, was in "Weinberg" eigentlich vor sich geht. Was ist real, was nur Vision oder gar Einbildung? Diese Fragestellung brennt sich in den Kopf der Zuschauer, als am Ende der Pilotfolge tatsächlich die Weinkönigin tot in den Weinreben gefunden wird.

Foto: Friedrich Mücke & Gudrun Landgrebe, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Friedrich Mücke & Gudrun Landgrebe, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

In der zweiten Folge, die den Namen "Verhängnis" trägt, geht es nun also um den Beginn der Ermittlungen im Fall Sophia. Und genau da liegt für mich schon direkt das Problem: Sobald die beiden Ermittler Beckmann (Oliver Mario) und Brehme (Martin Kiefer) auf dem Bildschirm erscheinen, fühlt sich die Serie für mich an wie ein typischer deutscher Krimi. Ein erfahrener Kommissar, der mit seinem jüngeren Kollegen (der ihn nicht einmal mit Vornamen anspricht) versucht, sich durch den Pool an Verdächtigen im kleinen Kaltenzell zu bewegen. Dabei haben sie relativ schnell unseren Helden im Visier, was mehr als offensichtlich war. Wer ist verdächtiger als der Fremde im Dorf?! Außer zwei Gesprächen mit Sophias Eltern und dem gedächtnislosen Protagonisten finden in dieser Folge keine weiteren Ermittlungen statt. Ich hätte es wesentlich interessanter gefunden, wenn man die Ermittler nicht direkt ins Dorf geschickt hätte. Eine Wand voller Fotos mit Verdächtigen und die Beweisaufnahme im Präsidium mit gelegentlichen Verhören auf der Wache hätte mir in diesem Fall besser gefallen. Meiner Meinung nach passen die beiden nicht in die Story des seltsamen Dorfes mit den sich merkwürdig verdächtig verhaltenden Bewohnern. Zumal der Held ja bereits in dieser Folge seine eigenen Ermittlungen zum Tod der Weinkönigin beginnt.

Dabei ist ihm mal wieder Adrian sehr behilflich. Zu Beginn der Folge trifft er ihn an einer improvisierten Gedenkstätte und fragt den verschwiegenen Jungen, was er am Abend zuvor gesehen und wer den Helden überfallen hat. Seine Antwort "das Böse", gepaart mit "Das Böse ist in uns allen." löst bei mir Augenrollen und einen genervten Seufzer aus. Nicht nur ist das ein sehr gutes Beispiel für die in dieser Folge leider immer wieder auftretenden übertriebenen, unrealistischen Dialoge, es ist auch eine weitere offensichtliche Parallele zu "Twin Peaks". Solche Szenen wirken einfach billig nachgemacht und es entsteht der Eindruck, dass die Kreativität der Drehbuchautoren verloren gegangen ist. Jedenfalls macht sich unser Held nun auf den Weg in die Kirche, wo Adrian Sophia das letzte Mal gesehen hat. Es folgen weitere, sehr gezwungene Dialoge mit einem überforderten Pfarrer, der kaum ein Wort von dem, was gesagt wird, versteht und den man umgekehrt noch schwerer verstehen kann. Die sehr übertrieben dargestellte Unwissenheit des Pfarrers frustriert mich sehr. Wenn er die Leute doch nicht versteht, wieso stellt er seine Fragen nicht auf Englisch. Ich bin mir sicher, dass sich selbst in diesem kleinen Dorf jemand finden lässt, der sich mit ihm unterhalten kann. Stattdessen wird ihm die offensichtlichste Person beiseite gestellt: Die tiefgläubige Kirchenmaus, die in ihrer Ehe unglücklich ist.

Foto: Friedrich Mücke, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Friedrich Mücke, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Zurück zu unserem Protagonisten: Nachdem dieser nun das Handy des Pfarrers geklaut hat und dort die Suchbegriffe Lüge, Erpressung, Krappennest und Ulf findet, macht dieser sich auf zum Freund der Toten. Die erste Konfrontation der beiden auf dem Fußballplatz löst erst einmal nur eine Nervosität der Dorflieblings Ulf (David Schütter) aus, die, wie sich später rausstellt mehr als begründet war. Es folgt die erste kleinere Überraschung der Folge; zumindest im ersten Moment: Ulf hat eine Affäre mit Markus Schreiber (Arndt Klawitter), dem Besitzer des Tante-Emma-Ladens. Auf den zweiten Blick ist dies mal wieder eine Masche, die es in Filmen und Serien immer wieder gerne zu sehen gibt. Der hochreligiöse, spießige Dorfbewohner, der sich als der noch nicht geoutete Schwule herausstellt. Auch hier rollen sich meine Augen wieder unweigerlich in den Hinterkopf. Der Held konfrontiert Ulf später im Wald damit, dass er den Kuss im Laden zwischen ihm und seinem Geliebten gesehen hat und droht ihm die zwei zu outen, wenn er ihm nicht weiter hilft.

Wie sich herausstellt, wusste Sophia von den beiden, ist die "Beziehung" mit Ulf nur eingegangen, damit er sein Geheimnis bewahren kann und sie nicht mehr von ihren Eltern kontrolliert wird. Außerdem weiht der "Fußballking" den Helden in ein weiteres Geheimnis, welches Sophia hatte ein. Sie hat sich im Internet Männern präsentiert und mit den Videos ihr Geld verdient. Geld, das sie brauchte, um irgendwann aus Kaltenzell herauszukommen. Die Videos überraschen in diesem Moment nur den Helden, denn der Zuschauer hat sie am Anfang der Folge, beziehungsweise im Piloten schon gesehen, als sich der Bürgermeister die Filmchen anschaut, bzw. diese von seinem PC löscht. Leider fehlt mir auch hier wieder der Spannungsmoment, von denen es in der ersten Folge doch deutlich mehr gab. Auch als der Held sich nach der Konfrontation mit Schreiber zur Ruine des alten Fasslagers bzw. dem "Krappennest" macht, in dem es spuken soll, wirkt die Szenerie doch eher lächerlich. Natürlich ist man in der Pilotfolge schon auf den übernatürlichen Aspekt der Serie aufmerksam gemacht worden, schon allein durch die Vision von Sophias Tod, aber jetzt auch noch Geister mit in die Story einzubauen, die ausgerechnet in einer Ruine spuken sollen, ist für mich zu viel des Guten. Das Mädchen, das der Held im Licht seiner Taschenlampe sieht, ist blond, trägt ein weißes Kleid (wie originell!) und hat rote Gummistiefel an. Diese Fußbekleidung kommt einem sehr bekannt vor, denn man hat sie schon in zwei der Visionen des Gedächtnislosen gesehen. Bedeutet das, dass er das Mädchen kennt, sie irgendwo schon einmal gesehen hat? Hat er sie vielleicht vor dem Ertrinken gerettet? Oder hatte er sonst etwas mit dem, was er gesehen hat, zu tun? Zumindest kommen hier mal wieder neue Fragen auf. Viel weiter als bis zum Geist kommt unser Protagonist in dieser Folge allerdings nicht.

Foto: Oliver Marlo & Martin Kiefer, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Oliver Marlo & Martin Kiefer, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Dafür dürfen wir Adrian etwas begleiten. Der schweigsame Junge schleicht durchs Dorf und scheint auf seiner ganz eigenen Mission zu sein. Ob er dabei dem Helden helfen will oder sich selber aus dem Schussfeld zieht, indem er von sich ablenkt, ist dabei allerdings nicht ganz klar. Unter anderem schleicht sich der Sonderling in das Haus von Sophias Eltern und sucht im Zimmer der Toten nach einem Bilderrahmen. Hier schießen mir gleich mehrere Fragen in den Kopf: Wie kann es sein, dass Sophias Mutter Adrian nicht hört, wie er sich in das Haus schleicht, aber beim ersten kleinen Laut aus dem Zimmer ihrer toten Tochter aufschreckt? Woher weiß Adrian von den Fotos in der kleinen Schachtel in Sophias Zimmer? Was haben die beiden Nachtfalter in dem Bilderrahmen, den Adrian unter dem Stuhl findet, zu bedeuten? Zu diesem Zeitpunkt kann man keine dieser Fragen beantworten, was aber wenigstens Spannung und Mysterium wieder ein wenig aufbaut. Der Fakt, dass Adrian den Bilderrahmen im Zimmer des Helden versteckt, lässt zumindest erahnen, dass dieser noch eine größere Rolle spielen wird.

Am Ende der Folge macht seine Mutter (Victoria Trauttmansdorff) eine erschreckende Entdeckung in seinem Zimmer. Inmitten seiner "Kissenburg" findet sie ein blutverschmiertes Shirt. Ich musste sofort an die letzte Szene des Piloten denken, in der Adrian mit Blut an seinen Händen und an seiner Kleidung neben Sophias Leiche steht. Wieso verwundert es also seine Eltern so, dieses Shirt zu finden? Außerdem suggeriert die letzte Kamerafahrt der Folge, dass der Geist, den unser Held in der Ruine gesehen hat, Adrians Schwester ist, die unter mysteriösen Umständen umkam. Wie genau sie gestorben ist, wird nur angedeutet, fest steht aber wohl, dass sie ertrunken ist. Der Geist aus der Ruine trug ebenfalls rote Gummistiefel. Das Geheimnis der Familie Donatius wird wohl offensichtlich auch noch eine große Rolle in Weinberg spielen.

Randnotizen:

  • Natürlich ist die Schreiber Familie die seltsamste Familie im Dorf. Der Vater insgeheim schwul, die Mutter hochreligiös und eine Übermutter hoch zehn: Die Szene mit dem Kind von 4/5 Jahren, das an der Brust der Mutter nuckelt, musste nun wirklich nicht sein. Außerdem hat die Familie ein schwarzes Schaf, in dem Falle ist das Ganze schon fast wörtlich zu nehmen, denn Matthias' (Marcel Glauche) Lieblingsfarbe scheint schwarz zu sein. Da wir gerade über ihn sprechen: Denkt noch irgendwer, dass er vielleicht Sophias heimlicher Freund war? Warum sollte er sonst ein Bild von ihr neben seinem Bett stehen haben, wenn sie laut eigener Aussage keine Freunde waren?
  • Die Friseurin Bärbel (Anna Böttcher) und ihre seltsamen Mutter Elisabeth. Für mich zwei vollkommen unnötige Charaktere. Ich bin kein Freund von übernatürlichen Fähigkeiten oder Scharlatanen, wo keine hingehören. Zuerst die Weinbergschnecken, die das Böse aufsaugen sollen, dann die Vision, die bei Bärbel einen epileptischen Anfall auslöst und dazu dann noch die Schreckschraube von Mutter, die aus dem Dunklen direkt in die Kamera spricht und sagt: "Es ist wie damals. Wir alle haben die Zeichen übersehen. Das Unheil kriecht aus seiner Höhle". Sowas kann ich leider wirklich nicht ernst nehmen. Hier wird auf Biegen und Brechen versucht, eine übernatürliche oder mystische Stimmung zu erzeugen, was aber total in die Hose geht und die Szene schon fast lachhaft rüberkommen lässt. Das hätte man deutlich besser lösen können; vielleicht mit weiteren Visionen des Helden, in denen er die beiden sieht und sie später im Kaltenzeller Friseursalon noch einmal zu sehen bekommt. Jedenfalls anders als in der Folge gezeigt.


Fazit

Eine eher enttäuschende Folge wie ich finde, die vor allen Dingen durch schlechte Dialoge in den Boden gestampft wird. Außerdem sieht man nicht viel Neues. Gerade was die Storyline angeht, kommt es einem oft so vor, als hätte man das Ganze irgendwo schon einmal gesehen. Kleine Lichtblicke gibt es allerdings, sobald der Held und Adrian im Bild sind, denn die Dynamik der beiden überzeugt mich bisher. Allerdings ist die Folge von Charakteren geprägt, von denen die Fernsehwelt nicht noch mehr braucht. Das Bild des Mädchens am Ende der Folge und die Ähnlichkeit, die es mit dem Geist in der Ruine hatte, halten meine Neugier aber doch so auf Trapp, so dass ich wissen will, wer genau sie ist und was mit ihr passiert ist.

Nicola Porschen - myFanbase

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