Weinberg - Review
#1.04 Trauma

Foto:

Nach Zepters Lüge in der letzten "Weinberg"-Folge ist Adrian nun der Tatverdächtige Nummer eins. In "Trauma" versucht der Held weiterhin die Unschuld des Jungen zu beweisen, während Sophias Vater die Dinge selbst in die Hand nimmt. Die Serie nimmt endlich wieder Fahrt auf und glänzt mit den Attributen, die den Piloten ausgemacht haben: gute Dialoge, tolle Stimmung und ein mal wieder mehr als gelungener Cliffhanger.

Foto: Ronald Kukulies, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Ronald Kukulies, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Zu Beginn der vierten Folge scheint es immer ernster um Adrian zu stehen. Nachdem Zepter mit einer gut platzierten Lüge den Stein ins Rollen gebracht hat, scheint nun fast das ganze Dorf zu denken, dass der stille Junge etwas mit dem Mord an der Weinkönigin zu tun hat. Wie es Matthias im Wald so schön zu Kurt sagt: "Außenseiter, Spasti, Mörder!" Das Wort des Bürgermeisters gilt und nichts wird in Frage gestellt. Die Bewohner stellen lieber eine Person an den Pranger, die sich nicht wehren kann, als sich zu fragen, was überhaupt Adrians Motiv gewesen sein soll. Während also halb Kaltenzell jetzt schon davon überzeugt zu sein scheint, dass Adrian Sophias Mörder ist, rudert ausgerechnet Frau Funk zurück und tadelt ihren Mann, dass sie niemanden verurteilen dürfen, solange es keine Beweise gibt. Ihr Ehemann schweigt wie so oft und geht der Situation aus dem Weg.

Wenn der Ausraster von Sophies Vater auf der Beerdigung seiner Tochter ein Vorgeschmack auf die Wut war, die in ihm wächst, dann kann man sich wohl noch auf einiges gefasst machen. Es wirkt bereits am Anfang der Folge so, als würde für ihn schon feststehen, dass Adrian seine Sophia ermordet hat. Als er dann auch noch mitbekommt, wie das Haus der Donatius durchsucht wird und anscheinend Beweise gefunden wurden, die ins Labor geschickt werden, entschließt er sich, die Sache selber in die Hand zu nehmen. Als Adrian sich mal wieder davonschleicht, lauert er ihm auf und bringt ihn zu Sophias Gedenkstätte in den Weinbergen. In seiner Wut und Verzweiflung schlägt er auf den wehrlosen, stummen Jungen ein und will die Antwort auf die Frage, was mit seiner Tochter passiert ist, aus ihm herausprügeln. Plötzlich hält er inne und nimmt Adrian in den Arm, nur kurz hat man die Hoffnung, dass er endlich von dem Jungen ablässt, bis er einen Stein nimmt und kurz davor ist sein Opfer damit zu erschlagen. Man kann von Glück reden, dass der Held (mal wieder) zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist und Sophias Vater davon abhält, Adrian etwas anzutun. Der Moment, in dem Fink zu Boden geht und anfängt zu weinen, ist das erste Mal, dass wir ihn überhaupt weinen sehen. Man sieht einen verzweifelten Vater, der nicht verstehen kann, was mit seiner Tochter passiert ist. Der Antworten sucht und sich anscheinend von der Polizei im Stich gelassen und sich so genötigt fühlt, die Dinge in die eigene Hand zu nehmen.

Als der Held auftaucht und Adrian rettet, wird Sophias Vater bewusst, was er da eigentlich tut und er bricht in sich zusammen. Seine ganze Stärke und Gefasstheit, die er aufbringen musste, damit seine Frau eine starke Schulter zum Anlehnen hat, ist in diesem Moment verschwunden. Er ist im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört und es scheint so, als würde er gerade erst realisieren, was Sophias Tod mit ihm gemacht hat. Diese Gefühle der unaussprechlichen Wut, der Verzweiflung eines trauernden Vaters und die anschließende Scham werden in dieser Szene perfekt rübergebracht. Als Zuschauer ist man gerade von solchen Szenen sehr gefesselt: Erst will man Adrian bis aufs Blut verteidigen, weil man weiß, dass auf einen unschuldigen Jungen eingeprügelt wird und dann will man plötzlich Fink in den Arm nehmen, um ihm zu sagen, dass alles wieder gut wird.

Foto: Arved Birnbaum, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Arved Birnbaum, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Wenn man also nicht schon in der letzten Folge von Adrians Unschuld überzeugt war, dann sollte man dies spätestens nach dieser Szene sein. Außerdem werden in der aktuellen Folge die Zepters sowieso immer verdächtiger. Es gibt ja nun wirklich einige schräge Paare in diesem Dorf: Die Donatius mit ihrer traurigen Familiengeschichte und dem zur Zeit dringend tatverdächtigen Sohn, die Schreibers mit einem heimlich schwulen Mann und einer überkorrekten Mutter, die heimlichen ihren Gelüsten nach dem Dorfpfarrer nachgeht und dann gibt es da die Zepters: der Bürgermeister und Wirt, der das ganze Dorf unter seinen Fittichen hat und seine junge (viel zu hübsche) Ehefrau Hanna. Frau Zepter war von Anfang an ein Mysterium, denn noch immer ist nicht klar, ob sie sich nun in das Zimmer des Helden geschlichen und mit ihm geschlafen hat oder ob es nur eine Vision seinerseits war. Sie wirkt oft sehr geheimnisvoll und spricht immer in Rätseln. Viele Fragen des Helden oder ihres Mannes beantwortet sie entweder gar nicht oder nur mit Gegenfragen. Und ihr Mann? Der ist eine Geschichte für sich, gerade in der aktuellen Folge: Wir erfahren, dass er damals derjenige war, der Marie gefunden hat. Ein Zufall oder war er etwa der "Krappenmann", vor dem Adrian so große Angst hat?

Im Laufe der Folge begibt Zepter sich auf die Jagd in den Wald und ehe man sich versieht, steht er plötzlich nur noch in Unterhose bekleidet und von Kopf bis Fuß mit Blut beschmiert in der Wildnis und brüllt durch die Kaltenzeller Wälder. Was zur Hölle sollte das denn? War er high oder war das ein Ritual? Eine typische "Weinberg"-Szene, die einen mit tausend Fragezeichen im Kopf zurücklässt. Und als Zepter nach seinem Ausflug in den Wald in der Wirtschaft über seine Gattin herfallen will, kommt es zu einer seltsamen Situation. Sie reißt sich von ihm los und sagt ihm, dass er, wenn er geil ist, in den Puff gehen soll. Worauf er antwortet: "Warum bist du dann noch hier. Du Hure." Deutet Zepter hier etwa auf die Nacht mit dem Helden an oder eröffnet sich vielleicht eine ganz andere Möglichkeit: Als erstes schossen mir Sophias Videos in den Sinn, als ich Zepters Reaktion gehört habe. Könnte es sein, dass Hanna Sophia überhaupt erst auf die Idee gebracht hat, die schmutzigen Filmchen zu drehen? Wusste sie, dass ihr Mann sich die Filme anschaut und wurde eifersüchtig oder hat sie vielleicht selber mal so ihr Geld verdient und so ihren Mann kennengelernt? An dieser Stelle wurde mir Hanna das erste Mal in dieser Folge verdächtig. Zu dem Zeitpunkt sah ich aber noch keinen Grund diesen Gedanken weiter zu verfolgen. Das Ganze änderte sich aber gegen Ende der Folge drastisch.

Nachdem Zepter den Helden dabei erwischt, wie er an seinem Computer herumschnüffelt, schmeißt er ihn aus der Pension. Auf der Suche nach einer neuen Unterkunft steht unser Protagonist schließlich vor Frau Dr. Wielands Tür und kommt bei seiner Psychologin unter. Wenig später kommt es zu einem merkwürdigen Gespräch. Als sich der Held bei Dr. Wieland für ihre Gastfreundschaft bedankt, warnt sie ihn davor, sich zu sehr auf ihre Hilfe oder die von anderen zu verlassen, da man am Ende allein sei. Der Protagonist fragt: "Haben sie so etwas schon einmal erlebt. Dinge für die man keine Erklärung hat?" worauf sie eine mehr als mysteriöse Antwort gibt. Sie sagt, dass man sich die meiste Zeit des Lebens durch dichten Nebel bewege und hier und da Wegweiser findet, bei denen man sich aber nicht sicher sein könne, wer diese aufgestellt hat und ob man dies am Ende nicht sogar selber war. Soll das eine Andeutung darauf sein, dass sie es immer noch für möglich hält, dass der Held etwas mit Sophias Mord zu tun hat oder spielt sie darauf an, dass er schon weiß, wer der Mörder (oder die Mörderin) von Sophia ist? Dieser Dialog lässt einen etwas ratlos zurück. Aber es kommt noch besser: Während der Held seine Konfrontation mit Fink hat sehen wir Frau Doktor Wieland, wie sie etwas in ihrem Haus zu hören scheint. Plötzlich erscheint hinter ihr eine dunkle Gestalt (der "Krappenmann"?) und schlägt auf sie ein. In guter alter Filmmanier erfahren wir natürlich nicht, was mit ihr passiert, naja zumindest nicht hundert prozentig.

Foto: Stella Herberg, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Stella Herberg, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Nachdem der Held von seiner Konfrontation mit Sophias Vater in seine Unterkunft bei seiner Therapeutin zurückkehren will, läuft ihm Hanna über den Weg. Sie sagt ihm, dass sie ihm gefolgt ist und fragt, wo er denn nun untergekommen sei. Darf ich an dieser Stelle mal einwerfen, wie groß dieser Zufall bitte ist, dass Hanna kurz nach dem Überfall auf Frau Dr. Wieland plötzlich vor deren Haus auftaucht? Könnte es etwa sein, dass der "Krappenmann" gar kein Mann ist sondern eine Frau? Oder arbeiten die Zepters etwa zusammen? Die Fragezeichen bildeten sich schon wieder. Mehr noch als wir von Hanna erfahren, dass es keine Therapeuten im Dorf gibt und auch nie welche gegeben hat. Verwirrung! Die beiden betreten das Haus von Frau Dr. Wieland und der Held stellt überrascht fest, dass es leer steht und das wohl nicht erst seit gestern: Überall liegt dicker Staub, alles ist vollgehangen mit Spinnweben und an den Fenstern in den Türen hängen alte Zeitungen. War die Psychologin etwa auch nur ein Geist? Ist sie ein weiteres Opfer des "Krappenmanns", die der Held sehen kann? War der Held in diesem leer stehenden Haus, als er sich mit ihr unterhalten hat und wenn ja, wieso ist ihm nicht aufgefallen, dass es leer steht? Fragen über Fragen, die in dem genialen Cliffhanger natürlich mal wieder nicht beantwortet werden. Das einzige, das für mich so gut wie sicher scheint, ist, dass Hanna mehr mit dem "Krappenmann" zu tun haben könnte, als bisher angenommen. Ihre Blicke, als der Held in das leer stehende Haus geht, waren eine Mischung aus Neugier, Hinterlist und Angst. Eine Mischung, die Angst macht.

Randnotizen

  • Natürlich fängt unsere Kirchenmaus Christine etwas mit dem Dorfpfarrer an, das Ganze war leider sehr vorhersehbar und ergibt für mich noch nicht wirklich Sinn.
  • Versteht eigentlich irgendwer das Verhältnis von Matthias zu Sophia? Als er mit Kurt high durch den Wald läuft, scheinen beide das zu sehen, was sie begehren: Kurt sieht Iris und Matt Sophia. Als er später aber bei Lisa duscht, sagt er: "Sie war ein Engel...vielleicht war sie auch voll der Teufel." Im einen Moment denkt man, dass er Sophia vermisst und ihren Tod betrauert, im nächsten wirkt er so trotzig, dass man sich fragt, ob er sein Desinteresse nur vorspielt oder ob sie ihm wirklich nichts weiter bedeutet. Allerdings spricht sowohl das Bild auf seiner Kommode, als auch die Tränen, die er beim Anblick ihres Bildes vergießt, eine andere Sprache. Ich bin gespannt, ob wir noch mehr über das Verhältnis der beiden erfahren.
  • Wovon genau ist unser Held eigentlich wach geworden, bevor er Adrian vor Fink rettet? War das Sophias Stimme, die sagt "Hilf mir doch!" und was flatterte da über ihm herum? Eine Motte? Könnte es auch Adrians Stimme gewesen sein?
  • Was meinte Bärbel wohl, als sie sagt "Sie müssen sich in Acht nehmen. Ich weiß nur, dass sie in Gefahr sind und die größte Gefahr sind sie selber"? Vermutet sie etwa, dass unser Protagonist etwas mit dem Mord zu tun hat oder meint sie seine Visionen und Einbildungen? "Weinberg" versteht es echt in Rätseln zu sprechen.


Fazit

"Weinberg" nimmt endlich wieder Fahrt auf und macht mehr als deutlich, dass Adrian Sophia zwar gefunden hat, aber nichts mit ihrem Tod zu tun hat. Trotzdem ist er der Selbstjustiz von Fink hilflos ausgeliefert und kann von Glück reden, dass der Held zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. "Trauma" ist eine Folge, in der besonders der Schmerz und die Verzweiflung eines trauernden Vaters, der seine Tochter verloren hat, im Vordergrund stehen. Die Szenen, in denen diese Gefühle dem Zuschauer übermittelt werden, gehören neben dem Cliffhanger zu den absoluten Highlights der Folge. Es werden jede Menge neue Fragen aufgeworfen, die mich gespannt auf die fünfte und vorletzte Folge warten lassen.

Nicola Porschen - myFanbase

Zurück zur "Weinberg"-Übersicht

Kommentare