Weinberg - Review
#1.06 Erkenntnis

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Nach sechs Wochen des Rätselns kommt "Weinberg" zu einem zufriedenstellenden, wenn auch nicht vollkommen überraschenden Ende. Im Finale, das den Namen "Erkenntnis" trägt, folgen wir unserem Helden auf dem letzten Teil seiner Reise zur Auflösung eines Mysteriums, das uns seit Wochen beschäftigt: Wer hat Sophia und Marie getötet und was hat es mit dem gedächtnislosen Fremden auf sich?

"All das ist nur eine Geschichte in deinem Kopf mit deinem Helden, den du dir selber erschaffen hast."

Foto: Jonah Rausch & Victoria Trauttmansdorff, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Jonah Rausch & Victoria Trauttmansdorff, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Dem Zuschauer wird am Ende der Folge klar, dass wir wohl sechs Wochen lang ein Besucher in Adrians "innerer Erlebniswelt" waren. Laut Frau Doktor Wieland hat er sich dorthin nach dem Tod seiner Schwester zurückgezogen und macht dort seine Sachen mit sich selbst aus. Und genau an dieser Stelle kommt unser Held ins Spiel: der verkörpert nämlich die Figur, die die Psychologin Adrian erschaffen lässt, um herauszufinden, was der Junge weiß. Er ist jemand, dem der Dorfsonderling vertraut, ein Fremder, der durch seine Erinnerungen wandert und der ihn beschützen kann. Erinnert ihr euch an die Comics, die Adrian ständig liest? Wie sich am Ende der Folge herausstellt, heißen sie "John Fox" und der Titelheld, der auf dem Cover erscheint, sieht unserem Helden aus Kaltenzell verdächtig ähnlich. Sehr schön, wie sich der Kreis hier auch optisch schließt!

Was genau der Held im Finale von "Weinberg" herausfindet, ist allerdings teilweise nicht mehr wirklich überraschend: Wie bereits in meiner Theorie vermutet, hatten Iris und Sven tatsächlich ein sexuelles Verhältnis. Marie und Adrian erwischen sie in Flagranti, woraufhin es bei Maries Flucht vor ihrem eigenen Vater zu dem schrecklichen Unfall kommt. Sophia wusste wohl auch von der Inzest und hat Sven erpresst. Diesen Fehler bezahlte sie mit ihrem Leben. Adrian war bei beiden Todesfällen anwesend, hat diese Erinnerung aber verdrängt und seither mit seinem Helden in einer Erlebniswelt gelebt. Wie erklären sich aber jetzt Szenen, wie die heiße Liebesnacht mit Hannah oder ein irrer Bürgermeister, der gerne in Tierblut badet? Ganz einfach: In ihrer Sitzung erklärt Frau Doktor Wieland Adrian, dass er die Erinnerungslücken mit Phantasie ausfüllen soll. Es beruhigt einen doch irgendwie, dass nicht alle Irren in Kaltenzell so irre sind, wie wir dachten oder?! Ein Junge, der in seiner eigenen Welt lebt und ein Vater, der ein Verhältnis mit seiner eigenen Schwester hat, reichen da nun wirklich.

An dieser Stelle möchte ich meine Erleichterung zum Ausdruck zu bringen, dass es "Weinberg" geschafft hat, vollkommen aus der übernatürlichen Schiene auszubrechen. Wie ich bereits in anderen Reviews angemerkt habe, fand ich besonders die Folgen nicht sehr gelungen, in denen darauf zu viel herumgeritten wurde. Die Serie hatte ein sehr real wirkendes Setting, wäre der Krappenmann wirklich eine mystische Figur gewesen oder die Friseurin tatsächlich ein Medium hätte es mir dies die Auflösung zerstört. Es bleiben jedoch die beiden Figuren, die leider von Anfang bis Ende nicht wirklich funktioniert haben: die Polizisten. Auch in "Erkenntnis" wirken sie gerade in Kaltenzell wie ein absoluter Fremdkörper. In der Befragung von Herrn Donatius kommt alles unfassbar angestrengt rüber und nervt einen schnell, gut geschauspielert war das Ganze leider auch nicht; der deutsche Nachmittagskrimi lässt grüßen! Einen letzten Abzug bekommt die Serie in den Dialogen, die leider auch im Finale sehr oft ungewollt komisch rüberkommen und die Stimmung der eigentlich immer gut beginnenden Szenen verderben. Man hätte, was das angeht, wohl nicht zu sehr versuchen sollen, amerikanische Serien nachzueifern und sich stattdessen an realistischen, deutschen Dialogen festhalten sollen.

Foto: Friedrich Mücke, Weinberg - Copyright: TNT Serie/Martin Rottenkolber
Friedrich Mücke, Weinberg
© TNT Serie/Martin Rottenkolber

Aber auch das Lob soll nicht zu kurz kommen! Beginnen möchte ich mit Jonah Rauschs Darstellung von Adrian. Der Charakter hat mich von Anfang an interessiert und Jonah hat es geschafft, gerade die Momente, in denen wir Adrian alleine sehen, unter die Haut gehen zu lassen. Die Chemie zwischen Jonah und Friedrich Mücke hat von der ersten Szene an gestimmt. Wenn man jetzt natürlich weiß, wer der Held im Endeffekt war, so ist das Casting umso mehr zu loben! "Weinberg" hat auf seine ganz eigene Art und Weise gezeigt, dass deutsches Fernsehen auch noch spannend sein kann. Im Großteil der Folgen kam fast alles zusammen: die düstere, verwirrende Stimmung, die Spannung, tolle Kamerafahrten und -einstellungen und vor allen Dingen abgedrehte Charaktere, die uns an den Bildschirm gefesselt haben. Auch wenn die Auflösung für den aufmerksamen Zuschauer in Teilen nicht mehr so überraschend war, wie man sich das vielleicht gewünscht hat, so kommt "Weinberg" doch zu einem guten, runden Abschluss.

Randnotizen

  • Endlich haben wir wieder ein neues Werk der "Angry Fucks" bewundern können. Irgendwie hab ich die Band ja schon fast vermisst. Herrlich, wie einfach man sich ihre Texte merken kann....mal was anderes als die typische eifeler Coverband von nebenan.
  • Hat euch der Effekt der Geschwister, die zu Nachtfaltern werden, die im verstaubten Licht herumschwirren, auch so gut gefallen wie mir? Das sah echt klasse aus!
  • Die Unterwasseraufnahmen von Adrian und Marie waren für mich auch sehr gelungen. Der Kontrast der Dunkelheit unter Wasser, der sich unser Dorfsonderling schon fast hingeben will, als seine engelsgleiche Schwester ihn aus diesen Gedanken herausholt - in dieser Szene wurde sehr schön mit Licht und Dunkelheit gespielt.
  • War die Liebelei zwischen dem Pfarrer und Christina nun Adrians Einbildung oder lief da wirklich was?
  • Hat noch irgendwer Angst, eifeler Gaststätten zu besuchen? Ich stelle mir jetzt immer einen in Tierblut badenenden Wirtsmann im Keller vor. Keine schöne Vorstellung!


Fazit

"Weinberg" kommt zu einem guten, wenn auch nicht allzu überraschenden Ende, das die Zuschauer zumindest nicht mit allzu vielen Fragezeichen zurück lässt. Die Folge überzeugt vor allen Dingen mit einer ausführlichen Erklärung und guten Szenen zwischen dem Helden und Adrian. Unser Dorfsonderling hat uns von Beginn an mit auf eine Reise in seine Welt genommen, und die hat wirklich Spaß gemacht.

Nicola Porschen - myFanbase

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