Wonderfalls - Review
Bryan Fuller zählt für mich zu einem der besten Geschichtenerzähler der TV-Industrie. In jeder seiner bisher konzipierten Serien entführt er uns in eine vollkommen neue und faszinierende Welt, in der eigene Regeln, Normen und Werte herrschen, die eine ganz andere Farbgebung als die reale Welt besitzt und in der kuriose, liebenswürdige und märchenhafte Figuren existieren. Doch gerade weil der Charme von Fullers Serien so speziell ist, scheint er damit leider nicht das breite Publikum anzusprechen. "Dead Like Me - So gut wie tot" schaffte es nur auf zwei (kurze) Staffeln, bekam jedoch anschließend noch einen Film, der die Geschichte weiter erzählte, und auch "Pushing Daisies" hatte schon mit der ersten Staffel zu kämpfen und wurde nach der Zweiten kurzerhand abgesetzt. Ein ähnliches Schicksal erlitt "Wonderfalls", die es leider nur auf eine einzige Staffel brachte. Unverständlich sind diese Absetzungen alle Mal, da nicht nur die Charaktere allesamt liebevoll gezeichnet sind, die TV-Kritiker Fullers Serien eigentlich immer positiv bewertet haben und man immer wieder in eine neue Welt entführt wird. Dennoch kann man dankbar sein, dass Fuller anscheinend nicht aufgibt und weiterhin versucht seine eigene persönliche Note in seine Serien zu bringen.
"Does anybody want to talk to me?"
"Wonderfalls" dreht sich um das Leben von Jaye Tyler (Caroline Dhavernas), die einen Abschluss in Philosophie von der Brown Universität hat, jedoch als Verkäuferin in einem Souvenirgeschäft bei den Niagarafällen in ihrem Heimatort Wonderfalls arbeitet. Sie ist eine sehr sarkastische Person, die teilweise sogar leicht soziopathisch wirkt und deswegen stark an George aus "Dead Like Me" erinnert, ein weiterer weiblichen Hauptcharakter aus der Feder von Bryan Fuller, den er ungefähr zur gleichen Zeit entwickelt hat. Diese Ähnlichkeit mag einen zu Beginn eventuell ein wenig enttäuschen, doch bereits nach kurzer Zeit erkennt man, dass diese Konzeption eines weiblichen Hauptcharakters einfach gut aufgeht und George und Jaye sich doch in vielen Dingen unterscheiden und man keine Kopie, sondern einen weiteren faszinierenden Frauencharakter aus der Feder von Bryan Fuller präsentiert bekommt.
Jayes Leben ändert sich schlagartig, als plötzlich ein deformierter Wachslöwe zu ihr spricht und ihr Anweisungen gibt, die sie natürlich zuerst nicht befolgt. Schnell muss sie erkennen, dass jeder scheinbar leblose Gegenstand mit einem Tiergesicht zu ihr sprechen kann und immer wieder erhält sie - relativ unkonkrete - Aufträge von diesen Gegenständen. Die Serie folgt hier vor allem dem Prinzip, das jede noch so kleine Entscheidung Auswirkungen auf alle und alles haben kann. Denn auch wenn dem Zuschauer und Jaye selbst ihre Aktionen oftmals irrsinnig vorkommen, vor allem jene, die sich im ersten Moment nicht positiv auf die Person, die diese Entscheidung betrifft, auswirken, fügt sich am Ende doch alles immer zum Guten zusammen und verbessert das Leben von allen Beteiligten.
Und so schließt die erste Staffel und damit auch (leider) die komplette Serie ab. Alle getroffenen Entscheidungen helfen letztlich zu einem guten Abschluss und auch wenn die Serie nur eine Staffel umfasst, kann man sie getrost gucken, denn alles fügt sich zu einem zufriedenstellenden Ende zusammen. Auch wenn man die Serie natürlich während der 13 produzierten Episoden sehr lieb gewonnen hat, und man gerne noch mehr von der Serie gesehen hätte, wird man am Ende nicht ins kalte Wasser geschmissen, sondern bekommt einen Abschluss, der die Serie beendet.
"Would you say your family life is stressful?"
Jaye steht definitiv im Fokus und Caroline Dhavernas kann die Serie auch auf jeden Fall tragen und eine überzeugende Darstellung liefern. Doch zu einem starken, wenn auch enorm gestörten, Hauptcharakter gehört natürlich auch die passende Familie, die, wie immer bei Bryan Fuller, extrem gestört und auf Grund dessen einfach nur urkomisch ist. Die Szenen, in denen die Familie beisammen ist, zählen zu den Stärksten der Serie, was nicht zuletzt an der wunderbaren Darstellung der Schauspieler liegt, die sich perfekt in ihre Rollen einfinden.
Allen voran sind dabei Jayes Geschwister Sharon (Katie Finneran) und Aaron (Lee Pace) zu nennen. Während man Aarons Charakter erst nach einigen Episoden wirklich zu fassen bekommt, wird uns Sharons charakterliche Tiefe schon im Piloten präsentiert und in den folgenden Episoden noch intensiviert. Dennoch schafft es Aaron mit der Zeit Sharon die Show zu stehlen, was nicht nur an Lee Pace selbst liegt, sondern auch daran, dass der Charakter Jaye enorm nah steht, ihrem 'Geheimnis' mit der Zeit auf die Schliche kommt und zusätzlich noch eine eigene erfrischende Storyline bekommt. Eins muss man jedoch beiden lassen, egal in welcher Konstellation, wenn die Geschwister zusammen kommen, kann man sich auf herrliche Geschwister-Szenen gefasst machen, die eigentlich nur noch von Familienszenen getoppt werden.
Deutlich weniger Screentime haben die Eltern Darrin (William Sadler) und Karen (Diana Scarwid). Doch während Diana Scarwid es mit Leichtigkeit versteht ihrem Charakter Leben einzuhauchen, sie äußerst schnell für den Zuschauer greifbar macht und in ihren Szenen eine enorme Präsenz hat, schafft William Sadler dies mit seinem Charakter leider nur marginal. Erst relativ spät hat man ein wirkliches Bild vom Vater der Familie und nur selten kann dieser vollkommen überzeugen. In Kombination mit den anderen Familienmitgliedern fällt er dabei oftmals in den Schatten dieser, was letztlich jedoch auch nicht weiter schlimm ist.
Neben der Familie Tyler stehen vor allem die beiden Charaktere Eric (Tyron Leitso) und Mahandra (Tracie Thoms) im Vordergrund, wobei Mahandra erst später in der Serie ein richtiges Profil und eine eigene Storyline bekommt. Mit diesen beiden Personen hat es Bryan Fuller auch geschafft die größten Unterschiede zwischen seinen Seriencharaktere Jaye und George zu schaffen. Während George aus "Dead Like Me" mit Ausnahme ihrer 'Kollegen' keinerlei soziale Kontakte hatte, wird Jaye mit einer besten Freundin ausgestattet und bekommt gleichzeitig einen Love-Interest vorgesetzt, was sie in vielen Dingen einfach viel emotionaler und manchmal auch realistischer wirken lässt.
Neben den Hauptcharakteren gibt es dann natürlich noch viele interessante, kuriose und liebenswerte Nebencharaktere, die alle ihren eigenen Charme haben und sich perfekt in die von Bryan Fuller geschaffene Welt einfinden. Erwähnenswert ist hier vor allem der Charakter Marianne Marie Beetle, einer Nachbarin von Jaye aus dem Trailer-Park, die Bryan Fuller auch in der "Pushing Daisies"-Episode #2.08 Seelenfutter auftreten ließ und somit ein Crossover der beiden Serien schuf.
"Because you make me happy!"
Was mir persönlich in "Dead Like Me" an manchen Stellen fehlte, und womit man in "Pushing Daisies" in jeder Episode zugeschüttet wurde, waren die romantischen Szenen. "Wonderfalls" bestreitet einen guten Mittelweg und präsentiert Shippern schon im Piloten ein Paar, bestehend aus Eric und Jaye, das einem an manchen Stellen in der Serie sprichwörtlich das Herz bricht. Die Macher haben es geschafft einmal mehr eine interessante, irrwitzige und auf diese Weise wunderbar romantische Liebesbeziehung zu kreieren. Man wird natürlich nicht sofort ins kalte Wasser geschmissen, sondern darf die erste Hälfte der Serie immer wieder kleine romantische Annäherungsszenen sehen, die allesamt wunderbar umgesetzt wurden. Caroline Dhavernas und Tyron Leitso haben eine enorme Chemie und schaffen es die Gefühle ihrer Charaktere realistisch auf den Bildschirm zu transportieren und den Zuschauer so immer wieder mitfiebern zu lassen. Die 'Beziehung' der beiden markiert viele Höhepunkte der Serie, vor allem in der zweiten Hälfte der Serie, und das Lied "Stay" von Michelle Featherstone dient dabei oftmals als passende musikalische Untermalung.
So romantisch und herzzerbrechend die Beziehung zwischen Jaye und Eric auch sein mag, wurden die Zuschauer noch mit einer weiteren Liebesgeschichte überrascht, die wohl keiner, vor allem wohl nicht die Charaktere selbst, erwartet hatte. Doch genau das machte sie interessant, liebeswert und auf eine kuriose Art und Weise äußerst romantisch. Hinzu kommt, dass man mit dieser Romanze vor allem auch Lee Paces Charakter Aaron wieder ein wenig mehr in den Vordergrund rücken konnte, der somit noch mehr seines Potenzials zeigen konnte, was bis dato leider ein wenig unter den Tisch gefallen war.
Fazit
Bryan Fuller hat mit "Wonderfalls" erneut eine Serie geschaffen, die kuriose, liebenswürdige und sympathische Charaktere beinhaltet, den Zuschauer in eine ganz eigene Welt entführt und wunderbare Dialoge bietet. Allein an der Gestaltung und Aufmachung der Serie erkennt man die deutliche Handschrift von Fuller, was schon allein ein Grund ist, sich diese Serie anzugucken, wenn man auch "Dead Like Me" und "Pushing Daisies" mochte. Hinzu kommt eine ordentliche Portion Humor aus der Feder von Co-Creator Todd Holland, der schon an Serien wie "Malcolm mittendrin" gearbeitet hat. Trotz des Stand-Alone-Charakters der Fälle, denen sich Jaye in jeder Episode widmet, gibt es vor allem durch die charakterlichen Beziehungen episodenübergreifende Handlungsstränge, die den Zuschauer immer wieder mitfiebern lassen.
Annika Leichner - myFanbase
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