The Following - Staffel 2
Wahrscheinlich war es genau das, was Kevin Williamson im Hinterkopf hatte, als er "The Following" schuf: die Serie lässt im Grunde niemanden kalt und bleibt so im Gespräch. Daran ändert sich auch in Staffel 2 nichts. Über den Beginn eines schrecklich unglaubwürdigen, aber für die Serie durchaus verständlichen Twist um einen doch ziemlich lebendigen Joe Caroll bis zu weiterhin unzähligen Gewaltexzessen, die jede Form von Bedeutung, die sie evtl. tatsächlich mal hätten haben sollen, verloren, einer weiteren magischen Wiederauferstehung und zwischendrin einer aufdringlichen religiösen Symbolik bot "The Following" wahrlich genug Stoff, damit man über es redete und teils immer noch redet.
Bevor jedoch Missverständnisse aufkommen: die Serie war und ist schlichtweg schlecht, in Staffel 2 mehr denn je. Denn während Staffel 1 aufgrund der eigenen Dummheit und der klaffenden Logiklöcher noch herrlich komisch war und viel eher als Comedy denn als Crimethriller mit dramatischem Unterbau funktionierte, war Staffel 2 trotz der für Networkserien wieder reduzierten Episodenanzahl von 15 statt 22 oder 24 in ihrer Gesamtheit schon arg repetitiv und zu einem Großteil unnötig.
Was in dieser Staffel noch viel offensichtlicher wurde als zuvor, ist die extrem fragwürdige Art und Weise, wie Williamson und Co. ihre weiblichen Charakter zeichnen. Wobei "zeichnen" in diesem Zusammenhang gänzlich übertrieben ist. Denn die Damen der Serie haben genau zwei Daseinsberechtigungen, gern auch mal im Wechsel: entweder, sie sind in der Opferrolle und werden gekidnappt und/oder getötet oder ihre Daseinsberechtigung ist alleinig die, love interest für einen der Männer zu sein. Damit hat man dann auch schon den Grund, warum Max eigentlich noch lebt. Denn ihre so gar nicht vorsichtig angedeutete Liebesgeschichte mit Mike, bei der es eher eine Frage der Zeit war, bis sie sich gegenseitig die Kleider vom Leib reissen, war letzten Endes ihre einzige Rettung. Dabei hat sie selbst auch nach einer Staffel als durchaus prominent vertretener Nebencharakter immer noch nicht einmal ansatzweise das, was man landläufig als "Profil" bezeichnen würde. Dennoch ist sie die beste weibliche Figur der Serie, was nun wirklich alles aussagt. Nur allzu verständlich, dass sich nicht nur Kritiker die Frage stellen, ob Williams nun wirklich so gar keine Ahnung hat, was er mit weiblichen Figuren machen soll, oder ob er tatsächlich hochgradig misogyn ist. Betrachtet man mit "Stalker" seine neueste Errungenschaft, die nicht gerade von wenigen als frauenfeindliche Gewaltpornographie bezeichnet wird, so fällt das Urteil nicht allzu schmeichelhaft aus.
Ein Riesenproblem, an dem "The Following" auch in der zweiten Staffel litt, war der Anspruch der Macher hinter der Serie, auf Teufel komm raus Gesprächsstoff liefern zu wollen und möglichst "edgy" wirken zu wollen. Nein, die Serie, die zum Start von Staffel 1 noch breitbrüstig damit beworben wurde, dass sie eigentlich beim Kabelfernsehen hätte unterkommen müssen, ist nicht deswegen nicht bei HBO oder Showtime gelandet, weil alle zu doof waren, um die Genialität dahinter zu sehen. Sie ist zu schlecht fürs Kabelfernsehen. Punkt. Wer die großen Pay-TV-Sender in den Staaten und deren Produkte darauf reduziert, wie blutrünstig oder offenherzig sie sind, der hat das letzte Jahrzehnt rein gar nichts gelernt. Was die Serien dort von einer Fabrikation wie "The Following" unterscheidet, ist nämlich schnell umrissen. Dort ist Gewalt kein Selbstzweck, kein Instrument, dessen Qualität sich danach messen lässt, wie geschockt die Zuschauer sind. Die zweite Staffel war voll von unnötigen Toden und einem Maß an Gewalt, das gänzlich seine Bedeutung verloren hat. Selbstverständlich, auch Staffel 1 hatte diesbezüglich auch einiges zu bieten, aber was diesmal an Messer-in-Eingeweide-Szenen dabei war, war einfach nur zu viel (zumal ja ohnehin nur ein Hauptcharakter so eine Attacke trotz aller biologischen und anatomischen Fakten überleben darf). Tötungsszenen per se können durchaus ihre Daseinsberechtigung haben, aber wenn der Autopilot der Serie der von "Töten" statt der von "Nicht töten" ist und es ungewöhnlich ist, wenn mal niemand aus seinem Bauch blutet, dann ist das in seinem aufgezwungenen Nihilismus und "Schaut her, wir sollten lieber im Kabelfernsehen laufen"-Großspurgedenke geradezu lächerlich, wenn dabei nicht mehr geliefert wird als das. Dann bitte doch etwas mehr Logik (denn auch in dieser Staffel sucht die schiere Anzahl an Logiklöchern ihresgleichen in der US-Serienlandschaft), Charakterentwicklung und vor allem Empathie gegenüber der einzelnen Figuren, damit das Ganze auch wirklich Wirkung haben kann.
Denn was interessieren mich Charaktere, die ohnehin nie ausstaffiert werden, weil sie entweder prädestiniert für einen frühen Tod sind, um die Schockmomentrate möglichst hoch zu halten oder – noch schlimmer – Frauen sind, bei denen das Schicksal eh besiegelt ist? Warum soll man bei dem hundertsten Messer, das in den Bauch gerammt wird, noch Regung zeigen? Wie kann man sich mit einer Serie identifizieren, die ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung hat, wie sie sich lang- oder auch nur mittelfristig entwickeln soll? Wieso genau nochmal wurde Debra in Staffel 1 eigentlich getötet, nur um sie in S2 dann durch die praktisch identische Figur mit denselben Charakterzügen (Gina Mendez) zu ersetzen? War das die Sarg-Szene wirklich wert? Wieso vorher noch die Sekten-Backstory installieren, die man wunderbar in Staffel 2 hätte ausbauen können? Wofür etabliert man eine von der Prämisse her vielversprechende Figur wie Mandy, nur um sie nach wenigen Episoden nur noch 90 % der Zeit durch irgendwelche Häuser schleichen zu sehen, um Joe und Emma abzuhören und dann, wenn es gerade interessant wird (nämlich wenn sie zu Lily geht) sie innerhalb weniger Einstellungen tötet? Wozu mit Micah und Lily zwei Personen einführen, die endlich auch Joe auf derselben Seite des Gesetzes gefährlich werden könnten, nur um sie dann wenig später wieder loszuwerden? Allein die Figur des Micah hätte so wunderbar viel Potential gehabt, Joe das Leben schwer zu machen, wurde aber innerhalb kürzester Zeit zum grenzdebilen Aufmerksamkeitsfetischisten, der so gar kein Gespür dafür hatte, was um ihn herum geschah. Von Lily gar nicht zu sprechen. Da hat man eine (weibliche!) Figur, die augenscheinlich genug Ressourcen hat, um richtig ungemütlich zu werden, und dann lässt man sie durch Mike töten, um den nächsten Schocker zu generieren (der längst keiner mehr war, da diese charakterliche Entwicklung längst angedeutet wurde). Oder Emma, deren gesamte Daseinsberechtigung in Staffel 2 die war, für Joe da zu sein und zumindest alle paar Episoden halbwegs vernünftige Beobachtungen anzustellen und dann auch zu formulieren. Zumindest in Ansätzen war sie so etwas wie die Stimme der Vernunft der Serie, während alle um sie herum dumm, unfähig und komplett verblendet waren. Leider war es nur allzu klar, dass sie sterben musste. Man hat ja keinen Platz in dieser Schwarz-/Weiß-Malerei von "The Following", sie neben Claire als love interest für Joe oder neben Joe als Serienmörderin zu installieren. Klarer kann man als Serie nicht artikulieren, dass am Ende im Grunde nur die Konstellation aus Ryan und Joe wichtig ist und alles, was dies auch nur in Ansätzen ins Wanken bringen könnte, muss sofort eliminiert werden.
© 2013 Fox Broadcasting Co.; Michael Lavine/FOX
Dabei ist gerade die Entwicklung von Joe wirklich besorgniserregend. Während man bereits in Staffel 1 nicht wirklich nachvollziehen konnte, was ihn denn so charismatisch macht, dass er derart viele Follower hat, die bereit sind, für ihn zu morden und zu sterben, legt er in Staffel 2 jegliche Faszination, die er evtl. tatsächlich für kurze Momente ausstrahlte, ab. Die gestelzten Monologe häufen sich und klingen auch mit bemühtem Englisch nicht glaubwürdiger und kurzerhand hat man alles bzgl. Edgar Allan Poe, also das, worüber er sich immerhin eine Staffel lang definierte, direkt entfernt, weil man bis auf ein paar coole Zitate und dem Leuchtturm offensichtlich nichts mehr präsentieren konnte. Wozu nochmal benötigt man eine religiöse Sekte, wenn die Serie kein Problem damit hat, mit Joe einen klar religionsfeindlichen Anführer zu haben, der von der philosophischen Tiefe in etwa ein 12-jähriger Atheist ist, der das Thema gerade für sich entdeckt hat? Da war selbst "Dexter" in der sechsten Staffel anspruchsvoller, was die Religionsthematik angeht - und das soll was heißen. Warum nicht einfach mal die Parallelen zwischen Religion und dem Verehren einzelner Personen (wie eben Joe) elaborieren? Stattdessen nimmt man ein paar rot angezogene Psychopathen, die auch klar als solche charakterisiert werden, und lässt sie auf die Menschheit los – ohne Selbstreflexion, ohne auch nur eine halbwegs glaubwürdige Skepsis gegenüber der neuen Richtung. Das, was da an notwendigen Zweifeln gezeigt wurde, war viel zu wenig und viel zu schnell vorbei. Und so bleibt Joe dann am Ende die Karikatur eines jeden Sektenführers, den man jeweils in Film und Fernsehen zu Gesicht bekommen hatte. Das einzige, was er wirklich Gutes zur zweiten Staffel beigetragen hat, war der vorsichtige Versuch einer Buddy-Comedy (good cop vs. bad cop) mit Ryan im Staffelfinale.
Man könnte an dieser Stelle schon fast unendlich weitermachen mit Kritikpunkten an der Serie im Allgemeinen und der vorliegenden Staffel im Einzelnen, aber am Ende wird es immer noch Leute geben, die die seelenlose Effekthascherei mit Mut, die unzähligen Morde als notwendiges Übel, die auffällig schlechte Charakterzeichnung der Frauen in der Serie mit reinem Zufall oder einer erzählerischen Notwendigkeit, die Kritik an klaffenden Logiklöchern mit Erbsenzählerei, orientierungsloses Storytelling mit wendungsreichen Twists und Episoden, in denen der Plot rein gar nicht voran kommt und nur unbedeutende Charaktere unbedeutende Dinge machen (wovon es im Universum von "The Following" bisher wahrlich genug gab), mit schnellem Erzähltempo verwechseln. Glücklicherweise sind die Zuschauerzahlen stark rückläufig, aber leider reicht allein der Name Kevin Bacon, um eine dritte Staffel rechtfertigen zu können.
Eine Hoffnung ist, dass "The Following" nun komplett over-the-top-wahnsinnig wird und sich diesbezüglich wieder stärker an Staffel orientiert. Sollte sie weiterhin sich selbst derart ernst nehmen wollen, muss sie die bisher in eklatantem Maße fehlende Qualität auch mal tatsächlich zeigen.
Andreas K. - myFanbase
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