Review: #2.04 Ganz unten
Nachdem #2.03 Gedächtnisschwund wohl die erste Episode in der Historie von "Breaking Bad" war, bei der man zumindest teilweise von Enttäuschung reden kann, kommt also nun #2.04 Ganz unten die undankbare Aufgabe zu, zwar jetzt nicht unbedingt die Kohlen aus dem Feuer zu holen (denn so schlecht steht es längst nicht um die Serie), aber zumindest das immense Potential, das jede einzelne Storyline bietet, aufzuzeigen. Um dies zu erreichen, wartet die Episode mit einer ungewöhnlichen Wucht an Drama auf, die sich sowohl aufgrund der völligen Abwesenheit von Hank und Co. ergibt, als auch vor allem durch die emotionalen Tiefen, durch die der Zuschauer gezogen wird. Denn der Episodentitel ist durchaus Programm. Jesse ist ganz unten angekommen und Walter ist auf demselben Weg, auch wenn letzterer händeringend versucht, die Nachbeben seiner tollkühnen Tat aus der vorangegangenen Episode zu besänftigen.
Für die erste Szene hat man sich wieder mit dem Motiv des im Wasser schwimmenden, pinken Plüschbären beholfen. Zum ersten Mal scheint es diesmal eine direkte Verbindung zwischen der Eröffnungsszene mit dem pinken Plüschbären und Walter zu geben. Denn nicht nur der Bär wurde aus dem Swimming Pool gefischt, sondern auch diverse andere Gegenstände, darunter allem Anschein nach auch die Brille Walters. Man darf gespannt sein, für welche vielversprechenden Momente diese Anfangsmontage der Vorbote sein wird.
"Our son doesn't know who Boz Scaggs is. We have failed as parents."
Nach obiger Szene sowie einem kurzen Intermezzo mit Jesse und Walter und deren heimlichem Treffen in einem Tankstellenshop, startet die Episode mit einem Tagesereignis, das in dieser Form in der folgenden Stunde mehrmals zu sehen sein wird – das Frühstück. Walter bereitet eben jenes für seine Familie zu und versucht, eine schon fast unheimliche Idylle zu schaffen, um von den Geschehnissen der vergangenen Tage abzulenken. Walter, Jr. scheint anfangs zwar auch durchaus misstrauisch, genießt aber schnell die traute Dreisamkeit. Skyler jedoch lässt sich bei weitem nicht so schnell um den Finger wickeln. Als Walter dann auch noch beginnt, sein zweites Handy vor ihr mit einer hanebüchenen Lüge zu verleugnen, hat sie genug und verlässt das Haus. Der Tag beginnt also trotz der sorgsamen Vorbereitung Walters alles andere als vielversprechend für ihn.
"There's the easy way and there's the right way."
In der Folge ist Skyler immer öfter tagsüber fort und kommt nach Hause, ohne ein Sterbenswörtchen darüber zu verlieren, wo sie war oder was sie tat. Geradezu provokativ stoisch und desinteressiert geht sie mit Walter um, der zwar ganz genau merkt, dass seine Ehefrau sich zunehmend von ihm entfernt, bisher aber keinen Weg gefunden hat, ihr Verhalten zu ändern. Als er dann auch noch mit einem ihm bisher völlig unbekannten Spitznamen für Walter, Jr. konfrontiert wird, merkt er endgültig, dass auch sein Sohn ihm zu entgleiten droht. Also nimmt er ihn mit zum Fahrtraining auf einem leeren Parkplatz. Doch auch dieser anfangs durchaus vielversprechende Annäherungsversuch scheitert, nachdem Walter seinem Sohn untersagt, die Pedale mit beiden Beinen zu bedienen und dieser daraufhin die Kontrolle über das Auto verliert.
"Okay, so talk, Walter! Shut up and say something that isn't complete bullshit!"
Walter unternimmt daraufhin wieder den verzweifelten Versuch, sich mit Skyler auszusprechen. Er entschuldigt sich für seine Distanziertheit, allgemein dafür, in der letzten Zeit ein schlechter Ehemann gewesen zu sein und versichert, keine Affäre zu haben. Doch Skyler ist nicht bereit, sich auf Walter und dessen Entschuldigung einzulassen. Sie weiß, dass Walter ihr etwas verheimlicht, nur nicht was genau. Als Walter ihr also eine Erklärung dafür vorenthält und nur meint, dass er nicht wisse, wovon sie spricht, verlässt sie wieder das Haus. Später sieht man sie im Auto, wo sie eine Zigarette in der Hand hält und kurz davor ist, sich diese anzustecken, als sie im Auto nebenan eine Frau entdeckt, die ihr ob der Verbindung 'hochschwangere Frau + Zigarette' einen abschätzigen Blick zuwirft. Doch Skyler ist dies egal. Sie hat sich durch ihre täglichen Ausflüge aus dem Haus oder auch einer Zigarette hier und da eine persönliche Nische aufgebaut, in der sie sich wohlzufühlen scheint.
"Son, we can't stop you from ruining your life. But you will not drag us down with you."
Jesse scheint unterdessen mindestens genauso wenig ein glückliches Händchen zu haben, wenn es um sein Familienleben geht. Seine Eltern, die das Haus, in dem Jesse wohnt, besitzen, schmeißen ihn nämlich raus und drohen bei Nichtbefolgung damit, den Landesbehörden von dessen schickem Drogenlabor im Keller zu berichten. Natürlich ist es nur verständlich, dass die Eltern als rechtmäßige Besitzer des Hauses kein Interesse daran haben, dass im Keller Drogen hergestellt werden. Dennoch kommt man nicht umhin, Mitleid für Jesse zu empfinden. Nicht nur, dass er im Tankstellenshop lediglich 600 $ von Walter erhält und nicht die Hälfte des gesagten Drogengeldes, jetzt wird er auch noch von seiner eigenen Familie erpresst in 72 Stunden aus dem Zuhause auszuziehen. Als Jesse in seinem Schlafzimmer von seiner Mutter überrascht wird, versucht er vergeblich, sie umzustimmen. Nur bedingt hilfreich waren dabei die Beweise einer mit Drogen angereicherten Nacht zuvor, die sich in Jesses Zimmer verteilt finden. Nach einem Streit darüber, dass er sich aufgrund der Pflege seiner kranken Tante das Recht erwirkt habe, dort nach ihrem Tod wohnen zu bleiben, räumen die Möbelpacker das Haus leer und lassen Jesse so keine andere Möglichkeit, als das Haus mit dem wenigen Hab und Gut, das ihm geblieben ist, zu verlassen.
Der Versuch, bei einem ehemaligen Bandkollegen für ein paar Tage unterzukommen, scheitert am Veto von dessen Ehefrau, und auch per Telefon ist Jesse alles andere als erfolgreich, eine Bleibe zu finden. Zu allem Überfluss wird auch noch währenddessen sein Motorrad geklaut. Ausgehend von einer ungewöhnlichen Mischung aus Verzweiflung und Trotz bricht Jesse schließlich in den Hof der Werkstatt von Clovis ein, um sein Wohnmobil zurückzuholen. Es folgt die wohl einzige Szene in der gesamten Episode – das Einbrechen Jesses in das Dixi-Klo und die anschließende stinkend-blaue Sauerei -, die man als witzig bezeichnen könnte. Und selbst da fühlt man sich kurz danach schlecht, dass man darüber lachen konnte, als Jesse sich kurze Zeit später mit einer Gasmaske auf den Boden des Wohnmobils legt und in den Schlaf weint. Jesse ist am Boden, und zwar buchstäblich. Dass man hierbei als Zuschauer derart mitfühlt, ist Aaron Pauls großartigem Schauspiel in dieser Episode und insbesondere dieser Szene geschuldet, welche dazu beiträgt, dass die ganze Verzweiflung und Aussichtslosigkeit sich praktisch nahtlos auf den Zuschauer überträgt.
Während seinen teils halsbrecherischen Taten versucht Jesse immer wieder, mehr Geld von Walter zu bekommen, da ihm die 600 $ nicht ausreichen – vor allem da, wie von Walter kurze Zeit später richtig angemerkt, er ohnehin bereits wieder alles für Drogen ausgegeben hat. Eben jenes Geld fehlt ihm, als er von einem sichtlich wütenden Clovis mit einer Waffe in der Hand geweckt und aufgefordert wird, für das Abschleppen des RVs und den angerichteten Schaden zu bezahlen. Jesse wird zunehmend bewusst, dass die Utensilien im Wohnmobil für ihn das einzige sind, was er noch besitzt, was ihn dazu veranlasst, es aus dem Hof zu stehlen.
"You are a pathetic junkie, too stupid to understand and follow simple rudimentary instructions. Too stupid to..."
Damit taucht er just in dem Moment vor Walters Haus auf, als dieser nach dem Streit mit Skyler versucht, sie davon abzubringen, mit dem Auto fortzufahren. Ungünstiger kann Jesses Timing also gar nicht sein. Walter stürmt in das Wohnmobil und beginnt mit einer Schimpftirade gegenüber Jesse, die sich gewaschen hat. Jesse versucht noch, sich zu erklären und fordert weiterhin seinen Anteil, aber Walter ist nicht dazu bereit, ihn zu bezahlen. Im Gegenteil, er wirft ihm sogar an den Kopf, dass einzig und allein er Anspruch auf das Geld habe. Doch nicht nur Walter muss seine zahlreichen Frustrationen loswerden, auch Jesse hat wahrlich genug durchgemacht in den Stunden zuvor. Und so stürzt er sich auf Walter und beginnt, ihn zu würgen. Zwar besinnt er sich schließlich eines Besseren und lässt ihn los, aber es ist offensichtlich, dass diese Zuspitzung der Ereignisse viel mehr ist, als nur der Ausraster von zwei Personen, die einfach nur genug haben ob all der Knüppel, die ihnen das Leben zwischen die Beine wirft. Der Konflikt zwischen beiden scheint deutlich tiefgreifender zu sein, auch wenn Walter Jesse danach sogar anbietet, ihm Frühstück zuzubereiten, womit wir wieder das altbekannte Motiv dieser Episode hätten.
Fazit
#2.04 Ganz unten stellt die Nachwirkungen der Geschehnisse der vergangenen Tage dar und adressiert dabei vor allem das Familienleben der zwei Hauptcharaktere. In beiden Fällen scheint das Tischtuch hoffnungslos zerschnitten. Als sie dann auch noch beginnen, aufeinander loszugehen, ist der Höhepunkt einer Episode erreicht, die ungewöhnlich viel hoffnungsloses Drama zu bieten hat, in der sich in der letzten Szene aber dennoch ein Lichtstreifen am Horizont auftut. Wenn Jesse und Walter sich zusammenraufen können, ist der Weg geebnet für mehr Drogengeschäfte. Denn wofür sollen sich beide momentan sonst stark machen, wenn ihr Familienleben in Trümmern liegt? Am Ende bleibt eine Episode, die vormacht, was es bedeutet, erst etwas einreißen zu müssen um etwas zu erschaffen. Das ist nicht nur dazu gut, zwei der besten Darsteller im TV dabei zuzusehen, wie sie Charaktere spielen, die im wahrsten Sinne des Wortes am Boden liegen (oder ihr Telefon in einem Wutanfall zerstören), sondern birgt auch viel Potential für den weiteren Verlauf der Geschichte. Damit hat man also genau das erreicht, was man erreichen wollte und darüber hinaus auch gleichzeitig die Ängste der Zuschauer, dass es nun bergab gehen könnte, begraben.
Andreas K. - myFanbase
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Diskussion zu dieser Episode
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: DownErstausstrahlung (US): 29.03.2009
Erstausstrahlung (DE): 13.11.2010
Regie: John Dahl
Drehbuch: Sam Catlin
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