Bewertung

Review: #2.12 Phönix

Foto: Bryan Cranston, Breaking Bad - Copyright: 2009 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Bryan Cranston, Breaking Bad
© 2009 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Immer dann, wenn man glaubt, man hätte eine leise Ahnung, wo "Breaking Bad" als nächstes hinsteuert, wird man umso mehr überrascht. Die Serie ist in ihrer Erzählführung so unberechenbar wie ein kleines Kind, das uns die Zunge rausstreckt und dann einen komplett anderen Weg als den erwarteten einschlägt. Genau diese Unberechenbarkeit, gepaart mit der Stringenz des Storyaufbaus, macht die Serie aber zu solch einem Juwel, zu solch einem unterhaltsamen, überraschenden und hochgradig komplexen Stück Fernsehen. #2.12 Phönix überrascht mit der Unvermitteltheit seiner Anfangssequenz, geht dann den scheinbar konventionellen Weg, nur um das Publikum am Ende mit einem großen Schocker zurückzulassen.

Dabei scheint Walter zu Beginn eigentlich am Ziel angekommen zu sein: Der Deal mit Gus – den "Breaking Bad" großartigerweise der Fantasie des Zuschauers überlässt – hat funktioniert und Walter ist nun in Besitz von 1,2 Millionen Dollar. Gleichzeitig ist er Vater eines gesundes Mädchens geworden. Skyler ist wohlauf, Walt Jr. kümmert sich rührend um sein Schwesterchen und die Krebsoperation verspricht Genesung. Doch Walter ist alles andere als zufrieden. Er kann sein hart verdientes Geld weder ausgeben noch als sein eigenes deklarieren, er hat die Geburt seiner Tochter verpasst und Walt Jr. will übers Internet Spenden für seine Krebsoperation sammeln. Immer dann, wenn Walter glaubt, er hat ein Problem gelöst, tun sich scheinbar wieder zwei neue auf – und das frustriert ihn, das nagt an ihm. Zu viele Hürden und Rückschläge hat Walter hinnehmen müssen, als dass er nun zufrieden sein könnte. Zu viele Lügenkonstrukte hat er aufgebaut, um sich nun in seiner Haut wohlfühlen zu können. Zu groß ist sein Stolz, sein Wille, selbst für seine Familie zu sorgen und dafür Anerkennung zu bekommen: "I earned that money, ME!", verdeutlicht Walter voller Frust und Rage.

Interessant ist dabei, dass Walter ausgerechnet in Saul Goodman jemanden gefunden hat, bei dem er diesen Frust ablassen kann. Jesse ist durch Jane und durch seine Drogeneskapaden keine Option mehr für Walter, gleichzeitig liefert Saul mit seiner Expertise und seiner Erfahrung potentielle (und teilweise sehr witzige) Ideen für Walter, um das Problem mit der unverwendbaren halben Million zu lösen. Es wird sich zeigen, ob Walter Sauls Vorschlag folgen wird und tatsächlich sein Geld über einen russischen Hacker stückchenweise in Walt Jr.s PayPal-Spendenkonto einfüttert. Saul etabliert sich jedenfalls mehr und mehr als dritter Partner in dem ganzen Drogengeschäft, während es zwischen Walter und Jesse zur Eskalation kommt.

Seinen bösen Anfang nimmt alles durch die explosive Unterhaltung zwischen Walter und Jesse im Chemiesaal. Mag man zuerst noch vermuten, dass Walter Jesse womöglich aus Gier seinen Anteil verweigert, so wird klar, dass Walter dies vielmehr aus Sorge, ja aus geradezu väterlicher Fürsorge für Jesse tut – gemischt natürlich mit viel Wut darüber, dass er sich auf Jesse im entscheidenden Moment nicht verlassen konnte. Man merkt, dass Jesse seinen Fehler einsieht und er auch weiß, dass Walter eigentlich recht hat, doch der schlechte Einfluss durch die rückfällig gewordene Jane hindert ihn daran, das Richtige zu tun. Auch wenn Jane als Charakter bislang gut funktioniert hat und vor allem die komplizierte Beziehung zu ihrem Vater interessant gestaltet wird, so ist sie letztlich der einzige Schwachpunkt der Storyline. Die Konkurrenz zwischen Jane und Walter in Bezug auf Jesse auszuspielen ("I'm your partner", macht Jane Jesse unmissverständlich klar), wirkt ein bisschen wie eine abgegriffene TV-Trope, vor allem als Jane Walter per Telefon erpresst. Umso besser gestaltet sich die direkte Gegenüberstellung von Walter und Janes Vater Donald, die in der gelungenen Barszene über die Schwierigkeiten des Vaterseins philosophieren. Mehr denn je wird hier deutlich, dass Walter sich aufrichtige Sorgen um Jesse macht und er nicht weiß, was er tun kann: "You can't infantilize them, you can't live their life for them. But still, I mean, there is that frustration. God, that frustration that goes along with, 'Yes, as a matter of fact, I do know what is best for you, so listen.' But of course, they don't. What do you do with someone like that?" Donalds Antwort ist einfach: "Family. You can't give up on them. Never."

So entscheidet sich Walter, Jesse nicht aufzugeben. Und was daraufhin passiert, markiert einen völlig neuen Punkt in Walters Entwicklung, einen moralischen Wendepunkt. In dem Versuch, Jesse aus seinem Drogenkoma aufzuwecken, verursacht er, dass die ebenfalls zugedröhnte Jane sich auf den Rücken legt – und schließlich an ihrem Erbrochenen erstickt. Der Moment, in dem Walter seinen ersten Instinkt, Jane zu helfen, unterdrückt, markiert eben jenen Wendepunkt – vom Beobachter zum Täter, vom Unschuldigen zum Schuldigen. In seinem hehren wie egoistischen Ziel, Jesse zu retten, lässt er eine junge Frau sterben und doch hat man paradoxerweise sogar irgendwie Mitleid mit Walter, als dieser zu weinen beginnt, während Jane zuckt, sich seiner eigenen Abscheulichkeit bewusst und doch unfähig, besser zu handeln.

Mit absoluter Konsequenz und absoluter Unberechenbarkeit treibt #2.12 Phönix die Storylines weiter und scheut dabei vor keinem Risiko. Die Episode ist bewegend wie schockierend und lässt den Zuschauer am Ende absolut planlos darüber zurück, was nun als nächstes passieren könnte. Das Finale ist völlig offen – nur irgendwo im Hinterkopf schwirren einem die Bilder eines rosa Teddybärs und zweier Leichensäcke im Garten der Whites durch den Kopf. Sicher ist: Nach dieser Episode und mit dieser dunklen Vorahnung ist die Vorfreude aufs Staffelfinale ungehalten.

Maria Gruber - myFanbase

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