Bewertung

Review: #4.09 Verwanzt

Foto: Bryan Cranston & Aaron Paul, Breaking Bad - Copyright: 2011 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.
Bryan Cranston & Aaron Paul, Breaking Bad
© 2011 Sony Pictures Television Inc. All Rights Reserved.

Irgendwann musste es ja so weit kommen. Irgendwann mussten die andauernden Zankereien unseres geliebten Methkoch-Gespanns einfach im totalen Zerwürfnis enden. Dass es jedoch schon so früh dazu kommen würde, hätten wohl die wenigsten erwartet. Und trotzdem fühlt man sich innerlich gewappnet als es schließlich so weit ist, denn #4.09 Bug streut nicht nur im Teaser bereits deutliche Hinweise darauf, dass Blut zwischen Walt und Jesse fließen wird, sondern nimmt sich – wie so oft – auch noch aufreibend viel Zeit, den großen Showdown der Folge langsam und bedächtig vorzubereiten.

"A guy this clean's gotta be dirty."

Die Folge beginnt mit einer Szene, die auf den ersten Blick womöglich etwas unnötig erscheint, denn für den Zuschauer ist klar, dass Hank mit seinem GPS-Tracker an Gus' Auto in seinen Ermittlungen keinen Schritt weiterkommen wird. So ist es auch weniger Hanks Erkenntnis, dass Gus die ganze Woche über offenbar lediglich zur Arbeit und wieder zurück nach Hause gefahren ist, die hier wirklich interessant ist, als vielmehr die Tatsache, dass Hank mittlerweile so verbissen an einen Zusammenhang zwischen Gus und Heisenberg glaubt, dass er sich – zum offensichtlichen Leidwesen von Walt – von nichts und niemandem, weder von seinem gesundheitlichen Zustand noch von seinen bisherigen Misserfolgen, davon abhalten lassen wird, so lange weitere Nachforschungen anzustellen, bis er Beweise findet, die seinen Verdacht bestätigen. Und es scheint, als könnte das gar nicht mehr so lange dauern, insbesondere wenn sein Neffe Walter Jr. zum Geburtstag tatsächlich ein Auto geschenkt bekommen sollte und fortan Walts Job als Chauffeur übernehmen könnte. Walt merkt natürlich, wie besessen Hank von dem Fall ist, was ihn – wie sich später angesichts Hanks erfolgreicher Lagerhaus-Aufspürung herausstellt nicht ohne Grund – zunehmend paranoider werden lässt. So lässt er seinen Frust an Tyrus aus, indem er ihm die Polizei auf den Hals hetzt, womit er indirekt natürlich auch Gus ans Bein pinkelt. Wenn er schon nicht an Gus selbst herankommt, um ihn aus dem Weg zu räumen, so will er ihm offenbar wenigstens auf diese so typisch trotzige Art eine Message schicken.

"Tell them... the answer is 'yes'."

Gus' Konflikt mit dem Kartell spiegelt in gewisser Weise seine Beziehung zu Walt wider. Denn so wie Walt seinem Boss das Leben schwer macht, so ist auch der zunächst so unerbittliche Gus dem Kartell ein Dorn im Auge. Und so wie Gus den aufbegehrenden Walt wohl liebend gerne loswerden würde, ihn aber schlicht und ergreifend braucht, um sein Drogengeschäft am Laufen zu halten, so wird auch in der "Terminator"-Szene mehr als deutlich, dass das Kartell kein wirtschaftliches Interesse daran hat, Gus zu töten, weil es auf sein weitreichendes Vertriebsnetz angewiesen ist. Nachdem zuletzt jedoch nie so ganz klar war, welche Forderungen das Kartell eigentlich genau stellte, wird diese Frage nun überraschenderweise während einem gemeinsamen Abendessen von Gus und Jesse geklärt. Das Kartell verlangt das Rezept für Walts blaues Crystal Meth und offenbar gibt sich Gus nach allem, was seine Organisation einstecken musste, tatsächlich geschlagen und will Jesse als Chefkoch nach Mexiko schicken, um die Kartell-Chemiker in die Geheimnisse der Heisenberg'schen Cuisine einzuweihen. Wobei man mittlerweile eigentlich ganz genau weiß, dass Gustavo Fring niemals unterschätzt werden sollte. So kann man sich genauso gut vorstellen, dass Gus seine mexikanischen Kontrahenten bloß an der Nase herumführt. Dass er womöglich ein Ass im Ärmel hat, das er in dieser Staffel noch ausspielen wird. Dass Jesses Versetzung nach Mexiko – Gott bewahre – womöglich Teil eines ausgeklügelten Masterplans ist, der ihn lediglich als Köder vorsieht und vielleicht sogar das Leben kosten könnte. Man kann schon nachvollziehen, dass Jesse nach dieser fragwürdigen Beförderung regelrecht in Panik verfällt.

"If you don't pay them, they will reopen the investigation. And that little fiction I just spun up there is gonna completely unravel."

Ein klein wenig panisch wird auch Skyler, als urplötzlich ihr ehemaliger Chef Ted auf der Matte steht und sie bei der Vertuschung seiner Steuerhinterziehungssünden um Hilfe bittet. Denn ihr ist bewusst, dass auch ihr Schiff zu sinken droht, wenn Ted in der Wirtschaftsprüfung untergeht, da sie in seinen Unterlagen überall als seine Buchhalterin gelistet wird. So tut sie das, was sie am besten kann, und tischt Teds Prüfer in einer absolut herrlichen Szene eine derart hanebüchene Lügengeschichte auf, dass dieser sie prompt glauben muss, weil Skyler das blonde, unschuldige Dummchen einfach so überaus überzeugend spielt. Doch auch wenn schon wieder jemand auf ihre bewährte, manipulative Tour hereinfällt, ist das Problem damit nicht völlig aus der Welt geschafft. Denn auch wenn sie weitere Ermittlungen der Behörden vorerst erfolgreich unterbunden hat, ist die Gefahr erst dann wirklich gebannt wenn Ted seine Steuerschulden beglichen und alle Bußgelder bezahlt hat. Angesichts der Tatsache, dass Ted jedoch völlig bankrott ist und sogar einen klapprigen alten Kleinwagen fährt, realisiert Skyler, dass es wohl bloß eine Lösung für ihr Problem gibt. Und die liegt sorgfältig verpackt in ihrem Kriechkeller. Die potentiellen Folgen, die Skylers offensichtliche Absicht, Ted das nötige Geld auszulegen, nach sich ziehen könnte, sind unermesslich. Sowohl Teds als auch Walts Reaktion darauf versprechen mitsamt der unzähligen denkbaren Nachwehen höchst brisante Entwicklungen für die nächsten Episoden. So staunt man angesichts diesem so unerwarteten Handlungsstrang wieder einmal aufs Neue, wie viel immenses Potential die Macher von "Breaking Bad" aus der Weiterführung von längst verworfen geglaubten Storylines zu schöpfen vermögen. Daran könnte sich so manch eine Serie (*hust* "Dexter" *hust*) ruhig mal ein Beispiel nehmen.

"Can you walk? Then get the fuck out of here and never come back."

Walt hingegen könnte sich mal ein Beispiel an Mike nehmen, der Jesse mit weitaus mehr Respekt behandelt als es Walt in all den Monaten ihrer Zusammenarbeit je getan hat. So wird Walts Befürchtung, dass Gus mit zunehmender Übertragung von Verantwortung auf Jesse lediglich einen Keil zwischen sie treiben wolle, letztlich zur selbsterfüllenden Prophezeiung, bloß weil Walt in seiner selbstgerechten Paranoia mal wieder überhaupt nicht auf Jesse eingeht. Dass Walt Jesse ausgerechnet in #4.09 Bug Vertrauensbruch vorwirft, zeugt von bitterer Ironie, wird doch gerade in dieser Folge in gleich mehreren Szenen deutlich, dass Jesse trotz allem immer noch auf Walts Seite steht: Er macht Mike wie beiläufig auf all die Probleme aufmerksam, die entstehen könnten, wenn Gus sich dazu entscheiden sollte, Hank umzubringen. Er lügt Gus zunächst mitten ins Gesicht, als dieser ihn fragt, ob er das blaue Meth auch alleine kochen könnte, um Walt zu schützen. Und er versucht sich immer wieder dazu durchzuringen, Gus zu vergiften. Dass er bei letzterem letztlich scheitert, liegt zum einen sicherlich daran, dass Jesse einen weiteren Mord nach allem, was er nach Gales Tod psychisch durchgemacht hat, einfach nicht übers Herz bringt. Zum anderen scheint Jesse – im Gegensatz zum verblendeten Walt, der mittlerweile als Möchtegern-"Klopfer" ("the man who knocks") in seiner ganz eigenen Welt lebt – auch allmählich, wenngleich unbewusst einzusehen, dass Gus im Vergleich zum Kartell womöglich das weitaus geringere Übel darstellt.

Doch Walt kommt gar nicht erst auf diese Idee und hört in seiner völligen Egomanie auch gar nicht richtig zu, als Jesse ihm, so loyal wie er nun mal ist, sofort von Gus' Plänen erzählt und ihn um Hilfe bittet. Stattdessen filtert er aus Jesses langem, nahezu verzweifelt wirkenden Monolog lediglich die Informationen heraus, die seine Theorie bestätigen, dass Jesse ein mieser Verräter ist. Und auch wenn Jesse ihn tatsächlich (wie so oft eher schlecht als recht) anlügt, steht Walts Wut auf ihn – insbesondere in Anbetracht seines eigenen Vertrauensbruchs – in keinerlei Proportion zu Jesses Verhalten, das weniger auf mangelnder Loyalität als vielmehr auf schlichtweg völlig hilfloser Hin- und Hergerissenheit zu beruhen scheint. Als Jesse Walts Doppelmoral schließlich durchschaut, wird schnell klar, dass der Abend böse enden wird. Der schiere Grad roher Gewalt in der so unheimlich spannungsgeladenen Schlussszene, welche teilweise stark an Hanks Ausraster in #3.07 Eine Minute erinnert, verschlägt einem trotzdem den Atem, so dass man sich lieber nicht vorstellen möchte, was passiert wäre, wenn Walt im Streit auch noch herausgerutscht wäre, welche Rolle er bei Janes Tod gespielt hat. Ob dieser Moment überkochenden Zorns auf beiden Seiten (übrigens mal wieder sehr bezeichnend, wie Jesses "Rage"-Videospiel so wunderbar zufällig im Regal liegt, als die beiden Kampfhähne dagegen krachen) nun wirklich das endgültige Aus ihrer Beziehung bedeutet, bleibt abzuwarten. Dass die beiden sich jedoch jemals vollständig von diesem Vorfall erholen werden, ist kaum vorstellbar.

Fazit

Als wäre die aktuelle Staffel nicht schon spannend und komplex genug, führt #4.09 Bug einen neuen, vielversprechenden Handlungsstrang ein und wartet mit einer Wendung sowie einer Schlussszene auf, die das Potential haben, die Grundstruktur der Serie tiefgreifend zu verändern. Man darf sehr gespannt sein, ob der emotionalen Trennung von Walt und Jesse schon bald auch eine räumliche folgen wird.

Paulina Banaszek - myFanbase

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