Review: #4.10 Prost!
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Mittlerweile hat sich "Breaking Bad" durchaus einen Namen gemacht, behutsame Charakterzeichnung, langsames Erzähltempo und knallharte Action miteinander zu verbinden. #4.10 Salud ist der beste Beweis dafür, wie sehr dieser Spagat den Machern der Serie mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen ist. Zudem wartet die Episode ebenso wie bereits #4.04 Bullet Points mit einem waschechten Cliffhanger auf. Denn: Wissen wir tatsächlich, ob Mikes Schussverletzung ihm nicht doch deutlich mehr zu schaffen macht, als dieser preisgibt, und ob Gus noch wirklich den richtigen Zeitpunkt gefunden hat, um einen Großteil des Gifts aus seinem Körper zu bekommen?
"Fill your pockets and leave in peace. Or fight me and die."
Am Ende wird man sich natürlich vor allem daran erinnern, wie Gus mal so eben Don Eladio und das gesamte (?) Drogenkartell auslöscht und selbst dabei noch ausgesprochen emotionslos agiert. Äußert er seine Genugtuung nach allem, das ihm geschehen ist, einfach nur anders oder ahnt er ebenso wie der Zuschauer, dass mit der etwas anderen Poolparty noch längst nicht auch gleichzeitig der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen ihm und dem Kartell endet? Vielleicht löst Gus' Anschlag sogar eine viel größere Katastrophe aus, aus der weder er noch seine Gefolgschaft entkommen können. Es gibt unzählige Möglichkeiten, wozu die Vergiftung Don Eladios und Co. führen kann, und glücklicherweise ist "Breaking Bad" eine Serie, die eben jene auch genau auslotet, bis das Publikum sich sämtliche Fingernägel abgeknabbert hat.
Aber natürlich war die Szene am Pool nicht nur deshalb so unverschämt gut, weil sie eine Vielzahl möglicher Handlungsstränge andeutet, sondern auch, weil sie in jeglicher Hinsicht brillant umgesetzt wurde. Die gesamte Zeit über war die Brisanz des Treffens offensichtlich, denn jeder war sich bewusst, wie hier gute Miene zu bösem Spiel gemacht wird und man nur nach wirksamen Möglichkeiten sucht, den Gegenüber aufs Kreuz zu legen. Gus hat eine davon offensichtlich gefunden, aber auch sein Verhalten, als er ebenfalls vom vergifteten Schnaps trank, musste dafür riskant und damit undurchschaubar genug sein, um sein Vorhaben funktionieren zu lassen. Denn Don Eladio wusste natürlich ganz genau, wie sehr Gus nach seinem Leben trachtet, als er ihn zuerst trinken ließ. Aber dass dieser seinen eigenen Tod riskiert, indem er das vergiftete Gesöff selbst zu sich nimmt, um ihn später in die Toilette zu erbrechen? Was für ein toller Twist, insbesondere nachdem jeder auf die sich anbahnende Katastrophe wartete, diese Konstellation aber recht früh von seiner gedanklichen "was wäre, wenn"-Liste strich.
"Stop whining like a little bitch and do what I say."
Neben dem üblichen Badass-Moment für Mike (denn schließlich ist er genau dafür da) nimmt auch Jesse diesmal eine sehr aktive Rolle ein, um die Auswirkungen von Gus' Handeln unter Kontrolle zu bekommen. Wenn Videospiele jemals eine Daseinsberechtigung verdienten, dann in eben jenem Moment, in dem Jesse einen Angreifer niederschießt, der es auf ihn, Mike, Gus und das designierte Fluchtauto abgesehen hat. Denn hierbei macht er einen sicheren, durch "Rage" anscheinend ziemlich gut darauf konditionierten, Eindruck. An sich scheint sich Jesse mit der Rolle als vermeintliche Nummer 3 der Hierarchie nach Gus und dessen rechter Hand Mike mittlerweile sehr gut abgefunden zu haben und mitunter auch Gefallen daran gefunden haben, sein neu gefundenes Selbstbewusstsein auszuleben. Diese für ihn bittere Erfahrung musste der leitende Chemiker in dem Drogenlabor machen, wo Jesse seine Kochkünste vorführen soll. Der frühere Jesse hätte entweder weniger eindrucksvoll agiert und sich wahrscheinlich in der Opferrolle viel zu gut gefallen, als dass er seinem Gegenüber nach einigen Provokationen so dermaßen über den Mund gefahren wäre, wie es Jesse schließlich tat.
Aber klar, nicht nur brauchen sie Jesse händeringend (und er ist sich dessen natürlich vollauf bewusst), denn sonst hätten sie ihn niemals nach Mexiko einfliegen lassen, er muss sich darüber hinaus auch vor Gus beweisen und zeigen, dass er seine Interessen auch alleine durchdrücken kann. In diesen Momenten muss man Jesse, der in den vergangenen Episoden wahrlich genug durchmachen musste, einfach lieben, auch weil sie zeigen, wie er sich für etwas wieder regelrecht begeistern kann und nicht mehr nur apathisch rumsitzt. Wie sich anschließend zeigt, hat er sich seine große Klappe sogar verdient, denn das Meth, das er ganz ohne fremde Hilfe hergestellt hat, weist einen durchaus beachtlichen Reinheitsgrad von 96,2 % auf. Da hat man also einige Episoden lang um Walters Leben gefürchtet, weil er mit Gale jemanden im Hintergrund hatte, der ihn praktisch hätte ersetzen können, und nun hat Jesse, dem man nie so recht zugetraut hat, mehr als der Handlanger Walters zu sein, ein perfektes Produkt abgeliefert. Ist Walter damit wieder in Gefahr?
"Remembering you that way...wouldn't be so bad. The bad way to remember you would be the way...the way you've been this whole last year. At least last night you were...you were real, you know?"
Erst einmal muss sich Walter aber um sich selbst kümmern. Nach seiner gewaltsamen Konfrontation mit Jesse leckt Walter seine Wunden und lässt nichts und niemanden an sich heran. Erst seinem Sohn Walter, Jr. gewährt er mehr als unfreiwillig einen Blick in den Abgrund, der sich Walters Seele nennt. Augenscheinlich nicht ganz nüchtern erzählt er seinem Sprössling, wie er in die Spielsucht wieder abgedriftet sei und von seinem eigenen Vater, der viel zu früh verstarb und den er eigentlich nur noch schwer krank und ans Bett gefesselt in Erinnerung hatte. Interessant hierbei war vor allem Walters Aussage, dass "alles" (in dem Fall insbesondere die Schlägerei) seine Schuld sei. Egal, wie sehr er seinen Sohn anlog mit der ganzen Spielsuchtgeschichte, diese Äußerung Walters war höchst ehrlich. Aber was genau meint er damit? Hat er tatsächlich mittlerweile registriert, wie sehr er Jesse durch seine bevormundende, paranoide und gegen Ende schlichtweg unverschämte Art hin zu Gus getrieben hat? Als Walter seinen Sohn im Halbschlaf "Jesse" nennt, macht er zumindest deutlich, wie sehr er Jesse mittlerweile für seinen Ziehsohn hält, für den er eigentlich doch nur das Beste möchte. Vielleicht ist der Zusammenbruch Walters also doch zu etwas gut, nämlich für die Versöhnung mit Jesse. Dazu gehören jedoch bekanntlich zwei. Zudem kann man an dieser Szene einen weiteren Pluspunkt festmachen: Walter, Jr. wird erwachsen.
Jetzt, nachdem man versucht hat, ihn mit der Storyline um sein Auto wieder etwas mehr in die Handlung miteinzubeziehen, wird deutlich, welch eine Wandlung er in den vergangenen Monaten durchgemacht hat. Seine Äußerung, dass er den langweiligen Walter jederzeit dem vorzöge, zu dem Walter geworden ist (sprich: "Heisenberg") zeugt von einer Umsichtigkeit, die man ihm vielleicht gar nicht zugetraut hätte. Er reagiert eben doch sehr viel sensibler auf seine Umwelt, als einfach seine Mutter als Wurzel allen Übels auszumachen, die seinem Vater böse mitspielt. Zudem konnte RJ Mitte in dieser Szene eindrucksvoll beweisen, das auch in ihm ein nicht zu verachtendes Schauspieltalent schlummert. Man müsste es nur öfter fordern. Bis heute ist Walter, Jr. als Charakter eher eine Randnotiz und dafür da, dass die anderen Figuren in Interaktion mit ihm glänzen können. Die Hoffnung, dass durch den eindrucksvollen Moment mit seinem Vater die weitere Charakterzeichnung vorangetrieben wird und er noch eine wichtige Rolle für die Serie in ihren verbleibenden Episoden spielen wird, hält sich daher auch eher in Grenzen. Aber wenn man einer Serie zutrauen würde, eine Randfigur noch in den Mittelpunkt zu drängen und dies auch noch glaubwürdig zu präsentieren, dann wäre es sicherlich "Breaking Bad".
Denn wer hätte allen Ernstes gedacht, Ted Beneke noch einmal zu Gesicht zu bekommen? Nachdem er bereits in der vergangenen Episode sensationell gut in das Geschehen wieder integriert wurde, hat eine Äußerung Skylers dazu geführt, dass er unter Umständen sogar noch stärker in die Mitte rückt. Klar, ihr Unterfangen, ihm durch Saul und einen wahnwitzigen Erbfall ("Great Aunt Birgit", seriously?) ziemlich genau eben jenen Geldbetrag zukommen zu lassen, war auch nur bis zu einem gewissen Punkt gut durchdacht – und sicherlich auch nicht mit Walter besprochen. Aber am Ende in aller Deutlichkeit Ted zu verstehen geben, dass das Geld, das er gerade imstande ist, mit beiden Händen auszugeben anstatt es für die Begleichung seiner Steuerschuld zu benutzen, eigentlich ihr gehört? Keine gute Idee. Selbst wenn sie dadurch sich und letzten Endes insbesondere Walter schützen wollte, war ihr Vorgehen nicht gerade geschickt. In dem Moment, in dem sogar Saul der Meinung ist, dass etwas zu riskant sei, sollte man dann doch lieber einen Rückzieher machen und seine Optionen wohlüberlegt abwägen. Es wäre ja schon fast überraschend, wenn Skylers Geständnis nicht innerhalb kürzester Zeit zurückkäme, um ihr in ihren Allerwertesten zu beißen.
Fazit
Sind Gus und Mike tatsächlich in Sicherheit und überleben ihr Intermezzo mit dem Drogenkartell? Ist eben jenes wirklich gänzlich ausgelöscht oder wird deren Rache nicht vielleicht doch umso grausamer sein? Wie wird Ted Skylers Bekenntnis aufnehmen und vor allem: wie wird er darauf reagieren? Welche Auswirkungen hat das auf Walter? Ist Walter wieder bei Sinnen? Wird er sich mit Jesse versöhnen? Ist Jesses Aufstieg mit Walters Niedergang verbunden? Spielt Walter, Jr. in den verbleibenden Episoden doch noch eine entscheidende Rolle? Wie weit ist eigentlich Hank mit seinen Ermittlungen? Fragen über Fragen, für "Breaking Bad" ungewöhnlich viele, die unbeantwortet bleiben. Entweder ist damit die Manege frei für einen absolut spektakulären Staffelabschluss in den kommenden Episoden oder Gilligan und Co. quälen den Zuschauer einfach gern mit Ungewissheit. In Anbetracht dessen, was die Serie jede Woche zu leisten imstande ist, wird die erste Option die deutlich wahrscheinlichere sein.
Andreas K. - myFanbase
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Informationen zur Episode
Englischer Titel: SaludErstausstrahlung (US): 18.09.2011
Erstausstrahlung (DE): 23.11.2012
Regie: Michelle MacLaren
Drehbuch: Gennifer Hutchison & Peter Gould
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