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Review: #8.23 Das letzte Pokerspiel

Foto: Desperate Housewives - Copyright: 2012 ABC Studios
Desperate Housewives
© 2012 ABC Studios

Die liebende Ehefrau, Mutter und Hausfrau Mary Alice Young erzählte uns von ihrem ungewöhnlichen Donnerstag, den sie einst erlebt hatte. Zunächst einmal ging ihr Tag wie jeder andere ihrer Tage in der Wisteria Lane vonstatten. Sie machte ihrer Familie Waffeln, sie holte ihre Wäsche aus der Reinigung und sie vollendete ihre kleinen Projekte, bis ihr Haus und ihr Leben erneut in scheinbarem Perfektionismus erstrahlten. Und dann holte sie plötzlich einen noch nie zuvor benutzten Revolver hervor und setzte ihrem Leben mit einem Schuss in den Kopf ein Ende. Die Leiche wurde dann von ihrer Nachbarin Martha Huber entdeckt, die sofort den Krankenwagen alarmierte und entsetzt von dieser schrecklichen Tat war. Wenige Sekunden später entschloss sie aber, mal wieder das Beste aus einer Situation zu machen und den von Mary Alice geborgten Mixer von nun an ihr Eigen zu nennen.

Ja, mit dieser populär gewordenen und herrlichen Szene fiel im wahrsten Sinn des Wortes der Startschuss für "Desperate Housewives", das sich zu einem unerwartet großen Phänomen entwickelte und nicht nur in Amerika, sondern weltweit ein riesiger Erfolg wurde. Nun, siebeneinhalb Jahre und acht Staffeln später, ist diese Serie Geschichte und mit #8.23 Finishing the Hat flimmerte das große Finale über die Bildschirme. Und der Anfang dieses Finales, so viel gleich zu Beginn, hätte man besser gar nicht wählen können. Zu sehen, wie Mary Alice in die Wisteria Lane zog und dort ihre erste, schicksalhafte Begegnung mit Martha Huber machte, wobei ihr klar wurde, dass ihr großes Geheimnis bald kein Geheimnis mehr sein wird und diesen Moment Passenderweise als Anfang vom Ende titulierte, war bereits eine grandiose Angelegenheit. Aber das dann abwechselnde Spiel zwischen Szenen aus der Wisteria Lane und Mary Alice, wie sie langsam ihre Waffe gegen sich selbst richtet bis sie letztlich abdrückt, löste bei mir eine ungeheure Gänsehaut aus und war der perfekteste Einstieg in dieses Finale, den man sich hätte wünschen können.

"And this was the beginning of the end."

Bevor man das Finale dieser Serie beurteilen kann, muss man natürlich auch überlegen, was man zuvor erwartet hat. Manche werden sicherlich schon einige Male, auch lange bevor das Ende der Serie bekannt gegeben wurde, sich überlegt haben, wie "Desperate Housewives" wohl zu Ende gebracht wird. Wie wird wohl das Ende einer Serie ablaufen, deren Summe an verstorbener Charaktere sich mittlerweile auf über fünfzig beläuft? Wie wird das Finale einer Serie inszeniert werden, in der es bereits einen Amoklauf samt Geiselnahme gab, einen Tornado, einen größeren Brand, einen kleineren Flugzeugabsturz und eine riesige Eskalation einer Massendemonstration? Ganz klar: Von dem Serienfinale von "Desperate Housewives" erwartete man Spektakuläres.

Doch wie schrieb Wilhelm Busch schon: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Denn das Serienfinale fällt alles andere als spektakulär aus, ja noch nicht mal als spannend könnte man es bezeichnen, da alle größeren Fragen bzw. Handlungsstränge bereits in der letzten Folge #8.22 Give Me the Blame aufgelöst wurden und es eigentlich keinerlei Anhaltspunkte gab, um was es sich im Finale grob drehen würde.

Nach der fantastischen Einstiegsszene dieses Serienfinales, stand ich den folgenden Minuten zunächst sehr kritisch gegenüber und war überrascht, ja gar entsetzt, mit welch scheinbar belanglosen Handlungen man die Serie zu beenden beabsichtigte: Lynette bekommt ein sehr lukratives Stellenangebot, Gaby wird zur Filialleiterin einer Boutique ernannt, Bree muss sich ihren Gefühlen zu einem Mann bewusst werden und Susan versucht, ihre Tochter Julie so kurz vor der Geburt ihres Babys noch mit einem Entbindungshelfer zu verkuppeln. Ganz klar: So auf den ersten Blick machte diese Folge zunächst eigentlich mehr den Eindruck einer noch nicht einmal interessanten regulären Episode der Serie, statt eines Serienfinales. Es dauerte ein wenig, bis mir dann letztlich klar wurde, was Marc Cherrys Hintergedanken waren, die er während des Schreibens des Drehbuches hatte. Und so wurde mir mit jeder Szene deutlicher, dass ein Großteil des Finales in direkter Verbindung zur allerersten Folge der Serie steht und wir nun Zeugen werden, wie die wichtigsten und präsentesten Entwicklungen der vier Protagonistinnen hier zu einem Abschluss gebracht werden. Denn es gab zahlreiche Parallelen zur Pilotfolge der Serie und die, die die erste Folge noch gut in Erinnerung haben, werden erkannt haben, dass Marc Cherry seine Serie genau so vom Publikum verabschieden wollte, wie er sie Jahre zuvor den Zuschauern vorgestellt hatte. Wer die Zeit und die erste Folge der Serie nicht mehr wirklich im Kopf hat, sollte sich jene unbedingt noch einmal in Kombination mit dem Serienfinale zu Gemüte führen, damit man auch wirklich erkennt, dass dieses Finale eigentlich eine großartige Brücke zu den Anfängen der Serie schlägt und einen Kreis zu vollenden beabsichtigt.

"You and me, we are doing a tango."

Schauen wir uns das Ganze mal bei Gaby und Carlos an, deren Ehe für mich eine der größten Stärken der Serie war, da ich es einerseits liebte, zuzusehen, wie sie sich immer wieder in die Haare bekamen, es aber andererseits auch immer schön fand, mitzuerleben, wie sie in ernsten Momenten füreinander da waren. Zu Beginn der Serie schien die Ehe allerdings alles andere als eine hohe Überlebenschance zu haben, denn Carlos vernachlässigte Gaby sträflich, was er durch den Kauf teurer Geschenke wett zu machen versuchte, während Gaby hingegen ihre eigene Idee hatte, ihren Ehemann zu strafen und ihre legendäre Affäre mit ihrem Gärtner John Rowland anfing. Das war die Ausgangssituation der ersten Episode überhaupt – und fast das Gleiche erwartete uns nun auch siebeneinhalb Jahre später, nur mit umgekehrten Vorzeichen: Nicht Gaby war die, die vernachlässigt wurde, sondern Carlos – der als Gegenzug dafür eine teure Armbanduhr erhielt. Beinahe brüllen vor Lachen musste ich, als sich Gaby plötzlich einer heißblütigen Mexikanerin gegenüber stehen sah, die sich als neue, von Carlos engagierte Gärtnerin herausstellte. Spätestens hier dürfte jedem die Parallele zwischen #1.01 und dieser Folge aufgefallen sein.

Später kam es dann zum letzten Gespräch zwischen den beiden, das wir Zuschauer miterleben durften. Und in diesem Gespräch drehte es sich um genau das, was all die Jahre immer wieder ein wichtiges Element der Serie war, nämlich den Grundzügen ihrer Ehe. Wir Zuschauer wussten natürlich spätestens ab der vierten Staffel, dass die Ehe zwischen Carlos und Gaby keinesfalls perfekt war, aber die beiden zusammen trotzdem wunderbar funktionieren. Daher war es schön zu sehen, dass sich in der letzten Folge der Serie nun auch den beiden bewusst wurde, dass sie definitiv nicht als das harmonischste Paar durchgehen, dafür aber als Paar, bestehend aus zwei Personen, die besser gar nicht zueinander passen könnten. Die beiden seien eben nicht die Typen für einen Walzer, sondern, und treffender hätte man es Gaby gar nicht in den Mund legen können, ein Ehepaar, das von Anfang an einen Tango tanze und dies auch ihr Leben lang noch tun würde. Passender hätte man die beiden meinem Erachten nach nicht vom Publikum verabschieden können und es ist doch einfach ein schönes Gefühl, zu wissen, dass sich Gaby und Carlos Solis auch noch in zwanzig Jahren miteinander streiten werden ... "happily ever after" natürlich.

"To remembering."

Auch stand die jüngst gerettete Ehe zwischen Lynette und Tom mit im Fokus dieses Finales, bzw. genauer: Lynettes ständiger Wunsch, in ihrem gemeinsamen Leben etwas zu verändern, da sie auf andauernder Suche nach dem großen Glück ist. Lynettes Bestreben nach Veränderung war ebenfalls immer ein großer Bestandteil der Serie. Meist wurde ihr Leben zwar von anderen Mitmenschen verändert, zum Beispiel durch Toms Entschluss am Ende der ersten Staffel, von nun an Lynette arbeiten gehen zu lassen, doch ihr persönlicher Traum von einem sorgenfreieren Leben war dennoch öfter Thema der Serie, nicht zuletzt gegen Ende der siebten Staffel, als Lynette Tom erfolgreich überreden konnte, eine sehr lukrative Stelle anzunehmen.

Im Finale wurde Lynette nun selbst ein lukratives Angebot gemacht und das von niemand Geringerem als Katherine, die der Wisteria Lane noch einmal kurz vor Schluss einen kleinen Besuch abstattete. Ursprünglich war ich Feuer und Flamme für Dana Delanys Auftritt, deren Charakter man inmitten der sechsten Staffel einen meiner Meinung nach sehr unwürdigen Abschied verpasste. Leider war ich von ihrem Gastauftritt mehr als enttäuscht, da er nicht nur zu kurz war, sondern Katherine auch noch von einer recht unsympathischen Seite gezeigt wurde, die viel mehr zu der Katherine aus der vierten Staffel gepasst hätte und so gar nicht mehr zu der Katherine, wie man sie in der fünften und sechsten Staffel darstellte. Lediglich Brees herrlicher Kommentar über Katherines Croissants war während der Szene mit Katherine und den anderen Damen ein ganz netter Moment, aber insgesamt schien ihr Auftritt unnötig, obwohl eigentlich recht viel Potential vorhanden war. So wäre ein Gespräch zwischen Bree und Katherine sicherlich nicht verkehrt gewesen, denn nur zur Erinnerung: die beiden waren einst beste Freundinnen. Und auch zwischen Katherine und Susan hätte es durchaus eine sinnvolle Szene bezüglich Mikes Tod geben können, denn auch hier eine kleine Erinnerung: Katherine und Mike standen einmal kurz davor, zu heiraten. Leider wird mir bei "Desperate Housewives" unter anderem immer in Erinnerung bleiben, in welch Ausmaßen man einst wichtige Entwicklungen oder Storyelemente im Nachhinein einfach unter den Teppich gekehrt hat. Im Übrigen fand ich es sehr an den Haaren herbeigezogen, dass Katherine extra in die Wisteria Lane zurückkommt, um ausgerechnet Lynette ein Jobangebot zu machen, schließlich waren die beiden niemals dicke Freunde.

Aber kommen wir zurück zu Tom und Lynette, deren Ehe, gerade als sich die Wogen wieder geglättet hatten, erneut auf eine harte Probe gestellt wurde. Und natürlich kam einem die Story bereits recht bekannt vor, denn wie gesagt: Lynettes Wunsch nach Veränderung und einem erfolgreicheren Leben wurde immer mal wieder innerhalb der Serie thematisiert. Dennoch empfand ich es als sehr nette Idee, das Ganze im Finale noch einmal eine größere Rolle spielen und Lynette am Ende hoffentlich endgültig einsehen zu lassen, dass sie mit Tom und ihren Kindern eigentlich schon längst das Glück gefunden hat, das sie jahrelang zu finden versuchte. Ihre an Tom gerichteten Worte während ihres Toasts auf Renée und Ben hätten schöner gar nicht formuliert sein können und währenddessen kamen mir doch immer wieder Szenen der vergangenen Jahre vor Augen, die mir klarmachten, wie sehr die Ehe zwischen Tom und Lynette die Serie bereicherte. Zugegeben, oftmals gab es vor allem aufgrund Lynettes dominanten Verhalten und Toms "Pantoffelheld"-Dasein Momente, in denen man von den beiden genervt war und stellenweise empfand man einfach nur Mitleid mit Tom, da seine Versuche, Lynette glücklich zu machen, wirklich selten Früchte trugen, was Tom ja auch schon in #7.22 Trügerische Sicherheit als einen der Hauptgründe angab, weshalb er seine Ehe mit Lynette am Scheitern sieht. Dass Lynette nun also endlich verstanden zu haben scheint, dass sie ihr vollkommenes Glück schon längst gefunden hat, entlässt uns Zuschauer und vor allem die Scavo-Fans zweifelsohne mit einem sehr zufriedenen Gefühl. Auch bei Lynettes Szenen hat man stellenweise im Übrigen direkte Anspielungen auf die Pilotfolge der Serie gemacht. So traf Lynette während des Finales im Supermarkt auf ihre ehemalige Kollegin Nathalie Klein – exakt selbige Frau traf Lynette auch in #1.01, ebenfalls im Supermarkt. Zudem sah man gegen Ende der Episode, als sich Mary Alice Lynettes zukünftigen Lebensverlauf annahm, wie Lynette als Großmutter mit ihren Enkelkindern im Park spielt und sie anbrüllt. Dies war die letzte Szene mit Lynette, während die allererste Szene mit Lynette zeigte, wie sie ihre Kinder auf dem Weg zu Mary Alices Beerdigungsfeier anbrüllte. Auch hier hat sich also ein Kreis geschlossen, was für diejenigen, die diese Parallelen erkannt haben, eine herrliche Angelegenheit war.

"How did we get to be so lucky?"

Während es bei Gaby und Lynette ja durchaus absehbar war, dass sie am Ende der Serie einen glücklichen Abschluss bekommen, sah das Ganze bei Susan nach Mikes Tod deutlich kritischer aus und es ging im Fanlager der Serie eine regelrechte Empörung umher, wie man es denn nur wagen könne, Mike kurz vor Ende sterben zu lassen, sodass Susan wohl keinesfalls ein Happy End bekommen würde. Nach dem Finale hinterlässt man uns, was Susan betrifft, tatsächlich mit einem etwas bitteren Nachgeschmack. Susan war einfach immer, trotz ihrer oftmals nervig naiven Eigenart und ihren wenig interessanten Geschichten, ein sehr liebenswerter Charakter, dem man es am meisten gegönnt hätte, am Ende der Serie rundum glücklich und zufrieden zu sein. Deshalb ist es irgendwo einfach traurig, dass die Autoren sich nun also entschieden haben, das Buch rund um Susan nicht mit einem abschließenden "Und sie lebte glücklich und zufrieden bis an ihr Lebensende" zuzuklappen, sondern stattdessen ein neues Kapitel aufzuschlagen, dessen Verlauf wir Zuschauer uns selbst vorstellen müssen, da man sich aus unerklärlichen Gründen entschied, uns Zuschauern nicht zu zeigen, in welche Richtung sich Susans Leben in der Zukunft entwickelte.

Kann man Marc Cherry denn nun vorwerfen, dass er Susan kein Happy End verschafft hat? Meiner Meinung nach nicht. Geht man nämlich noch einmal die Szenen zwischen Julie und Susan durch, wird einem deutlich, dass Susan durchaus mit ihrem Leben im Reinen ist. Wie sagte sie gegen Ende so schön zu Julie? Egal, was die Zukunft noch bringen werde, sie würde immer glücklich sein, denn dafür müsse sie nur an die Vergangenheit denken. Diese Szene war für uns Zuschauer doch sehr nahe gehend, schließlich würde sie dann an exakt jene schöne Momente mit zurückdenken, an denen auch wir Zuschauer teilgenommen haben. Somit bin ich Marc Cherry auch gar nicht böse, dass Susans Zukunft gar nicht erläutert wurde. Meiner Meinung nach hätte nämlich so ziemlich jede Version irgendwo einen bösen Nachgeschmack hinterlassen, denn Susan möchte ich mir gar nicht mehr neben einem anderen Mann statt Mike vorstellen, während es aber natürlich auch ein wenig traurig gemacht hätte, hätten wir gewusst, dass Susan alleine alt geworden wäre. So bleibt es also jedem Zuschauer selbst überlassen, sich Susans Zukunft auszumalen. Glücklich wird Susan schließlich sowieso, sodass wir wirklich mit einem zufriedenen Gefühl von dieser Figur Abschied nehmen konnten. Und noch zufriedener wird man dann, wenn man einfach mal wieder die Geschehnisse dieser Episode mit denen des Piloten vergleicht. Denn während Susan in #1.01 noch eine gebrochene Frau war, die verzweifelt nach einem neuen Mann in ihrem Leben suchte, um endlich ihr Glück zu finden, war sie im Finale nun eine Frau, die nicht unbedingt neues Glück braucht, da ihr die Erinnerungen an ihr altes Glück schon ausreichen.

"All those ugly things you're talking about just prove that you are human. I don't wanna love an ideal, I just wanna love a real person."

Ein ganz besonderes Augenmerk legte ich auf Brees Szenen, denn wenn jemand ein glückliches Ende nach dieser Staffel verdient hatte, dann wohl definitiv sie, die im letzten Jahr der Serie so Einiges mitmachen musste: hier ein rachsüchtiger Polizist, der ihr Leben zerstören wollte, dort ein vermeintlicher Retter in der Not, der sich später als Psychopath entpuppte, dann die Gerichtsverhandlung und zwischendrin noch einmal Brees fragwürdige Selbstfindungsphase samt vorausgehendem Selbstmordversuch. Ja, zweifelsohne hatte Bree nach den ganzen Ereignissen ein Happy End verdient und frühestens, nachdem Trip als neuer Charakter in #8.19 With So Little To Be Sure Of eingeführt wurde, hatte man schon die Vermutung, dass Bree mit ihm ihr neues Glück finden würde. Daher war es auch nicht unbedingt notwendig, dass man den beiden in der letzten Folge noch einmal Steine in den Weg gelegt hatte, denn der Ausgang war sowieso von vorneherein klar.

Aber letztlich entpuppte sich das Ganze auch nur als Mittel zum Zweck, um hier wieder auf die Anfänge der Serie zurückgreifen zu können. Das wurde spätestens nach dem gemeinsamen Gespräch zwischen Bree und Trip klar, als Bree ihre Verwunderung darüber äußerte, wie Trip nur eine Frau wie Bree lieben könne, obwohl er wisse, welch eine unvollkommene und alles andere als perfekte Frau sie doch sei. Trip hingegen erwiderte, dass er genau das an ihr möge, schließlich wolle er ein menschliches Wesen lieben. Und was ist mitunter das Gegenteil eines menschlichen Wesens? Vielleicht ein "kaltes Ding"? Denn genau diesen Ausdruck benutzte Brees erster Ehemann Rex in der ersten Folge der Serie, um Bree zu beschreiben, die zu diesem Zeitpunkt noch verzweifelt versuchte, die perfekte Ehefrau zu mimen. Durch die letzte Szene mit Trip hat man nun das Gefühl, dass Bree endlich eingesehen hat, dass sie keine Angst zu haben braucht, nicht geliebt zu werden, sobald sie ihr weniger perfektes Ich zum Vorschein bringt. Zugegeben, das Ganze ist nicht vollkommen neu, da sie bereits während ihrer Beziehung mit Keith in der siebten Staffel eine solch ähnliche Entwicklung durchmachte. Aber uns am Ende der Serie auch noch einmal Brees Entwicklung vor Augen zu führen, war definitiv eine feine Sache. Somit können wir Zuschauer also auch hier beruhigt sein, denn mit Trip hat Bree diesmal hoffentlich wirklich den Mann fürs Leben gefunden. Zueinander passen die beiden zweifelsohne, wodurch ihre gemeinsamen Szenen mal wieder toll mit anzusehen waren und es irgendwo schade ist, dass wir nie mehr von ihnen zu sehen bekommen werden.

"You have no idea what I had to go through to get here. So if you even give me one syllable of grief, I will kick your ass all the way back to Australia!"

Was in einem Serienfinale nicht fehlen darf, ist natürlich ein größeres Ereignis. Auf den vorderen Rängen der häufigsten Ereignissen in Serienfinals befinden sich, neben Abschlussbällen, natürlich Hochzeiten. "Desperate Housewives" machte hier keine Ausnahme, sodass wir es mit Renées und Bens Hochzeit zu tun bekamen. Anfangs stand ich dieser Tatsache weniger erfreut gegenüber, denn ich hatte Angst, dass diese Hochzeit zu viel Platz innerhalb des Finales einnimmt. Das hätte mir weniger zugesagt, da mir Renée und Ben nach wie vor als zu unwichtig erschienen, als dass man ihnen viele Szenen im Finale widmen sollte. Doch auch hier gab es kaum etwas zu bemängeln, da die Hochzeit lediglich als Rahmen für die letzten großen Szenen zwischen Lynette, Bree, Gaby und deren Männer diente, aber ansonsten eine relativ geringe Rolle spielte. Renée selbst übernahm auch einen vergleichsweise weniger relevanten Part als die anderen vier Hausfrauen, doch das störte mich wenig, da ich es schön fand, dass sich Marc Cherry im Finale nur auf die vier wirklichen Protagonistinnen der Serie fokussierte. Dank des Finales wird mir Vanessa Williams als Renée aber dennoch sehr positiv in Erinnerung bleiben, da ihre Darstellung der gestressten Braut, an deren Hochzeitstag so ziemlich alles schief läuft, einfach grandios war und ich während mancher Szenen, z.B. während der Szene, in der Julies Fruchtblase platzt und Renées Kleid dadurch enorm in Mitleidenschaft gezogen wird, wirklich schallend lachen musste. Generell boten die Szenen rund um Renées Hochzeit allerlei witzige Momente, sodass es im Finale auch so einige zu lachen gab.

Wer Vanessa Williams mal in einer gänzlich anderen Rolle sehen möchte, sollte sich im Übrigen die neue Mysteryserie "666 Park Avenue" vormerken, die im kommenden Herbst in den USA starten und in der Vanessa Williams an der Seite von "Lost"-Darsteller Terry O'Quinn eine recht düstere Rolle übernehmen wird. Auch Helena Mattsson wird in dieser Serie zu sehen sein, die während der sechsten Staffel von "Desperate Housewives" als Irina Korsakov Lynette das Leben erschwerte.

And I say to myself it's wonderful, wonderful my love ...

Derweil zeichnete sich bereits in der letzten Folge ab, dass Karen McCluskey im Finale wohl sterben würde, was sich schlussendlich auch bewahrheitet hat. Ausgerechnet den Charakter sterben zu sehen, von dem wir ja alle immer scherzhaft angenommen hatten, dass er all die anderen Hausfrauen überleben würde, war dann recht sehr schmerzhaft, zumal man sie vor allem durch die Ereignisse der vorangegangenen Episode mehr denn je ins Herz geschlossen hatten. Es missfiel mir insgesamt ein wenig, dass man in dieser Episode lediglich Szenen zwischen Karen und Bree zu sehen bekam, da besonders Lynette ja ebenfalls eine recht enge Verbindung zu Karen hatte. Da wäre es wirklich schöner gewesen, wenn sich noch einmal alle Hausfrauen Karen gewidmet hätten. Ansonsten waren die Szenen rund um Karen einfach wunderbar und ihr Wunsch, sich noch ein letztes Mal in das Leben anderer einzumischen, brachte einen doch sehr zum Schmunzeln.

Das Highlight dieses Finales war schließlich der Moment, in der Karen friedlich im Beisein von ihrem Ehemann Roy verstarb und der dabei von Johnny Mathis' "Wonderful! Wonderful!" begleitet und abwechselnd mit Szenen kombiniert wurde, die zeigten, wie Julie zeitgleich ihr Baby bekam, sich Renée und Ben überglücklich auf den Weg zu ihren Flitterwochen machten und die verschiedensten Hochzeitsgäste ausgelassen miteinander tanzten. Als dann am Ende auch noch Bree vor der toten Karen steht und in Tränen ausbricht, während Roy seiner Frau liebevoll einen letzten Kuss auf die Stirn gibt, war für mich klar, dass diese Minuten wirklich grandios inszeniert wurden und die Portion an Emotionen bereithielten, die man von einem Serienfinale erwartet. Wahrscheinlich brachte das Ganze diese Wirkung auch deshalb mit sich, weil diese Art der Inszenierung so untypisch für die Serie war, die normalerweise auf das Zusammenspiel verschiedener Szenen und musikalische Unterlegung verzichtet hat. Daher bleiben einem diese Szenen noch umso mehr in Erinnerung.

"It's funny. Some people never get to know the folks next door. They share a fence and nothing else, and we shared everything."

Das mit Interessanteste an einem Serienfinale ist ja meist zu sehen, auf welche Art eine Serie beendet wird. Gleichzeitig ist das wohl auch das Schwerste für die Verantwortlichen, schließlich muss man versuchen, die Zuschauer einigermaßen zufrieden zu stellen, aber gleichzeitig ein Ende kreieren, das bestenfalls nach dem Finale noch polarisiert – das Musterbeispiel dafür wird für mich nach wie vor das Ende der Serie "Sex Feet Under" sein. Auf einem solchen Niveau verabschiedet sich "Desperate Housewives" zwar nicht, dennoch hat Marc Cherry es geschafft, kein 08/15-Ende niederzuschreiben.

Natürlich wurde der finale Akt mit einem Pokerspiel zwischen den vier Damen eingeleitet, was anders gar nicht hätte sein dürfen, da das gemeinsame Pokerspielen schon immer ein Ritual war. Spätestens hier machte sich dann Wehmut en masse breit, als nicht nur den vier Freundinnen, sondern auch uns Zuschauern endgültig bewusst wurde, dass wir die vier das letzte Mal gemeinsam Poker spielen sehen werden. Und tatsächlich war es auch das letzte Mal – nicht nur für uns Zuschauer, sondern überhaupt. Denn wie uns Mary Alice anschließend klar machte, würden sich Susan, Lynette, Bree und Gaby nie wieder gemeinsam zum Pokerspielen verabreden, da nicht nur Susan der Wisteria Lane den Rücken zuwand, sondern nach und nach auch die drei anderen. Genau dieser Punkt ist es, der auch jetzt noch die Fans beschäftigt und teilweise enttäuscht. Tatsächlich ist es ein grausames Gefühl, zu wissen, dass sich die vier Freundinnen so dermaßen auseinanderleben werden, wie es uns gezeigt wurde. Zurecht stellt man sich die Frage, weshalb Marc Cherry nicht einfach eine Szene miteingebaut hat, die zeigt, wie sich die vier Freundinnen trotz ihrer neuen Leben einmal jährlich zum Pokerspielen verabreden.

Aber meiner Meinung nach hat Marc Cherry ein tolles Ende ausgewählt, das nicht nur mutig war, sondern auch sehr realitätsnah. Schließlich werden es schon einige selbst erlebt haben, dass Freundschaften, so stark sie auch seien, dann darunter leiden, sobald eine der Personen seinen eigenen Weg geht. Wer trifft sich denn heute beispielsweise noch regelmäßig mit den besten Freunden aus der Schulzeit, wenn diese schon Jahre zurückliegt und die Freunde mittlerweile landeweit verteilt sind? Klar, die Freundschaft bleibt intakt, doch die Intensität dieser Freundschaft leidet doch deutlich. Und nur, weil sich Susan, Gaby und Co. nicht mehr gemeinsam zum Pokerspielen verabreden, heißt es ja nicht, dass sie keinen Kontakt mehr miteinander haben. Besonders Lynette und Susan werden weiterhin eng miteinander in Kontakt bleiben, da sie schließlich eine gemeinsame Enkelin haben. Nur wird eben nie mehr ein Pokerspiel mit allen zustande kommen, was einen zwar einerseits wirklich mit einem wahnsinnig traurigem Gefühl zurücklässt, doch andererseits dem Ende der Serie auch etwas Besonderes verleiht, da man mit diesem Abschluss so gar nicht gerechnet hätte und ich, ähnlich wie Gaby, fest damit gerechnet hatte, dass man uns noch mit einem Flashforward abspeisen würde, der zeigt, wie die vier Freundinnen im Rentneralter gemeinsam Pokern.

Die anschließende Idee, uns einen kleinen Einblick in die Zukunft von Lynette, Gaby und Bree zu gewähren, war dann als solche kein besonders neuer, aber dennoch ein schöner Einfall, um die Geschichten der Damen zu einem Ende zu bringen. Zu sehen, wie jede der Damen nach und nach die Straße verließ, in der wir sie 180 Folgen lang begleitet haben, war ein wirklich harter Moment für jeden Fan der Serie und ließ sicherlich so einige Tränen fließen. Gerne hätte die Autoren dabei ein wenig auf dem Boden bleiben können, denn dass sowohl Lynette als auch Gaby und Bree nach ihrer Zeit in der Wisteria Lane plötzlich riesige Karrieresprünge machen, erschien mir doch als ein wenig weit hergeholt. Doch darüber blicke ich gerne hinweg, da man dafür die Flashforwards wirklich schön in Szene setzte und mit Steve Jablonskys Piano- und Geigenuntermalung wunderbar dezent begleitete. Ach ja, um mal wieder zu den Parallelen zwischen dem Finale und der Pilotfolge zu kommen: Wir bekamen zuerst Lynettes, dann Gabys und dann Brees finale Szenen zu Gesicht – dies ist genau die Reihenfolge, in der diese drei Charaktere in der ersten Folge der Serie vorgestellt wurden.

Am Ende machten wir gemeinsam mit Susan noch einmal eine letzte Fahrt durch die Wisteria Lane – und wurden Zeugen, wie sie dabei von den Geistern der diversesten Charaktere beobachtet wurde, die innerhalb der Serie starben. Dieses Ende verschaffte mir dann wirklich eine kleine Gänsehaut und war ein toller Einfall seitens Marc Cherry, der die Prämisse dieser Szene schon vor Augen hatte, als er das Drehbuch für die erste Folge schrieb. Für mich auch eine schlüssige Szene, schließlich war "Desperate Housewives" nicht nur berühmt für die doch auffällig hohe Anzahl an Toten, sondern wurde auch all die Jahre aus der Sicht einer Toten erzählt. Daher eine absolut schöne Idee, die Serie so zu Ende zu bringen und als letzten Geist auch noch einmal Mary Alice zu Gesicht zu bekommen, die ich generell gerne öfter im Finale gesehen hätte. Dies ist auch der einzige wirkliche Punkt, den ich Marc Cherry vorwerfen kann, da ich mir eigentlich vorgestellt hatte, dass Mary Alice auf irgendeine Art und Weise eine größere Rolle im Finale einnehmen wird.

Die wirklich allerletzte Szene der Serie zeigte uns dann, wie Jennifer, die neue Bewohnerin der Straße, besorgt eine mysteriöse Schmuckschatulle verstaute – und die Wisteria Lane somit offenbar um ein weiteres Geheimnis reicher geworden ist. Viele empfanden diese Abschlussszene als relativ unnötig, doch ich muss ehrlich gesagt gestehen, dass ich sie sehr mochte. Somit wurde nämlich nicht nur die Grundprämisse der Serie noch einmal ordentlich in den Vordergrund gerückt, sondern auch versichert, dass es in der Wisteria Lane alles andere als friedlich zugehen und das Leben in der Wisteria Lane somit weitergehen wird – auch ohne Susan, Gaby, Bree und Lynette. Und natürlich auch ohne uns Zuschauer, die wir langsam zu realisieren haben, dass "Desperate Housewives" zu Ende ist und auch wir uns nun, vor unserem geistigen Auge selbstverständlich, in einen Umzugswagen setzen und der Wisteria Lane den Rücken zuwenden müssen.

Finishing the Hat

Letztendlich gebe ich dem Finale der Serie nicht nur rein aus Prinzip die volle Punktzahl, sondern deswegen, weil Marc Cherry es in meinen Augen geschafft hat, die schwierige Aufgabe, ein zufriedenstellendes Serienfinale zu konzipieren, mit Bravour gemeistert hat. Alle Charaktere bekamen einen zufriedenstellenden Abschluss, ohne, dass man am Ende das Gefühl hatte, mit erzwungenen Happy Ends überhäuft worden zu sein. Dafür sorgte schließlich auch die durchaus mutig Entscheidung, die Hausfrauen letztlich auseinanderleben zu lassen, was zwar so manch einen Zuschauer verärgert haben dürfte, man sich aber gleichzeitig eingestehen muss, dass das Leben eben so spielt und es absolut lobenswert ist, dass Marc Cherry sich für diesen durchaus überraschenden Art des Abschlusses entschieden hat.

Manch einer mag #8.23 Finishing the Hat zwar als extrem unspektakulär bezeichnen, was es zweifelsohne auch war. Aber genau darin liegt für mich die Stärke dieses Serienfinales, da es vollkommen ohne Effekthascherei auskommt und sich stattdessen darauf konzentriert hat, die Charaktere gebührend zu verabschieden. Besonders schön war es, zu fühlen, dass Marc Cherry das Finale seiner Serie besonders für jene Zuschauer konzipiert zu haben schien, die seit der ersten Stunde die Abenteuer der Wisteria Lane verfolgten. Gelegenheitszuschauer oder solche, die die Anfänge der Serie nicht wirklich im Gedächtnis haben, werden sicherlich so ihre Probleme mit dem Finale gehabt haben, da sie die zahlreichen Parallelen zur ersten Episode nicht erkannten und es ihnen somit verwehrt blieb, zu erkennen, wie Marc Cherry hier einen regelrechten Kreis zu schließen beabsichtigte.

Doch für die, die eben jenes erkannt haben, fühlte sich dieses Finale einfach wie ein riesiges Dankeschön seitens Marc Cherry an. Und dieses Dankeschön sollten wir definitiv zurückgeben. Also: Vielen Dank für das Phänomen "Desperate Housewives", vielen Dank für die Erkenntnis, dass der Rasen der Nachbarn nur oberflächlich grüner und saftiger erscheint, vielen Dank für all die irrwitzigen und herzzerreißenden Momente, die wir mit den uns so ans Herz gewachsenen Charaktere all die Jahre teilen durften. Und abschließend noch vielen Dank für den Beweis, dass eine Serie nicht immer mit einem lauten Paukenschlag zu Ende gebracht werden muss, sondern der Paukenschlag auch leiser ausfallen und der Klang dennoch lange nachhallen kann.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Desperate Housewives" ansehen:


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