Bewertung

Review: #8.12 Abschied

Foto: Michael C. Hall, Dexter - Copyright: Paramount Pictures
Michael C. Hall, Dexter
© Paramount Pictures

Als 2006 auf dem US-Kabelsender Showtime das neue Format "Dexter" anlief, war dies gewissermaßen ein Durchbruch für die Serienwelt, ein Tabubruch: Erstmals wurde ein Serienkiller, also ein klarer Antagonist, zum zentralen Protagonisten einer TV-Serie gemacht, ja geradezu zum Sympathieträger erkoren, und das sorgte für einiges an Aufregung. Diese Aufregung wich jedoch sehr bald dem allgemeinen Kritikerlob, das die grandiose erste und genauso packende zweite Staffel verdientermaßen einheimsen durften. "Dexter" war in seiner Anfangszeit ein Meisterwerk, das moralische Grenzen und menschliche Abgründe ganz hervorragend auszuloten vermochte, einen wunderbar ambivalenten Hauptcharakter präsentierte und stellenweise pure Spannung bot. Doch dann kamen eine mäßige dritte und vierte Staffel, gefolgt von einer noch mittelmäßigeren fünften Staffel und einer grauenvollen sechsten Staffel, die nach einem Aufschwung in Staffel 7 in die nun achte und finale Staffel mündete. Nach den bisherigen elf Episoden dieser letzten Season, die milde ausgedrückt sehr hanebüchenes Storytelling betrieben hat, war es klar, dass das Finale von "Dexter" allenfalls das Attribut "ausreichend" erzielen können würde – denn was da in den vergangenen Folgen produziert wurde, hat überhaupt gar nichts mehr mit dem zu tun, was 2006 und 2007 noch so begeistern konnte.

Und jetzt sind wir angelangt: das Finale. Nach acht Jahren geht mit #8.12 Remember the Monsters? eine Ära zu Ende und welche Lehre man aus dieser Ära ziehen kann, ist jetzt ganz klar. Man sollte niemals eine Show künstlich am Leben erhalten, die eigentlich schon vor drei oder vier Jahren um der Erhaltung der Qualität willen hätte abgesetzt werden sollen. Denn so ein grottiges Ende hat wirklich keine Serie, und schon gar nicht "Dexter", verdient.

Das große Problem, an dem diese Season, aber auch schon die vergangenen Seasons, krankte, war der fehlende Mut der Drehbuchautoren, Dexter endlich einmal zu dem Sündenbock zu machen, der er eigentlich ist. Natürlich ist er unser Sympathieträger und war das die gesamten acht Jahre hindurch. Doch die Brutalität, das Monsterhafte und Erschreckende, das in den ersten Staffeln noch so hervorragend zur Geltung kam und durch Dexters latente Menschlichkeit immer wieder relativiert wurde, all das ist mittlerweile völlig banalisiert worden. Dexter wird mit Samthandschuhen angefasst. Klar, kein Problem, dass er Menschen tötet. Er hat keine Schuld, er kann ja nichts dafür, er ist halt einfach so. Und dann sagt ihm Debra vom Krankenbett aus auch noch: "I don't want you to feel guilty about this. I don't want you to feel guilty about anything. You were meant to be happy, so you need to go fuckin' be happy." Wie bitte? Debs Absolution für ihren Bruder kann man vielleicht als Teil ihrer Charakterentwicklung deuten, doch die Wahrheit ist, dass die Serie ihr moralisches Lot völlig aus den Augen verloren hat. Dexter ist ein Serienkiller, er tötet Menschen und trägt daran sehr wohl die Schuld – und so gern man ihn auch hat, so wenig verdient er einfach ein Happy-End.

Doch genau auf dieses Happy-End steuerten diese Staffel und diese Episode schnurstracks zu. Erst die überhastete Versöhnung zwischen Dexter und Deb (Wie großartig und mutig wäre es etwa gewesen, Debs Mordversuch mit dem Auto als Auslöser zu nehmen, um beide Geschwister gegeneinander aufzuhetzen, sodass zum Finale hin eine wirkliche Gefahr für Dexter entsteht?), dann die noch viel überhastetere Wiedervereinigung zwischen Dexter und Hannah (nach der Dexter seine ach so wichtige Schwester übrigens vollkommen liegen gelassen hat), und dann der Plan, nach Argentinien durchzubrennen. Aber stopp, Dexter hat diesmal wieder einen Sinneswandel: Er hat plötzlich erkannt, dass er doch nicht glücklich werden kann mit Hannah und Harrison, und täuscht daher mal eben seinen Tod vor.

Diese letzte Szene, die Dexter in einer Hütte irgendwo am Ende der Welt zeigt, ist nicht nur ein Ärgernis, es ist wie ein Schlag ins Gesicht: Dexters scheinbar finaler Akt, der ja zunächst andeutet, dass er die Schwere seiner Taten erkannt hat und sich daher in Selbstjustiz für den Freitod entscheidet, wird dadurch komplett sinnlos. Er täuscht also seinen Tod vor, damit Harrison ohne Vater und mit einer Serienkillerin an seiner Seite in einem fremden Land aufwächst? Diese Entscheidung ist in allen Belangen sinnfrei und bedeutungslos und kommt dazu noch viel zu plötzlich. Natürlich könnte man argumentieren, dass Debs Tod Dexter zu dieser radikalen Umentscheidung (immerhin wollte er ungefähr eine halbe Staffel lang unbedingt nach Argentinien durchbrennen) gebracht hat. Doch dann wäre der tatsächliche Selbstmord die konsequente Lösung gewesen – und nicht ein neues Leben als Holzfäller, denn damit leistet er keine Wiedergutmachung, sondern trifft wieder nur eine sehr egoistische Entscheidung. Anstatt ihn mit Deb in den Tod gehen oder mit Hannah ein neues Leben anfangen zu lassen, wählen die Autoren den bequemen Mittelweg, um es allen recht zu machen und machen es letztlich keinem recht.

Debra ist überhaupt die große tragische Figur dieser Staffel und rückblickend auch irgendwie der gesamten Serie. Während ihre Bedeutung innerhalb der letzten Staffeln erfreulicherweise immer größer geworden ist, bis sie in Staffel 7 zur zentralen Figur in Dexters Leben wurde, machte diese finale Staffel unglaublich viel zunichte. Was hätte man nur großartiges aus dieser Wut machen können, die Deb anfangs noch so prägte? Wie spannend wäre es gewesen, hätte man Laguertas Tod als Aufhänger benutzt, um nicht nur Deb, sondern auch das Miami Metro gegen Dexter aufzuhetzen? Wie packend wäre es gewesen, wäre Dexters größte Befürchtung wirklich wahr geworden, nämlich dass sein Doppelleben auffliegt und er Miami fliehend verlassen muss? Stattdessen bevorzugten die Autoren aber den Friede-Freude-Eierkuchen-Sparkurs, ließen Dr. Vogel mal eben schnell die Beziehung zwischen den Geschwistern reparieren und dann kam auch schon Hannah und Deb trat quasi komplett in den Hintergrund. Dexters Beweggründe wurden immer sprunghafter und undurchsichtiger und letztlich hat man diesen eigentlich so genialen Charakter – genauso wie Deb – tatsächlich in Grund und Boden geschrieben. Der Dexter, der hier am Ende in den Sturm fährt bzw. in der Holzhütte sitzt (!!!), hat mit dem Dexter aus den ersten Staffeln nichts mehr zu tun – und das leider im negativen Sinne.

Es war klar, dass dieses Finale angesichts der relativ unterirdischen achten Staffel einen nicht wirklich umhauen würde. Ich will gar nicht anfangen mit den unfassbaren Logikpatzern, die man allein in dieser Episode gebracht hat (Hannah wird landesweit gesucht, kann aber völlig problemlos durch die Gegend spazieren? Dexter tötet Saxon vor laufender Kamera mit einem Stift und kommt einfach so davon? Dexter kann Debs Leiche einfach mal aus dem Krankenhaus fahren?) oder mit den völlig dilettantischen Handlungskniffen, die einfach nur da sind, um den Plot in eine bestimmte Richtung zu treiben (Debra fällt ins Koma? Und mal ganz ehrlich, ein Hurricane – ernsthaft?) oder mit all den so nutzlosen Nebenstories, mit denen man uns gelangweilt hat und die letztlich im Nichts verpufften (Masukas Tochter? Sinnlos. Millers und Quinns Konkurrenzkampf? Sinnlos. Jamies Privatleben? Sinnlos.). Doch was uns hier präsentiert wird, ist eigentlich eine Schande. Es ist ein Ende, das rückblickend fast die komplette Serie zu einer relativen Zeitverschwendung macht. Es ist ein Ende, das dem eigentlich so interessanten und vielschichtigen Hauptcharakter – und seinem stets herausragenden Darsteller Michael C. Hall – nicht den Tribut zollt, den er verdient hätte. Es ist ein Ende, das die alte TV-Faustregel bestätigt, dass man eine Serie doch einfach beenden sollte, wenn man keine wirklich wichtigen und guten Geschichten mehr zu erzählen hat. "Dexter" hat in den letzten Jahren qualitativ Stück für Stück abgenommen, das ist unbestreitbar. Doch mit diesem Finale hat man leider endgültig den Tiefpunkt erreicht. Wie schade.

Maria Gruber - myFanbase

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