Bewertung

Review: #2.06 Wie ein Hirsch

Foto: Cliff Curtis & Kim Dickens, Fear the Walking Dead - Copyright: 2016 Richard Foreman Jr./AMC
Cliff Curtis & Kim Dickens, Fear the Walking Dead
© 2016 Richard Foreman Jr./AMC

Da wird man erst ein bisschen hingehalten mit der Reise der Abigail, weil immer wieder kleine Ausflüge oder Probleme dazwischen kommen und ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass das Sommerfinale in der nächsten Woche wohl diesen Übergang an Land markiert, da zieht die Episode #2.06 Wie ein Hirsch plötzlich das Tempo an und sorgt mit einer kurzen Schießerei für klare Verhältnisse. War ja doch nicht so schwer, mehr als zwei Leute nach Mexiko zu bringen.

"Was ist passiert?"

Ehrlich gesagt bin ich doch sehr zwiegespalten über die neue Ausrichtung, die mit dieser Episode angeschlagen wird. Auf der einen Seite sind die neuen Möglichkeiten, die sich nun eröffnen, natürlich toll und man hat auch darauf gewartet, dass es vorwärts geht. Auf der anderen Seite finde ich die Umsetzung ein bisschen zu einfach. Da wurde mehrfach diskutiert, dass man einen Deal und das Geld nur für zwei Leute habe und dann fährt man quasi einfach mit hohen Tempo durch die Grenzkontrollen durch, ohne genau zu wissen, warum. Vom Wasser geht auch keinerlei Gefahr mehr aus. Niemand sonst scheint es nach Süden zu ziehen, dabei haben wir doch aus der letzten Woche noch im Hinterkopf, dass doch einige Boote immer wieder im Radar erscheinen. All das, was uns inhaltlich die letzten Episoden beschäftigt hat, löst sich urplötzlich in Luft auf. Das finde ich schade, wirkt es doch so, als gehen sich die Autoren ihren eigenen Andeutungen aus dem Weg. Für mich wirkte es fast so, als wenn ich eine Episode verpasst hätte. Auf der anderen Seite muss man den Autoren aber zugute halten, dass die Charakterarbeit konsequent weiter geführt wurde, was die inhaltlichen Defizite allemal wettmacht.

"Ich möchte niemandem wehtun."

An erster Stelle steht da natürlich Chris, der in der Staffel zunächst so wirkte, als sei er durch den Tod seiner Mutter am schnellsten in der Realität angekommen. Er sieht die Infizierten als Gefahr an und hat keine Hemmungen sie zu töten. Nun ist diese Erfahrung aber umgeschlagen in eine Art Wahn, die ich absolut spannend finde. Und auch die Umsetzung gefällt mir unglaublich gut, weil die schrittweise Entwicklung sehr durchdacht scheint. Erst schießt er auf Reed, weil er ihn für infiziert hält, nun zögert er (bewusst?) im Kampf mit den Infizierten und rettet Madison nicht. Statt den Fehler einzusehen, streitet er es ab und bedroht Alicia (sehr starke Szene der beiden) und geht dann mitten in der Nacht auch noch ins Schlafzimmer. Zunächst dachte ich, dass er nur einen perfiden Gerechtigkeitssinn hat und Madison nicht hilft, weil dann eben auch Nick und Alicia ihre Mutter verlieren und dann alle mit dem gleichen Leid zu kämpfen haben. Als er dann aber ins Schlafzimmer geht, drängt sich mir der Verdacht auf, dass Chris glaubt, dass auch Madison infiziert sei und er die Gruppe vor ihr beschützen müsste. Ich bin gespannt, welchen Schritt uns die nächste Episode nun liefert. Der Wahnsinn scheint aber immer stärker zu werden und gefährliche Ausmaße anzunehmen. Jedenfalls geht man hier mit größeren Schritten als bei Daniel voran, der vor allem mit seiner Vergangenheit zu kämpfen scheint, und Nick, der interessanterweise beichtet, dass ihn das Töten gar nicht gefällt, sondern fertig macht. Auch die beiden Entwicklungen sind spannend, wurden aber nicht so intensiv betrachtet.

"Jetzt brauche ich dich mal, Maddi. Wo steckst du?"

Dafür hat man einen weiteren, sehr interessanten Konflikt auf den Tisch gelegt. Madison konfrontiert Travis mit seinem Umgang mit Chris und stellt ihn als Gefahr dar. Das ist angesichts der gesamten Situation auf der einen Seite nachvollziehbar, weil Madison ihre Kinder schützen muss, Travis gegenüber aber auch ganz schon ungerecht. Dafür, dass sie so eine gute Kommunikatorin sein soll, hat sie hier ziemlich zügig die Rolle der aggressiven Anklägerin eingenommen, die Bedingungen stellt ohne Lösungsvorschläge zu bieten. Travis tat mir ein bisschen leid und ich bin fasziniert, wie er es geschafft hat, in dieser Situation so ruhig zu bleiben und damit umso intensiver einen Hilfeschrei auszusenden, der sehr viel Wahres in sich trug. Leider ist er bei Madison nicht wirklich angekommen. Sie bleibt die Beschützerin und lässt Travis mit seinem Problem einfach allein. Man darf sehr gespannt sein, welchen weiteren Einfluss Chris' Verhalten auf die Beziehung zwischen Madison und Travis haben wird. Auch hier leisten die Autoren jedenfalls tolle Charakterarbeit.

"Kümmern sie sich um ihn, wenn ich weg bin."

Da man Strands Ziel erreicht hat, trifft dieser seinen Thomas auch wieder und muss schockiert feststellen, dass Thomas infiziert ist und sich schon langsam auf den Weg zu den Toten befindet. Das ist natürlich bitter, weil die letzten Wochen von Strand sich ausschließlich darum drehten, sich wiederzusehen. Die Liebe der beiden wird auch schon dargestellt, indem Strand einfach nur an Thomas' Seite ist, ihm vorliest und sich um ihn kümmert und dabei langsam verzweifelt. Dass er sich sogar den Tod vorstellen kann, statt ohne Thomas sein zu müssen, ist dann der Gipfel der Verzweiflung. Es hätte zu dem Paar wohl gepasst, gemeinsam in Liebe zu sterben, aber es passt letztlich auch zu Strand, dass er nicht so einfach aufgibt. Außerdem bin ich froh, dass man den Charakter noch weiter erleben darf. Ohne seine bisherige Motivation könnte hier auch noch mal eine Wendung eintreten. Interessant dürfte nach dem Schuss am Ende auch das kommende Aufeinandertreffen mit Celia werden, die ihre ganz eigenen Vorstellungen von der Welt zu haben scheint.

"Erkennen Sie nicht, was passiert ist? Das war sie."

Celia ist mir in der Vergangenheitsbetrachtung zuletzt gar nicht als wichtiger Charakter aufgefallen, doch nun stellt sich heraus, dass sie zumindest für den Moment eine ganz entscheidende Rolle spielt. Zunächst mal ist sie Gastgeberin und ziemlich freundlich. Sie geht in ihrer Mutterrolle voll auf und ist auch um keinen Rat verlegen. Allerdings sind die Absichten diskutabel und hier hänge ich noch ein bisschen in der Luft. Sie hat offenbar eine ganz spezielle Einstellung zum Tod und das Bedürfnis, sich nicht von den Verstorbenen ihrer Mitarbeiter zu trennen. Sie füttert die Infizierten sogar. Und auch der Rest der kleinen Kommune scheinen dieses Modell mitzutragen. Jetzt frage ich mich aber, wieso sie mit ihren Hostien Menschen vergiftete. War das in der Kirche nur eine Versuchsgruppe? Sind die Leute hinter Gittern durch sie gestorben oder auf anderem Wege infiziert worden? Was verspricht sie sich von der Haltung der Infizierten? Hofft sie auf eine Rettung? Warum vergiftet sie weiter? Warum lässt sie Daniel gewähren? Es gibt einige Fragen, die dieser Charakter aufwirft. Auch das ist ein Grund, warum man sich auf die nächste Episode sicherlich freuen kann.

Fazit

Inhaltlich wirkt die Episode #2.06 Wie ein Hirsch etwas übers Knie gebrochen, aber das ist insofern nur bedingt ärgerlich, weil die Charakterarbeit an fast allen Stellen hervorragend ist und es sehr spannend und intensiv ist, diese Entwicklungen mitzuverfolgen.

Emil Groth - myFanbase

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