Klasse, Die
"Wenn das, was du zu sagen hast, nicht wichtiger ist als das Schweigen, dann schweige."
Inhalt
Für den engagierten Französischlehrer François Marin (François Bégaudeau) beginnt ebenso wie für zahlreiche Lehrer und Schüler das neue Schuljahr an einer Schule in einem Problembezirk von Paris. Doch in seinem vierten Jahr als Lehrer muss Marin feststellen, dass nicht nur das Verhalten einiger seiner Schüler aus dem Ruder läuft. Auch seine eigene Herangehensweise an das Lehren stößt zunehmend auf Unverständnis, bis er selbst durch seine teilweise provokante Art indirekt dafür verantwortlich ist, dass ein Konflikt im Klassenzimmer eskaliert.
Kritik
Zum ersten Mal nach 21 Jahren hat 2008 mit "Die Klasse" (im Original "Entre les murs", was soviel wie "Innerhalb der Mauern" heißt) ein französischer Film die Goldene Palme von Cannes gewonnen. Der damalige Jurypräsident Sean Penn begründete die einstimmige Wahl der Jury damit, dass die "Auseinandersetzung mit der Gegenwart", die in dem Film thematisiert wird, ein wichtiges Beurteilungskriterium gewesen sei.
Schnell kann einen diese Phrase dazu verleiten, zu denken, dass das doch bei zahlreichen Filmen so sei. Womit soll sich sonst ein Film auseinandersetzen als mit der Zeit, in der er spielt? Wenn man sich aber bewusst wird, wie "Die Klasse" entstanden ist, wird deutlich, was Penn gemeint hat, was die Jury von Cannes letzten Endes dazu verleitet hat, den Film auszuzeichnen und weswegen "Die Klasse" als Bester Fremdsprachiger Film 2009 für den Oscar nominiert wurde.
Der Filmstoff zu "Die Klasse" entstammt einem Buch von Autor und damaligem Lehrer François Bégaudeau, der in "Entre les murs" seine eigenen Erlebnisse als Lehrer an einer Schule in Paris niedergeschrieben hat. Dieser François Bégaudeau schrieb für die Verfilmung das Drehbuch und spielte gleichzeitig die Hauptrolle. Das führt dazu, dass "Die Klasse" einen hohen Grad an Realismus aufweist und weniger als ein Film, sondern vielmehr wie ein zweistündiger dokumentarischer Einblick in den Alltag eines Lehrers in einem Pariser Wohnbezirk wirkt. Dieser Eindruck wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass nicht nur Bégaudeau sich praktisch selbst spielt, sondern auch dadurch, dass die Lehrer und Schüler des Films allesamt keine gelernten Schauspieler sind. Sie alle sind tatsächlich Teile des Pariser Schulsystems und gehen noch zur Schule bzw. arbeiten dort. Allerdings stellen sie sich nicht selbst dar, sondern sind Ergebnis einer akribischen Vorbereitung, im Rahmen derer sie Improvisationsworkshops Cantets besuchten und dort fiktive Rollen entwickelten, die sich von ihren eigenen Persönlichkeiten oft deutlich unterscheiden. Dadurch merkt man sowohl Bégaudeau als auch dem Lehrerapparat und den Schülern deutlich an, dass sie ihre Rollen nicht nur spielen, sondern sie mehr oder weniger so leben bzw. gelebt haben.
Dementsprechend ist die Figur des François Marin auch nicht mit dem dramatisch übertriebenen Idealismus von Michelle Pfeiffer in "Dangerous Minds" oder von Hilary Swank in "Freedom Writers" ausgestattet. Es geht auch nicht darum, eine Wandlung bei den problembehafteten Schülern bis zum unvermeidlichen Happy End darzustellen und sie anfangs schlimmer darzustellen, als sie eigentlich sind, damit genug Platz für dramatische Wendungen ist. "Die Klasse" zeigt im nahezu dokumentarischen Stil schlicht und ergreifend den Alltag eines Lehrers. Diesen derart realistisch darzustellen, kann dennoch gar nicht hoch genug angerechnet werden.
Das ist nicht nur der Verdienst der "Schauspieler", die es geschafft haben, ihre Figuren sowohl echt darzustellen als sie auch mit Leben zu füllen, sondern ist auch Bégaudeaus (Dreh-)Buchvorlage zu verdanken. Bégaudeau gelingt es, ein Schuljahr auch aus dramatischer Sicht interessant darzustellen, ohne Zugeständnisse im Bezug auf Realismus machen zu müssen. Man sieht eben nicht nur zwei Stunden lang eine Schulklasse während des Unterrichts, sondern kann mit den Augen des Lehrers François Marin eine Entwicklung einiger Schüler und Lehrer als auch der gesamten Klassendynamik feststellen. Bis zum vermeintlichen Höhepunkt des Films ist Marin ein Lehrer mit Wünschen und Ambitionen, an denen er wie so viele Lehrer zu verzweifeln droht, und die Schüler entwickeln sich auch sichtbar und auf nachvollziehbare Art und Weise weiter.
Laurent Cantet, der sich in Frankreich einen Namen als Regisseur gemacht hat, der mit seinen Filmen Fragen aufwirft und Diskussionen auslöst, hat drei Kameras benutzt, um das Geschehen innerhalb der Klasse einzufangen und gleichzeitig nicht an klassische Inszenierungstechniken gebunden zu sein. Dabei war eine Kamera immer auf die Klasse gerichtet, eine immer auf den Lehrer und eine war dazu da, Unvorhergesehenes einzufangen, das sich während der vielen improvisierten Szenen des Films entwickeln konnte. Diese drei gleichzeitig laufenden Kameras gaben Cantet eine Schaffensfreiheit, die man dem Film deutlich anmerkt und die ihm sichtlich gut tut.
Aber nicht nur aus inszenatorischer Sicht fesselt Cantets Film, gleichzeitig behandelt er ein breites Spektrum an hochrelevanten Themen unserer heutigen Gesellschaft: Migrationshintergrund und der richtige Umgang damit; Gewalt als Mittel, um Gewalt zu unterdrücken; Schulpolitik, die immer wieder Lehrern ebenso wie Schülern Knüppel zwischen die Beine wirft; das Verhalten von Schülern, die merken, dass sie von der Gesellschaft bereits als Verlierer abgestempelt wurden; oder einfach nur die Antwort darauf, weswegen man trotz aller Widrigkeiten immer noch mit Hingabe das tut, was man tut.
Fazit
"Die Klasse" ist vor allem eines: echt. Wer erwartet, dass sich Lehrer und Schüler am Ende in den Armen liegen, die Schüler sich bereitwillig um ihre Hausaufgaben kümmern oder dass Lehrer unentwegt Spaß an ihrer Arbeit haben, ist mit anderen Filmen besser bedient. Wer aber einen realistischen Einblick in den Alltag an einem höchst lebendigen Ort sehen will, an dem noch diskutiert, geredet, lamentiert und gestritten wird, der mit der Zeit eine unheimliche Dynamik entwickelt und dadurch richtig packend wirkt, der von starken Figuren auf der einen Seite und viel Herz auf der anderen Seite gestützt wird, und der nebenbei universell wichtige Themen aufgreift und darzustellen versucht, der kann bei "Die Klasse" getrost zugreifen.
Andreas K. - myFanbase
07.05.2009
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: Entre Les MursVeröffentlichungsdatum (Frankreich): 24.05.2008
Veröffentlichungsdatum (DE): 15.01.2009
Länge: 128 Minuten
Regisseur: Laurent Cantet
Drehbuchautor: François Bégaudeau (Roman & Drehbuch)
Genre: Drama
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Darsteller/Charaktere
François Bégaudeau
als François Marin
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