Bewertung
Lone Scherfig

An Education

"Do you go to concerts?"
- "No. We don't believe in concerts."
"Oh, I assure you, they're real."

Foto: Copyright: Sony Pictures Releasing GmbH
© Sony Pictures Releasing GmbH

Inhalt

Die intelligente und hübsche 16-jährige Jenny (Carey Mulligan) wird auf dem Rückweg von der Orchesterprobe von einem charmanten älteren Mann namens David (Peter Sarsgaard) in dessen Auto mitgenommen. Zwischen den beiden entwickelt sich rasch eine Zuneigung zueinander und nachdem selbst Jennys Eltern Jack (Alfred Molina) und Marjorie (Cara Seymour) dem Charme Davids erliegen, verbringt dieser zunehmend Zeit mit Jenny sowie seinem Arbeitskollegen Danny (Dominic Cooper) und dessen Freundin Helen (Rosamund Pike). Jenny ist angetan von dem Leben, das David ihr bieten kann, angefangen bei gemeinsamen Besuchen von Jazz Clubs, Konzerten oder gar einem Wochenendtrip nach Paris. Doch bald bemerkt sie, dass David und Danny beträchtliche Teile ihres Vermögens auf dem Rücken anderer verdient haben, und die Fassade beginnt langsam zu bröckeln.

Kritik

Wenn man den bisherigen Expertenmeinungen vertrauen möchte, gibt es genau drei große Favoriten auf den Oscar für die beste Hauptdarstellerin. Die erste ist einmal wieder Meryl Streep für ihre Rolle in "Julia & Julia", die zweite ist Gabourey Sidibe und ihre Verkörperung der Precious im gleichnamigen Film und eben Carey Mulligan für ihre Rolle als Jenny im vorliegenden Film. Und, traut man den genauen Vorhersagen der einzelnen Kritiker, so scheint der Oscar für Meryl Streep beschlossene Sache und Gabourey Sidibe und Carey Mulligan scheitern nicht deshalb, weil sie nicht überzeugend genug gewesen wären, denn sie waren beide großartig. Nein, Meryl Streep hat vielmehr den "Vorteil", dass sie alt genug ist, während ohnehin kaum jemand bezweifelt, dass vor allem Mulligan mit ihren zarten 24 Jahren in Zukunft zahlreiche Chancen auf einen Oscar haben wird.

Insbesondere zu Beginn des Coming-of-Age-Films "An Education" stellt man sich unter Umständen die Frage, wie eine Rolle in einer gleichermaßen seichten und vorhersehbaren Verfilmung der Memoiren der britischen Journalistin Lynn Barber derart viel Eindruck hinterlassen kann. Denn vor allem das Kennenlernen von Jenny und David, die folgende Annäherung und das Aufblühen des kleinen Mädchens durch ihre Bekanntschaft mit der großen weiten Welt, sind nicht sonderlich innovativ, sondern, im Gegenteil, vielmehr deutlich klischeebeladen. Dennoch verliert der Film auch in dieser Phase nie seinen Charme, was vor allem an der wunderbaren Chemie zwischen den beiden Hauptcharakteren liegt. Die zwei sind schlicht und ergreifend extrem süß zusammen.

Zusätzlich ist "An Education" erfrischenderweise zwar durchaus ein Liebesfilm, allerdings thematisiert er weniger die Liebe zwischen Jenny und David, sondern eher die zwischen Jenny und den sich ihr offenbarenden Möglichkeiten. Spätestens hier merkt man die Handschrift Nick Hornbys, der sich für das Drehbuch verantwortlich zeigt. Richtig interessant jedoch wird es in der zweiten Hälfte des Films, wenn die bis dahin alles umfassende Leichtfüßigkeit immer weiter in den Hintergrund geschoben wird. Und genau ab diesem Zeitpunkt ist es Carey Mulligan, die "An Education" praktisch alleine trägt und beweist, dass sie nicht nur zuckersüß, sondern auch so richtig dramatisch sein und die Figur der Jenny mit einer Grazie erfüllen kann, die bereits viele zu Vergleichen mit Audrey Hepburn hinreißen ließ. Nicht nur für den Zuschauer ist der eine oder andere Schlag in die Magengrube dabei, doch hat man nie das Gefühl, als würde Jenny aufgeben, es überhaupt können. Sie lässt sich nicht aufhalten und wirkt dabei weder hochnäsig noch zu selbstsicher oder unglaubwürdig.

Genau dieser Knick im Handlungsverlauf tut nicht nur Carey Mulligans Leistung gut, sondern auch der von Peter Sarsgaard, aber ganz besonders dem Film selbst. Denn erst jetzt vermag er, sein gesamtes Potential zu offenbaren und sich von zugegeben deutlich weniger charmanten, aber ebenso vorhersehbaren Genrevertretern abzusetzen. Im Grunde ist es dem Film sogar hoch anzurechnen, dass er selbst die 180-Grad-Wendung anders vollführte, als es viele erwartet haben. Die daran ansetzende Unvorhersehbarkeit verschiebt auch den Fokus auf bestimmte Charaktere und ihr Umfeld, und so ist glücklicherweise nicht nur mehr von der zweimaligen Oscarpreisträgerin Emma Thompson, sondern auch von der in letzter Zeit vor allem aus "Dollhouse" bekannten Olivia Williams zu sehen. Nebenbei hat dann auch noch Golden-Globe-Gewinnerin Sally Hawkins einen kleineren Auftritt und sowohl Alfred Molina als auch Cara Seymour erhalten wieder mehr Platz in Jennys Leben und damit auch in der Handlung des Films. Und während Dominic Cooper als Danny und Rosamund Pike als Helen vergleichsweise blass bleiben, weiß Peter Sarsgaard auch in dieser Phase zu überzeugen und gilt nicht umsonst ebenso als Anwärter auf einen der wichtigen Filmawards, auch wenn er dort längst nicht als Favorit ins Rennen geht.

Nicht zu vergessen ist das tolle Setting des Londons der 60er Jahre. Hier wurde wirklich nichts dem Zufall überlassen und alles haarklein dem Vorbild vergangener Tage nachempfunden. Aber nicht nur die Stadt selbst, auch die Kleidung aus dieser Zeit, die Musik, das gesamte Lebensgefühl wurden hier glaubhaft auf die große Leinwand projiziert ohne einen überstilisierten Eindruck auf der einen Seite zu machen oder auf der anderen Seite ein zu düsteres Bild zu malen.

Fazit

"An Education" ist ein Liebesfilm, der anfangs maßgeblich von der Chemie der beiden Hauptfiguren getragen wird und dabei so manches vorhersehbare Geschehen überspielt. In der zweiten Hälfte des Films, wenn Dramatik und Unvorhersehbarkeit Überhand annehmen, wird sowohl storytechnisch als auch schauspielerisch Einiges geboten. Letzten Endes wird jedoch alles von Carey Mulligans unglaublicher Performance überstrahlt. Ein neuer Star ist geboren.

Andreas K. - myFanbase
28.12.2009

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