Bewertung
Regina Crosby

Teenage Dirtbag

"I knew a boy named Thayer Mangeres. I had the misfortune of being close to him... alphabetically."

Foto:

Inhalt

Die beliebte Cheerleaderin Amber (Noa Hegesh) findet keinen Gefallen an einer infantilen Mutprobe ihres Mitschülers Thayer (Scott Michael Foster) und wird fortan von ihm drangsaliert. Aufgrund der alphabetischen Abfolge ihrer Namen werden sie in zahlreichen Unterrichtsstunden neben- und hintereinander gesetzt, so auch im allwöchentlichen Unterricht für kreatives Schreiben oder der sogenannten Aufgabenstunde. Durch das Schreiben von Texten entwickeln die beiden trotz alledem eine tiefe Verbundenheit zueinander, die es aber nicht vermag, ihre sozialen Verpflichtungen oder sein zerrüttetes Zuhause zu überwinden.

Kritik

Im Grunde grenzt es an ein kleines Wunder, dass "Teenage Dirtbag" überhaupt auf DVD veröffentlicht und in ausgewählten Kinos in den USA gezeigt wurde. Denn Regina Crosby, die nebenbei ihr erstes Drehbuch überhaupt für den Film schrieb, wurde erst zwei Tage vor Drehbeginn auch zur Regisseurin, nachdem sich die Produzenten kurzerhand dazu entschieden, Teile der Crew und den Regisseur zu schassen. Da es aber unmöglich war, den Dreh zu verschieben, musste die gänzlich unerfahrene Regina Crosby hinter die Kamera. Dass sie nebenher ohnehin auch noch im Film mitspielt – geschenkt. Denn vor allem ihre Personalunion im kreativen Prozess macht den Film so sehenswert.

Dabei könnte die Ausgangssituation des Plots offensichtlicher (und damit auch potentiell langweiliger) nicht sein: Das Problemkind, das eher als Außenseiter anzusehen ist und in regelmäßigen Abständen das Büro des Direktors aufsuchen muss, auf der einen Seite; auf der anderen Seite der hübsche und beliebte Cheerleader. Wie einfach es gewesen wäre, den Außenseiter aufblühen zu lassen und in der Cheerleaderin die Ansicht gedeihen zu lassen, dass Oberflächlichkeit nicht alles ist, haben unzählige Filme gezeigt. Crosby jedoch geht jedweder Hollywood-Konvention aus dem Weg und macht das, was sonst so oft vermisst wird, sie verzichtet auf Schwarz-Weiß-Malerei, relativiert und gibt den beiden Hauptcharakteren die Möglichkeit, dem Zuschauer sehr viel mehr zu offenbaren als das, was sie auf den Gängen ihrer High School zeigen und was von ihnen dort erwartet wird.

Damit dies funktioniert, müssen selbstverständlich auch die Darsteller im wahrsten Sinne des Wortes mitspielen. Sowohl Scott Michael Foster, der sonst vor allem durch seine Rolle in der Campus-Dramedy "Greek" einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht hat, als auch die gebürtige Israelin Noa Hegesh überzeugen jede einzelne Sekunde, die sie zu sehen sind. Bei Foster muss man sich sogar fragen, ob ihm nicht eine richtig große Filmkarriere bevorsteht, denn die von ihm verkörperte Ambivalenz, die Thayer so ungemein faszinierend macht, ist in Filmen ähnlicher Thematik normalerweise nicht nur nicht zu finden, sondern auch ungenügend ausgefüllt, falls es dann doch mal dazu kommen sollte. Die Dynamik zwischen dem augenscheinlich perfekten Mädchen, das an ihren eigenen Ansprüchen und denen ihres Umfelds zu zerbrechen droht und dem Jungen, der aufgrund eines völlig zerrütteten Zuhauses überhaupt nicht weiß, wie er sich und seine Gefühle artikulieren soll, ist das große Prunkstück des Films und wird von Hegesh und Foster großartig unterstützt.

Crosby ist bei der Annäherung von Thayer und Amber einen hochinteressanten Weg gegangen und lässt die beiden vor allem durch Geschriebenes kommunizieren. Während im Unterricht für kreatives Schreiben durch aufgesagte Gedichte, die allesamt überraschend ideenreich und gehaltvoll sind, so manche Emotion geschickt angedeutet, umspielt oder kaschiert wird, geben die alternierenden Eintragungen in den gemeinsamen Notizblock einen Einblick in die Gefühlswelt der beiden und eine nicht für möglich geglaubte Intimität und Unmittelbarkeit. Nicht auszudenken, wenn Thayer und Amber über SMS oder ähnliches kommuniziert hätten, denn dann wären die Texte im digitalen Datenfluss irgendwann untergegangen, und ein wichtiges Vehikel des Films hätte gefehlt.

Insgesamt macht "Teenage Dirtbag" einen erfrischend andersartigen und klischeefreien Eindruck, der dazu führt, dass man sich nie sicher sein kann, was als nächstes geschieht und entsprechend gebannt jede einzelne Szene verfolgt. Nicht nur, dass auf unnötige Elemente wie unwichtige Nebencharaktere verzichtet wurde, man hat zudem den gesamten Film über den Eindruck, dass man da tatsächlich realen Jugendlichen dabei zusieht, wie sie versuchen, ihre eigene Identität zu finden und dafür so manche Dummheit begehen. Jeder mit einer entsprechend lebhaften Teenagerzeit wird sich bei vielen Szenen angesprochen und mit sich und seiner Sturm-und-Drang-Zeit konfrontiert fühlen, und diese Echtheit ist vor allem im Bereich von Teenagerdramen sonst kaum zu finden. Die zu gleichen Teilen realistisch und unvorhersehbare Atmosphäre wurde gekonnt unterlegt mit einem größtenteils aus Instrumentalstücken bestehenden Soundtrack, der teilweise eventuell zu oft einsetzt, aber trotzdem dem Film eine ganz besondere Stimmung gibt.

Im Grunde ist es selbstverständlich, dass einer derart unerfahrenen Regisseurin auch handwerkliche Fehler unterlaufen. So manche Sequenz aus Ambers Leben war zwar nicht unbedingt direkt unnötig, hat aber zu sehr den Fokus weg von der Dynamik zwischen ihr und Thayer getragen. Ein wenig unbalanciert war zudem die Rolle von Mr. Ruskovitch, der auf der einen Seite in der Lage ist, jegliche Nuance aus den einzelnen Gedichten nahezu perfekt zu deuten, auf der anderen Seite aber – zumindest wird dies im Film nicht gezeigt – nicht zu merken scheint, in welchem Elend sich Thayer befindet. Das Ende selbst wird von vielen Seiten kritisiert als nichtssagend und zu vage, doch sind auf der einen Seite durchaus genug Hinweise zu finden, die jedem Zuschauer sein eigenes Ende ermöglichen; auf der anderen Seite ist "Teenage Dirtbag" ein Film, bei dem das Ende nicht im Vordergrund steht, denn sonst hätte man es nicht bereits am Anfang verraten. Es geht vor allem um den Weg bis zu diesem Ende, und der ist trotz so manch kleiner Fehler wirklich gelungen. Die Bekanntschaft Ambers mit Thayer ist an beiden auch Jahre später nicht spurlos vorbei gegangen, weswegen das oben verwendete Zitat am Ende auch wunderbar abgeändert wird in: "I knew a boy named Thayer Mangeres. I had the good fortune of being close to him... alphabetically."

Fazit

Trotz all der Widrigkeiten, mit denen vor allem unmittelbar vor dem Dreh zu kämpfen war, ist aus dem Regiedebüt von Regina Crosby ein bewegendes Indie-Drama geworden, das zwar kleinere Makel aufweist, die den ganz großen Wurf verhindern, aber vor allem aufgrund der tollen Dynamik der zwei exzellenten Darsteller und ihren Rollen sowie einem erfrischend anderen Handlungsverlauf dennoch mehr als sehenswert ist.

Andreas K. - myFanbase
23.01.2010

Diskussion zu diesem Film