Bewertung
Daniel Alfredson

Verdammnis

"Ich werde sie finden, bevor die Polizei sie findet. Und ich werde für sie da sein, denn das bin ich ihr schuldig."

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Inhalt

Nach einem Jahr im Ausland kehrt Lisbeth Salander (Noomi Rapace) nach Schweden zurück. Kurz nach ihrer Rückkehr wird sie verdächtigt, drei Menschen ermordet zu haben, unter ihnen der junge Journalist Dag Svensson (Hans Christian Thulin), der gemeinsam mit Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) und dessen Team beim Politmagazin "Millennium" einer Story um Mädchenhandel und Prostitution nachgeht, die bis in die höchsten Regierungsebenen Schwedens reicht. Mikael, der seit seiner gemeinsamen Jagd auf einen Serienkiller keinen Kontakt mehr mit Lisbeth hatte, versucht unterdessen, sie vor den Ermittlern zu finden, da er von ihrer Unschuld überzeugt ist.

Kritik

Nicht nur aufgrund des zweiten Teils der Verfilmung der sogenannten "Millennium-Trilogie" ist Stieg Larsson, 2008 der zweiterfolgreichste Schriftsteller weltweit, einmal wieder in aller Munde. Denn nicht nur der unerbittliche Erbschaftsstreit zwischen Larssons Lebensgefährtin und dessen Vater und Bruder findet kurz vor Kinostart von "Vergebung" wieder Einzug in die Medien, nun melden sich auch ehemalige Wegbegleiter zu Wort und bezeichnen Larsson als einen bestenfalls "mediokren Journalisten", als jemanden, dem sein Kampf gegen den Rechtsextremismus immer wichtiger war als journalistische Grundregeln oder auch einfach nur als jemanden, der eigentlich gar nicht ansprechend schreiben könne und der in künstlerischer Sicht deswegen mehr als nur unterstützt wurde von seiner Lebensgefährtin.

Ungeachtet der Tatsache, dass letzteres im Grunde darauf hinauslaufen würde, dass nun auch alle Lektoren als Co-Autoren geführt werden müssten, ändern auch die anderen Anschuldigungen freilich nichts daran, dass Stieg Larsson ein durchaus talentierter Romanschreiber war und mit "Verblendung", "Vergebung" und "Verdammnis" die wohl erzählerisch dichtesten und spannendsten Thriller des vergangenen Jahrzehnts schrieb. Mit "Verblendung" kam vergangenes Jahr bereits der erste Teil in die deutschen Kinos und überzeugte die Anhängerschaft, nun warten auch Teil 2 und 3 auf ihr Debüt auf der großen Leinwand. Bereits im Juni wird der dritte Teil, "Vergebung", zu sehen sein, der in den kommenden Wochen in Schweden bereits auf DVD erhältlich sein wird, nachdem er dort bereits im November 2009 Premiere feierte.

Wer die Buchvorlage kennt, weiß auch, dass "Verdammnis" inhaltlich und spannungstechnisch schon ein wenig besser ist als "Verblendung". Denn während die Story im ersten Teil noch recht überschaubar und stringent war, erzählt "Verdammnis" die auf mehreren Ebenen reizvollere Geschichte. Begonnen bei einem Dreifachmord, dessen Beweggründe am Anfang noch völlig unklar sind, wird hier eine Story gesponnen, die nicht nur die ungemein interessante Figur der Lisbeth Salander näher bringt, sondern auch den Polizeiapparat Schwedens sowie die Arbeit innerhalb eines Verlags durchleuchtet und zudem wird auch noch eine Verschwörung andeutet, deren Ausmaße wohl erst in Teil 3 zu erfassen sind.

Selbstverständlich krankt auch die vorliegende Verfilmung daran, dass nur gut zwei Stunden zur Verfügung stehen, um mehr als 700 Buchseiten nachzuerzählen. Und während in "Verblendung" vor allem Mikaels Liebesleben außen vor gelassen wurde, fehlt in "Verdammnis" insbesondere der Blick in das Polizeiwesen Schwedens. Hier tritt der Chefermittler Jan Bublanski quasi als einziges Gesicht der Polizei auf, wodurch so manche Dynamik fehlt. Jedoch deutet der kurze Auftritt von vor allem Hans Faste darauf hin, dass man im Abschluss der Trilogie in dieser Hinsicht noch etwas erwarten kann, insbesondere nachdem der kurze Einblick in Lisbeths Kindheit im ersten Film ähnlich vonstatten ging und dann zu einem Prunkstück des zweiten Films ausgebaut wurde.

Nicht nur die Tatsache, dass Noomi Rapace bei den Credits nun an erster Stelle steht, deutet bereits auf den Stellenwert hin, den sie und ihr Portrait Lisbeths einnehmen. Eine besondere Betonung findet ihre Kindheit und Jugend, obwohl anfangs alles nach einer reichlich gewöhnlichen Kriminalgeschichte aussieht. Auch beim zweiten Mal gelingt es Rapace, eine derart ambivalente Figur zum Leben zu erwecken, bei der man sich jede Sekunde fragt, wie sie eigentlich zu dem geworden ist, was sie heute ist. Ihre Schwächen vor allem im zwischenmenschlichen Bereich sind nämlich auch in "Verdammnis" allgegenwärtig, sie geht auch diesmal teilweise geradezu unnötig brutal vor, und dennoch kann man sie nicht verteufeln, weil sie höchst bewundernswerte Eigenschaften wie Loyalität und Gerechtigkeitssinn in sich vereint und zusätzlich mehr als viele andere das Ergebnis einer Gesellschaft ist, die Menschen wie sie lieber wegsperrt, als sich mit ihnen und ihren Problemen und Ängsten zu beschäftigen.

Mikael Blomkvists Beziehung zu seiner Kollegin Erika Berger wird im Gegensatz zum ersten Teil nun etwas eingehender thematisiert und gibt Mikael noch zusätzliche Facetten, ist jedoch weit davon entfernt, denselben Stellenwert einzunehmen wie in der Buchvorlage. Ein einziges Mal wird praktisch nebenher erwähnt, dass Erika eine verheiratete Frau ist, ansonsten ist sie auch dieses Mal eher das Verbindungsstück zwischen "Millennium" und der Ermittlungsarbeit Mikaels. Da die tägliche Arbeit im Verlag zunehmend Teil der Story wird, erscheint Mikael nun auch in dieser Hinsicht vielschichtiger. Dennoch sollte eines klar sein: Lisbeth ist diejenige, um die sich alles dreht, auch wenn Mikael ein wichtiger Katalysator ist, der die Geschichte voranbringt. Neben Lisbeth und Mikael verkommen die anderen Charaktere wie auch schon im ersten Teil zu Randnotizen, die jedoch zunehmend mehr Profil erhalten und eher Opfer der Fokussierung auf die elektrisierende Dynamik zwischen Mikael und Lisbeth sind als handwerkliche Fehler. So manche Ausrutscher in der Charakterarbeit, wie ein frisch einem Jean-Claude-van-Damme-Film entsprungen zu scheinender Bösewicht, sind sogar vielmehr der Buchvorlage anzulasten als der Verfilmung.

Aus inszenatorischer Sicht merkt man diesmal leider deutlich, dass nicht mehr Niels Arden Oplev auf dem Regiestuhl saß, der für "Verblendung" verantwortlich war und einen Thriller erschuf, der den Vergleich vor US-amerikanischen Vorbildern nicht scheuen musste, sondern Daniel Alfredson, bisher vor allem tätig im TV-Bereich. Die düstere Atmosphäre ging spürbar verloren, was vor allem optische Gründe hat, denn auch "Verdammnis" ist ähnlich schonungslos wie sein Vorgänger. Fällt die herausragende Optik weg, offenbaren sich zudem weitere kleine Schwachpunkte auf, die sonst kaum aufgefallen wären. Die erzählerische Konzentration auf Lisbeth ist zwar durchaus begründet, manchmal wünscht man sich aber dennoch, dass Mikaels Teil der Geschichte etwas mehr Gewicht beigemessen worden wäre. Oplev hat hierbei ein besseres Gleichgewicht gefunden. Ein wenig hat "Verdammnis" auch darunter zu leiden, dass es eigentlich eher der Prolog für den dritten Teil ist, "Verblendung" konnte da eigenständiger sein. 30 Minuten mehr Laufzeit hätten zudem dafür gesorgt, dass es so manche dann doch recht gehetzt wirkende Sequenz nicht gegeben hätte.

Fazit

Auch "Verdammnis" ist ein guter Kriminalthriller, was er insbesondere seiner tollen Buchvorlage und einer prächtig aufgelegten Noomi Rapace zu verdanken hat. Und dennoch ist er schlechter als "Verblendung", da er so manche inszenatorische Fehler aufweist. Hoffentlich beweist Alfredson mit "Vergebung", dass er die Verfilmung einer derart prägenden Thrillertrilogie gebührend zu Ende bringen kann. Wir werden sehen.

Andreas K. - myFanbase
30.01.2010

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