Bewertung
Francis Ford Coppola

Tetro

There's room for only one genius in this family.

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Inhalt

Als das Kreuzfahrtschiff auf dem er arbeitet in Buenos Aires Halt machen muss, entscheidet sich der 17-jährige Bennie (Alden Ehrenreich) dazu, seinen Bruder Angelo (Vincent Gallo) aufzusuchen, der vor vielen Jahren die Familie verlassen hat, um dem übermächtigen Vater Carlo (Klaus Maria Brandauer), einem weltweit erfolgreichen Komponisten und Dirigenten, zu entfliehen. Angelo, ein melancholischer und zerstörter Poet, der von allen Tetro genannt wird, will von Bennie aber nichts wissen und weist ihn zunächst ab, doch seine gutherzige Freundin Miranda (Maribel Verdú) nimmt Bennie freudig auf. Langsam nähern sich die entfremdeten Brüder wieder an, aber Tetros alte Wunden der Vergangenheit sind noch nicht geheilt und werden durch Bennies Anwesenheit wieder aufgerissen.

Kritik

"Nothing like this happened, and everything is true", behauptete Francis Ford Coppola in einem Interview mit dem Time Magazine in Bezug auf "Tetro". Und irgendwie stimmt das auch. Mit 70 Jahren schien es für Coppola Zeit geworden zu sein, bestimmte Erlebnisse aus seinem Leben in einem Film zu verarbeiten, eine Art künstlerisches Output für seine eigenen Erinnerungen zu schaffen – und dennoch, "Tetro" ist kein autobiographisches Werk. Es mag zwar sein, dass auch Coppola Sohn eines Komponisten und Dirigenten gewesen ist und wie Tetro in eine Künstlerfamilie hineingeboren wurde, doch diese Parallelen sind nicht von Relevanz. Denn "Tetro" ist pure Fiktion und trotzdem, wie Coppola sagt, wirkt alles wahr. Aber nicht unbedingt authentisch.

"Tetro" ist ein Arthausfilm, der visuell hervorragend umgesetzt wurde, dabei aber nicht viel Werk auf Authentizität legt. Viele Figuren im Film sind Schablonen, Klischees, die keine wirkliche Tiefe aufweisen, und da gehört Tetro als gebrochener und gescheiterter Künstler mit einem Hang zur Dramatik zweifellos dazu. Er ist der klassische Sohn, der von dem Erfolg und Egoismus seines Vaters unterdrückt wurde und mit seiner Vergangenheit keinen Frieden schließen kann. So wandert er ziellos umher, vom Schicksal gebeutelt, und die Emotionen wirken dabei stets sehr theatralisch, aber nicht realistisch. Doch vielleicht wollte Coppola das auch gar nicht. Mit Vincent Gallo hat er Tetro bewusst durch einen sehr ausdrucksstarken Schauspieler zum Leben erweckt, der die Gefühle des Protagonisten stets direkt und in einem großen Knall zum Ausdruck bringt und dabei gänzlich auf subtiles Schauspiel verzichtet. Sein Gegenüber Alden Ehrenreich ist da schon weitaus facettenreicher. Der Jungschauspieler, für den "Tetro" die erste große Filmproduktion war, brilliert als unschuldiger Bennie, einem Jungen auf der Suche nach Antworten, Akzeptanz und Liebe, der aber gleichzeitig eine Coolness ausstrahlt, die ihn interessant macht. In den Szenen zwischen Gallo und Ehrenreich liegt definitiv eine der Stärken des Films, genauso wie in den Momenten mit Maribel Verdú, die bereits in "Y Tu Mamá También" und "Pans Labyrinth" glänzte. Ihre Miranda ist der Ruhepol des Films, die gute Seele, ohne die die Story nicht funktionieren würde. Miranda hilft den beiden Brüdern, zueinander zu finden und sie ist vor allem eine wichtige Stütze für Tetro, den sie mit unerschütterliche Liebe unterstützt. Darstellerisch ist an "Tetro" also nichts zu bemängeln – bis auf eine Ausnahme: Klaus Maria Brandauer, der seine Sache zwar gut macht, aber als Österreicher mit entsprechendem Akzent für den Part des italo-amerikanischen Patriarchen eine Fehlbesetzung ist. Man nimmt ihm die Rolle des Carlo nur schwer ab und damit geht leider viel am Potential verloren, das die Rückblenden in Tetros Vergangenheit durchaus besitzen.

Die Flashbacks in Tetros Leben sind ein essentieller Bestandteil des Films, die es einem erlauben, dem sonst so wirren und fernliegenden Charakter näher zu kommen. Tetros Seele ist tief verwundet und mit der Zeit entdeckt der Zuschauer auch, warum. Interessanterweise nutzt Coppola für diese Erinnerungssequenzen Farbaufnahmen, während der Rest des Geschehens in Schwarz-Weiß gezeigt wird, und wendet dabei genau dieselbe Technik an wie in seinem Film "Rumble Fish" (1983). Diese Idee geht auch voll auf und macht den Film in optischer Hinsicht zu einem großartigen Werk. Coppola beweist sein geschultes Auge zum wiederholten Male und holt visuell wirklich alles raus. Damit kompensiert er geschickt das Drehbuch, das doch einige Längen aufweist. Gerade das eingeschobene Theaterstück "Fausta" ist viel zu überzogen und gezwungen skurril, und auch die immer wieder eingefügten Bühnensequenzen, in denen das Schicksal der Familie in einer Oper eingebettet vorgeführt wird, ziehen den Film nur unnötig in die Länge. Mit seinen zwei Stunden ist "Tetro" daher eindeutig zu lang und hätte sicherlich um eine halbe Stunde gekürzt werden können, um storytechnisch mehr Dichte zu erreichen und den Spannungsmoment nicht so unnötig hinauszuzögern.

So entfaltet sich die Familiengeschichte Tetros und Bennies langsam, Stück für Stück, und führt den Zuschauer zunächst elegant auf die falsche Fährte, um dann mit einem durchaus überraschenden Twist zu kommen. Letztlich ist es die Familie, die den Dreh- und Angelpunkt des Films bildet und mit ihr eine Geschichte über Verrat und Lüge. Doch um aus dem Film eine wirkliche Tragödie zu machen, fehlt Coppola ganz zum Schluss der Mut.

Fazit

Ein optisch atemberaubender Film, der mit einer großartigen Besetzung aufwarten kann, es dabei aber nicht schafft, Klischees zu vermeiden. Coppolas angeblich "persönlichster" Film bisher glänzt durch die technische Umsetzung und einem hervorragenden Jungstar, aber leider nicht durch eine originelle Geschichte.

Maria Gruber - myFanbase
12.02.2010

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