Bewertung
Philip Martin

Kommissar Wallander - Die falsche Fährte

I have to free her soul!

Inhalt

Ein junges Mädchen läuft verstört durch ein Rapsfeld. Als Kommissar Wallander (Kenneth Branagh) sich ihr nähert, überschüttet sie sich mit Benzin und zündet sich an. Wallander muss diesen entsetzlichen Selbstmord mit ansehen, welcher zunächst in keinem Zusammenhang mit der Mordserie zu stehen scheint, bei der der grausame Täter einen pensionierten Justizminister, einen bekannter Kunsthändler und einen Kleinkriminellen tötet und skalpiert.

Kritik

"Die falsche Fährte" bildet den ersten Teil der britischen Neuverfilmungen der skandinavischen Kriminalromanserie von Henning Mankell, in denen der Charakterdarsteller Kenneth Branagh in die Rolle des Kommissars Kurt Wallander schlüpft. In der Romanreihe ist dies der fünfte Band und, gemeinhin betrachtet, einer der drei besten neben "Die fünfte Frau" und "Mittsommermord". Als Produzent durfte Branagh für die Serie "Wallander", die bisher sechs Episoden umfasst (es gibt weitere Bände in der Romanreihe), im letzten Jahr sogar den BAFTA TV Award für die beste Dramaserie in Empfang nehmen.

Kenneth Branagh, der für seine großen Selbstinszenierungen in den epischen Shakespeare-Verflimungen "Henry V", "Viel Lärm um nichts" und "Hamlet" bekannt ist und auch in großen Produktionen wie "Harry Potter und die Kammer des Schreckens" sowie "Operation Walküre" zu sehen war, wirkt zunächst als Wahl für den heruntergekommenen Kommissar Wallander erstaunlich. Branagh aber wäre nicht der geniale Charakterdarsteller, der er ist, wenn er nicht auch zurücknehmen und absolut reduziert spielen könnte. Kurt Wallander fährt äußerst selten aus der Haut, schwingt niemals große Reden und ist sicherlich kein Selbstdarsteller, sondern ein einsamer Mann mittleren Alters, der mit leichtem Bauchansatz verdrängt, dass er kaum ein Privatleben hat, mit seinen wenigen Familienmitgliedern in schwierigem Kontakt steht und langsam aufs Abstellgleis rutscht. Dies alles nimmt man Branagh bereits in der ersten Szene ab, als er blass und mit Tränensäcken voller Entsetzen mit ansehen muss, wie das Mädchen sich umbringt.

Wie die Wallander-Romane sind auch die Verfilmungen Psychothriller. Was im Buch an breiten inneren Monologen und damit an Einblicken in die Psyche Wallanders geboten wird, stellt der Film ganz gut in einigen ruhigen Szenen da, die nur Wallanders Mimik und sein Verhalten zuhause zeigen. Der Perspektivenwechsel, durch den man im Roman "Die falsche Fährte" auch Einsicht in die Psyche des Täters bekommt, fehlt allerdings weitestgehend im Film, da man im Film die Identität des Täters dabei frühzeitig verraten und somit die Rätselspannung beim Zuschauer verloren hätte, welche eigentlich eher ein Element des Detektivromans oder –films ist. Im Thriller erlebt der Zuschauer die Verbrechen mit, in "Die falsche Fährte" kann man den Täter allerdings nie richtig erkennen und beginnt erst zur Mitte des Films zu erahnen, um wen es sich handelt. Durch die Ungewissheit, ob und wann der Mörder wieder zuschlägt und ob es den Ermittelnden gelingt, ein weiteres Verbrechen zu verhindern, wird die sogenannte Zukunftsspannung erzeugt. Die Figur des Täters verkörpert eine Form der in skandinavischen Krimis häufig anzufindenden Gesellschaftskritik. Wir haben hier das typische Täterprofil des von der tief gespaltenen Gesellschaft Enttäuschten und Entrechteten, der mit dem Verbrechen eine Art Racheakt ausübt.

Es mutet etwas befremdlich an, dass Mankell eine Mordserie nach der anderen im beschaulichen Ystad, einer Kleinstadt in Schonen, Südschweden, ansiedelt. In ihrer Grausamkeit stehen die Morde einander in nichts nach, allerdings verzichtet der Film auf allzu direkte Detailaufnahmen der Opfer, welche in den Romanen in aller grässlicher Ausführlichkeit beschrieben werden. Wallander hat durchaus Sympathien für den Täter, nachdem er durch seine Ermittlungen nach und nach die korrupten Strukturen freilegen kann, die diesen zu den schrecklichen Morden getrieben haben, und auch der Zuschauer gewinnt Sympathien für den Täter, so dass man am Filmende einen weniger schalen Nachgeschmack behält als bei der Romanvorlage.

Wallander gerät nach der Aufklärung des Falls in schwere Selbstzweifel und fragt sich, ob er eigentlich noch auf der richtigen Seite kämpft, dieses Motiv zieht sich durch die gesamte Buch- und Filmreihe und macht Wallander zu einem sympathischen Menschen, da sich dabei zeigt, dass er kein abgebrühter Ermittler ist, sondern ein warmherziger Mensch, der Gefühle zeigt. Das Unverständnis über die menschenfeindlichen und gewalttätigen Entwicklungen der Gegenwart lässt Wallander zu einem etwas altmodisch denkenden und traditionalistischen Menschen werden, mit dem sich nicht nur Zuschauer aus der Generation Wallanders identifizieren können.

Nicht unerwähnt bleiben soll auch Nicholas Hoult, der hier als Sohn eines der Opfer zu sehen ist. Hoult gewann mit elf Jahren den Phoenix Film Critics Society Award für seine Hauptrolle in "About a Boy" neben Hugh Grant und überzeugte als junger Erwachsener in der von Kritikern hochgelobten britischen Jugendserie "Skins". In "Die falsche Fährte" verleiht er seinem Charakter Tiefe durch zufällig wirkende und doch gezielte Fragen, die er Wallander stellt. Mit seinem großen, schlaksigen Körper wirkt der 18-Jährige Hoult wie ein zu groß geratener Junge, was zusammen mit seinen traurigen Augen die Tragik seiner Figur optisch nochmal unterstreicht, da er die zerrüttete Welt seiner Familie auf seine Schultern nehmen wollte.

Fazit

Im Vergleich zu den bisherigen Wallander-Verflimungen mit Rolf Lassgård etwas weniger direkt, dafür aber auch nicht ganz so hoffnungslos und brutal. Krimifans kommen ebenso auf ihre Kosten wie die Fans von Kenneth Branagh.

Nicole Oebel - myFanbase
23.02.2010

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