Bewertung
Jens Lien

Anderland

Andreas: "Ich habe eine Andere kennen gelernt. Ich werde dich verlassen."
Anne Britt: "Wirst du denn vor Samstag gehen?"
Andreas: "Ich kann bis Samstag noch bleiben wenn du willst."
Anne Britt: "Das wäre schön."

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Inhalt

Mitten in der Einöde hält ein Bus und sein einziger Passagier steigt aus. Er heißt Andreas (Trond Fausa Aurvaag) und hat keinerlei Erinnerungen, wo er hergekommen ist. Ein fremder Mann heißt ihn willkommen, fährt ihn in eine anonyme Großstadt und weist ihm einen Bürojob und eine einfache Wohnung zu. Andreas lässt sich zunächst auf das neue, merkwürdige Leben ein, in dem Speisen nach nichts schmecken, Alkohol nicht wirkt und die Menschen kühl und oberflächlich sind. Mit Anne Britt (Petronella Barker) geht er eine Beziehung ein, die sich wie alle anderen nur für Innendekoration zu interessieren scheint.

Doch ihre Gefühllosigkeit und der mechanische Sex treiben ihn schnell in die Arme von Arbeitskollegin Ingeborg (Birgitte Larsen), in die er sich verliebt. Als Andreas Anne Britt schließlich verlässt und mit Ingeborg zusammen ziehen will, erfährt er von ihr, dass sie noch mit drei weiteren Männern schläft. Diese wären genauso nett wie er, doch sie würde gern mit ihm zusammenziehen, da sie dann eine größere Wohnung mit Badewanne hätten. Ohne Hoffnung an diesem Ort Liebe finden zu können, wirft sich Andreas vor einen Zug. Doch auch der Tod scheint Anderland zu meiden...

Kritik

Ursprünglich war Anderland (orig. Den Brysomme mannen, dt. Der lästige Mann) ein Radiohörspiel vom norwegischen Autor Per Schreiner, das dieser in ein Drehbuch umschrieb. Regisseur Jens Lien, der schon zuvor Geschichten von Schreiner als Kurzfilme realisiert hatte, war von der düsteren Dystopie begeistert und machte aus ihr seinen zweiten Langfilm – mit Erfolg. Fünf Nominierungen für eine Amanda (den norwegischen Filmpreis) erhielt Anderland, unter anderem für den besten Film, und gewann drei, darunter auch für die beste Regie. Aber auch international wurde Liens Film auf vielen Festivals gezeigt, so auch in Cannes. Dort erhielt der Regisseur den ACID Award für seine Leistung. Denn optisch und schauspielerisch ist "Anderland" durchaus sehr beeindruckend.

Beginnend mit wunderbar beklemmenden Bildern der Ödnis, in der Andreas ankommt, wird gleich eine verstörende Atmosphäre erzeugt, die den Zuschauer zu fesseln weiß. Die sterile Optik der Großstadt führt dies fort und bringt zum Teil sogar schaurige Momente mit sich. Auch der großflächige Verzicht auf Musik oder viele Geräusche tragen zur fast unheimlichen Stimmung bei. Besonders grotesk und schockierend wirkt die Darstellung jedoch in kurzen Splattereinlagen: Eine Papierschneidemaschine trennt einen Daumen ab, ein Mann wird auf einem Zaun aufgespießt und Andreas mehrmals vom Zug überfahren. Kann man machen, musste man bei diesem Film aber nicht. Zartbesaitete Zuschauer sollten an diesen Stellen wegsehen.

Doch nicht nur Jens Lien ist für die formale Ebene kein Vorwurf zu machen, sondern auch dem norwegischen Schauspielensemble. Trond Fausa Aurvaag spielt gekonnt den Protagonisten, der ohne Erinnerungen in einer kühlen, fremden Welt auf der verzweifelten Suche nach Glück ist und erhält dafür eine Amanda als bester Schauspieler. Aber auch Petronella Barker und Birgitte Larsen spielen die Frauen in Andreas Leben erschreckend zombiehaft – so wie es in "Anderland" sein muss.

Die Fehler der Dystopie liegen auf der Erzählebene. Zu selten wird das langsame Tempo des Films beschleunigt, sodass die Geschehnisse in der tristen Großstadt manchmal langweilen. Außerdem ist die Satire zwar sehr bissig, aber nicht wirklich subtil. Man weiß immer sofort, worauf Autor Schreiner hinaus will und wohin die Story führt. Viel zu viele Szenen zielen nur darauf ab, die Emotionskälte der Einwohner Anderlands zu zeigen und dies auch nicht in vielen Variationen. Dennoch bietet das Drehbuch genug Spannung, denn besonders gegen Ende wünscht man sich sehnlichst, dass Andreas die Flucht aus der Alptraumwelt gelingt.

Fazit

Jens Lien erweckt eine gefühlstote Welt in beeindruckender Weise zum Leben. Der Story hingegen fehlt es an Lebendigkeit.

Markus Hauschild - myFanbase
01.03.2010

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