Bewertung
Jean-Pierre Jeunet

Mathilde - Eine große Liebe

"Wenn ich bis sieben gezählt habe und der Zug ist nicht in einen Tunnel eingefahren oder der Kontrolleur nicht gekommen, dann ist Manech tot."

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Inhalt

1917, zur Zeit des Ersten Weltkriegs auf dem Schlachtfeld von Verdun: Fünf wegen Selbstverstümmelung zum Tode verurteilte Soldaten gehen in einem der französischen Schützengräben ihrer vermeintlichen Hinrichtung entgegen. Unter ihnen befindet sich der junge Manech (Gaspard Ulliel).

1920, nach Kriegsende: Die Vollwaise Mathilde (Audrey Tautou), seit einer Erkrankung an Kinderlähmung leicht gehbehindert, weigert sich, an den Tod ihres Verlobten Manech zu glauben. Als sie erfährt, dass das Urteil nie vollzogen und die Männer stattdessen im Niemandsland zwischen den französischen und deutschen Stellungen ihrem Schicksal überlassen wurden, sieht Mathilde ihre Hoffnungen bestätigt. Von nun an beginnt eine intensive Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des Geliebten. Doch kann er wirklich überlebt haben?

Kritik

Grausamer Kriegsfilm und zugleich poetische Liebegeschichte. Was widersprüchlich anmutet, verwebt sich in der Romanverfilmung "Mathilde – Eine große Liebe", dessen literarische Vorlage von Sébastien Japrisot stammt, zu einer zutiefst bewegenden und visuell überwältigenden Einheit. In der Hauptrolle brilliert Audrey Tautou, die durch "Die fabelhafte Welt der Amélie" international berühmt wurde und hier erneut mit Regisseur Jean-Pierre Jeunet zusammenarbeitete. Kamera und Ausstattung erhielten eine wohlverdiente Oscar-Nominierung.

Da unchronologisch erzählt, fordert der Film dem Publikum einiges an Aufmerksamkeit ab, zumal er mit einer Vielzahl von Figuren und kleinen Nebenhandlungssträngen aufwartet. Es fasziniert zu sehen, mit welch offensichtlicher Hingabe Wert auf eine detailreiche Ausgestaltung bei jenen gelegt wurde. So wird beispielsweise in den ersten zehn Minuten kurz auf packende Weise die Hintergrundgeschichte der fünf Verurteilten erläutert.

Großartig, wie allen Personen individuelle Eigenschaften verliehen werden. Ein so skurriler Typ wie der Privatdetektiv Germain Pire wirkt nicht wie ein Fremdkörper, sondern fügt sich wie selbstverständlich in den verzweigten Figurenkosmos ein. Angesichts des ernsten Grundthemas mag es erstaunen, doch selbst Szenen feindosierten Humors finden ihren Platz in "Mathilde".

Bei der Darstellung des Stellungskrieges verzichtet Jeunet auf eine unnötige Romantisierung. Die Bilder, welche er stattdessen für die Sinnlosigkeit und den Wahnsinn der Kampfhandlungen findet, erweisen sich als derartig aufwühlend, dass man sich als Zuschauer nahezu ohnmächtig fühlt. Granaten, Maschinengewehre und Beschuss aus der Luft sorgen für Tote und Verletzte unter den Franzosen. Ihr Feind bleibt dabei immer gesichtslos. Nur einmal wird ein deutscher Militärangehöriger gezeigt, doch als Pilot trägt er eine Fliegermaske. Es ist der Krieg an sich, den der Film anprangert. Eine simple Gut-Böse-Einteilung der beiden am menschenverachtenden Geschehen beteiligten Parteien kennt er nicht.

So stark wie Mathildes Vertrauen in ein zukünftiges Wiedersehen mit Manech fällt auch das Spiel Tautous aus. Sie strahlt trotz ihrer Beinschienen eine solche Kraft aus, dass man gar nicht anders kann, als bei Mathildes Nachforschungen mitzufiebern und sie für ihre Unbeirrbarkeit zu bewundern, egal wie naiv diese manchmal erscheinen mag. Auch Gaspard Ulliel verdient als Manech großes Lob. In Nebenrollen liefern Jodie Foster als Soldatenwitwe und die spätere Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard als rachsüchtige Hure eine glänzende Leistung ab. Gleiches lässt sich von allen restlichen Mimen behaupten.

Erst am Ende klärt sich das Geheimnis um den Verlobten vollständig auf. Bis dahin darf der Zuschauer rätseln und sich überlegen, wem er glauben will: Mathilde oder ihrem skeptischen Umfeld. Zu welcher der Auffassungen man selbst im Verlauf des Films auch kommen mag; es ist so richtig spannend, Mathilde beim Zusammensetzen der einzelnen Puzzlestücke zu begleiten.

Fazit

Aufwühlendes Kriegs- und Liebesdrama, das sein Publikum von den ersten Szenen an packt und nicht wieder los lässt. Meisterhaft inszeniert besticht der inhaltlich komplexe und optisch imposante Film durch einen ganz eigenen Erzählstil voller Details. Zudem exzellent gespielt und vollkommen kitschfrei. Hervorragend!

Maren Langos - myFanbase
13.03.2010

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