Bewertung
Hans W. Geißendörfer

In der Welt habt ihr Angst

"In der Welt habt ihr Angst. Aber seit getrost, ich habe die Welt erlöst." – Bach-Kantate Nr. 48

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Inhalt

Eva (Anna Maria Mühe) und Jo (Max von Thun) könnten eigentlich kaum unterschiedlicher sein. Sie, das wohl erzogene junge Mädchen aus gutem Hause und er, der Junkie. Doch trotzdem funkt es zwischen den beiden und die Geschichte nimmt ihren Lauf. Liebe verändert einfach alles und so ist Eva auch nicht mehr bereit, sich an die Prinzipien ihres Elternhauses zu halten und will das fühlen, was auch Jo fühlt. Sie beginnt mit ihm gemeinsam eine Drogenkarriere und nun sind sie da – am Point of No Return. Jo und Eva können nicht mehr zurück – zu gut wissen beide, dass das normale Leben für sie nicht mehr möglich ist. Sie wollen nach Neuseeland, auch um dem noch ungeborenen Kind von Eva eine Zukunft ohne Drogen zu ermöglichen. Der kalte Entzug soll helfen und so überfallen sie gemeinsam einen Antiquitätenladen, um das nötige Geld zu besorgen. Doch es geht etwas schlief und plötzlich sind sie Kilometer voneinander entfernt, er im Gefängnis und sie auf der Flucht. Bei dem Lateinlehrer Paul (Axel Prahl) nistet sich Eva ein, um sich einen Plan zu überlegen, ihren Liebsten freizubekommen...

Kritik

Wenn man auch noch so scharf nachdenkt, es scheint kaum Filme zu geben, deren Geschichte sich kritisch mit dem Thema der Drogenabhängigkeit befasst. Dass der deutsche Film und seine Förderer dies jedoch auch nicht ändern wollen, zeigt das Beispiel von "In der Welt habt ihr Angst". Der Film, der in Deutschland gedreht wurde, hat außer der regulären Förderung des deutschen Filmbundes keine Zusatzförderung erhalten. Auf eine Geschichte mit Alkoholkranken würde man sich einlassen, aber nicht mit Junkies, hieß es in den Begründungen.

Dabei scheint den Entscheidungsträgern hier zumindest der Sinn dieses Films nicht ganz klar zu sein, denn obwohl der Film sich um Drogen dreht und das Thema auch durchaus nicht ausgeschwiegen oder verheimlicht wird, so ist der Film doch weit mehr als nur einer über Drogen. Es geht um Liebe. Genauer um die Liebe zweier Menschen. In drei Geschichten wird die Liebe hier dem Zuschauer näher gebracht.

Einmal in der Gestalt von Jo und Eva, die sich gemeinsam in größte Höhenlagen spritzen, um wenig später wieder gemeinsam runterzukommen und sich zu versprechen, dass es das letzte Mal war. Obwohl sie nur noch für die Sucht leben, nach der Droge lechzen und jede einzelne Körperzelle die Droge zu wollen scheint, ist es auch die Liebe zueinander, die sie aufmuntert und für die sie bereit sind, alles durchzustehen. Eine andere Liebe ist die Liebe zwischen Eva und ihrem Vater. Die zutiefst erschütterte Beziehung zwischen dem Vater, der nichts mehr möchte, als seine kleine Tochter zurück zu bekommen, und der Tochter, die um die Unterstützung und die Liebe ihres Vater buhlt, ist eine tragische und gleichzeitig das Highlight des Films. Auf wunderbare Weise erzählt fühlt man gerade mit dem Vater mit, der weiß, dass er seine Tochter verloren hat und den Kampf um sie doch nicht aufgeben möchte. Und dann ist da noch Paul, der mit seiner Frau eine tiefe Krise durchlebt und sie doch stets liebt. Damit sei gesagt, dass hinter der Fassade von Drogen, Entzug und dem Absurden Gedanken eines Entzuges in Neuseeland doch das große L-Wort steht, das ja bekanntlich Berge versetzen kann.

Regisseur Geißendörfer gelingt es dabei, genau diesen Aspekt niemals aus den Augen zu verlieren und zumindest in den ersten 60 Minuten fesselt der Film allein damit enorm. Leider verliert sich das dann in der zweiten Hälfte und der Film zieht sich über weite Strecken relativ ununterhaltsam hinweg. Große Szenen lassen auf sich warten und obwohl die Sehnsucht der Liebenden auch immer noch zu spüren ist, passiert nicht genug, um noch feurig mitzufiebern.

Damit sei aber auch schon der einzige große Fehler des Drehbuchautors, Regisseurs und Produzenten Geißendörfer angesprochen. Denn gerade auch in der Wahl des Scores, als auch in der Wahl der Darsteller hat er ganze Arbeit geleistet. So sagt eigentlich schon der Titel, dass wir hier keine peppige, lustige Musik, sondern ernste und ruhige Töne zu erwarten haben. Denn nach der Bach-Kantate Nr. 48 benannt bleibt der Film diesem Stil treu und verliert sich dabei nie.

Obwohl es eigentlich ein gemeinsamer Film mit ihrem – mittlerweile verstorbenen – Vater sein sollte, bliebt Anna-Maria Mühe dem Projekt treu und zeigt wieder einmal, dass sie es gerade in den dramatischen Szenen mit scheinbarer Leichtigkeit schafft, zu überzeugen. Emotional und großartig zeigt sich auch Max von Thun, der für die Rolle 12 Kilo abnahm und wohl selten hässlicher im Kino zu sehen war. Gerade in den gemeinsamen Szenen überzeugen die beiden und versprühen eine unglaublich tolle Chemie. Ebenso wie Mühe und ihr Filmvater Zischler, in deren Szenen auch immer die Verzweiflung und die Angst mitfließt, die der Zuschauer quasi aufsaugen kann. Ebenso großartig spielt Axel Prahl in der Rolle des Pauls, der auch gerade neben Mühe aufzutrumpfen scheint.

Eine wunderbare Wahl traf Geißendörfer auch, als er neben den Darstellern die Stadt Bamberg als weiteren Bestandteil in den Film setzte. Mit großartigen Bildern der Stadt, ihrer Häuser und Gassen und der Landschaften bildet die Stadt ein wunderbares Zuhause für diese Geschichte.

Fazit

Obwohl es an der Inszenierung und auch an den Darstellern wenig auszusetzen gibt, kann "In der Welt habt ihr Angst" dann doch nicht auf ganzer Linie überzeugen.

Eva Klose - myFanbase
02.03.2011

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