Bewertung
Emmanuelle Bercot

Studentin, 19, sucht...

"Und was studierst du?"

Foto: Copyright: AL!VE AG
© AL!VE AG

Inhalt

Erwartungsfroh steht Laura (Déborah François) vor einem neuen Abschnitt in ihrem Leben. Gerade hat sie ein Studium der Fremdsprachen aufgenommen, um sich auf das Leben als Übersetzerin oder Dolmetscherin vorzubereiten. Sie ist fleißig, engagiert und arbeitet neben dem Studium noch zusätzlich in einem Call-Center. Trotzdem kommt sie finanziell kaum über die Runden. Als sie eines Tages aufgrund mangelnder Nahrungszufuhr in einer Vorlesung zusammenbricht, sieht sie sich gezwungen, sich nach einem zweiten Nebenjob umzusehen. Dabei wird sie im Internet auf Anzeigen aufmerksam, in denen Männer bereit sind, Frauen für zärtliche Stunden zu zweit zu bezahlen.

Kritik

Im Jahr 2008 erschienen auf dem deutschen Buchmarkt gleich zwei Werke, die sich mit einem im gesellschaftlichen Diskurs wenig beachteten Thema auf bestürzend ehrliche Weise auseinandersetzen. Sowohl in Sonia Rossis autobiographischem Erlebnisbericht "Fucking Berlin: Studentin und Teilzeit-Hure", als auch in dem ebenfalls auf wahren Tatsachen beruhenden, französischen, autobiographischen Werk "Mein teures Studium: Studentin, 19 Jahre, Nebenjob: Prostituierte" ging es um das tabuisierte Thema Studentenprostitution. Aus dem französischen Werk machte die Regisseurin Emmanuelle Bercot nun auch einen Film, der sich die Erlebnisse der 19-jährigen, französischen Studentin Laura B. annimmt und diese filmisch verarbeitet. Entstanden ist ein drastischer, provokativer Film, welcher angereichert ist mit zahlreichen gnadenlos-realistischen Sexszenen, die an manchen Stellen kaum zu ertragen sind. Leider vergisst Bercot in der ganzen drastischen Darstellung sexueller Ausbeutung das Innenleben ihrer Hauptprotagonisten näher auszuleuchten.

Gerüchten zufolge soll es in Frankreich bis zu 40.000 junge Studenten geben, welche sich ihr Studium durch Prostitution finanzieren. Diese Angabe ist schwer zu bestätigen, da viele diesen Job im Geheimen ausüben und oftmals weder die Familie noch die Freunde über dieses Doppelleben Bescheid wissen. Laura B. ging aber mit ihren Erlebnissen an die Öffentlichkeit und schrieb ein Buch über ihr Leben als studentische Teilzeitprostituierte, und löste damit nicht nur in ihrem Heimatland Frankreich einen Skandal und tiefe Erschütterung aus.

In einer der ersten Szenen des Films bricht Hauptfigur Laura in ihrem Hörsaal aufgrund von Unternährung zusammen, da ihr Geld aus einem Nebenjob im Call-Center für vernünftige Nahrung nicht ausreicht. Erschütternd, aber leider werden zu keinem Zeitpunkt die Hintergründe des französischen Bildungssystems näher erläutert. Wie kommen die anderen Studenten zurecht, dessen Eltern nicht in der Lage sind, finanzielle Unterstützung zu liefern? Auf eine Antwort wartet man als Zuschauer vergebens. Schon nach ganz kurzer Zeit befindet sich Laura mitten in der Welt der Prostitution. Und von da an reiht der Film eine verstörende Sex-Szene an die nächste. Immer hält die Kamera schonungslos drauf, auch in Momenten, wo Andeutungen wohl einen wesentlich stärkeren Effekt gehabt hätten.

Leider gelingt es Regisseurin Bercot auch nicht, näher auf die lebensweltlichen Umstände von Laura einzugehen. Ihr familiärer Hintergrund wird nur leicht angedeutet, genau wie ihr studentisches Leben und ihr Alltagsleben. Warum sie immer wieder zu dem Freier Joe (Alain Cauchi) zurückkehrt, ein sogar fast freundschaftliches Verhältnis zu ihm aufbaut, obwohl er sie permanent aufs grausamste Art erniedrigt, bleibt unklar. Auch auf die Beziehung zu einem Anfang-30-jährigen arbeitslosen Herumtreiber, der mit ihrem Nebenjob zunächst keine Probleme zu haben scheint, bleibt an der Oberfläche. Nachhaltig im Gedächtnis bleibt hingegen die Leistung der Hauptdarstellerin Déborah François, welche die Verzweiflung Lauras fast greifbar macht.

Fazit

Bercots Werk ist ein filmgewordener moralischer Zeigefinger ohne jegliche erzählerische Substanz. Fokussiert wird fast ausnahmslos auf die drastisch inszenierten Sex-Szenen. Doch was dieses junge Mädchen außer Geld noch antreibt, warum sie so lange von der Prostitution nicht loszukommen scheint, warum sie sich nicht helfen lässt und wie sie dieses Geheimnis so lange vor ihren Freunden geheim halten kann, bleibt unklar.

Moritz Stock - myFanbase
05.10.2011

Diskussion zu diesem Film