Liebe
"Diese Liebe erträgt alles, sie glaubt alles,
sie hofft alles und hält allem stand." – 1 Kor 13
Inhalt
Georges (Jean-Louis Trintignant) und Anne (Emmanuelle Riva) sind über 80 Jahre alt, pensionierte Musikprofessoren und verbringen ihren gemeinsamen Lebensabend in Paris, während ihre Tochter Eva (Isabelle Huppert), ebenfalls Musikerin, mit ihrer Familie im Ausland lebt. Eines Tages hat Anne unerwartet einen Schlaganfall, der das Leben des Ehepaares völlig aus der Bahn wirft und ihre Liebe auf eine harte Probe stellt...
Kritik
Es ist ein enorm ausdrucksstarkes, ja fast schon unermessliches Wort, das Michael Haneke als Titel für seinen neuesten Film ausgewählt hat. Liebe – was ist das schon? Wie definiert man sie? Was macht sie aus? Der deutsch-österreichische Regisseur widmet sich nach seinem eindrucksvollen Soziogramm eines norddeutschen Dorfes in "Das weiße Band" der lebenslangen Gemeinschaft zweier Personen, deren Fürsorge, Zuneigung und Zusammenhalt trotz schwierigster Umstände dem Kern des Wortes Liebe sehr nahe kommen.
"Liebe" ist ein zweistündiges Kammerspiel, das vom Zuschauer nicht nur sehr viel Geduld abverlangt, sondern auch die Kraft, zwei sich liebenden Menschen dabei zuzusehen, wie sie einander verlieren und gar nichts dagegen tun können. Nach ihrem Schlaganfall ist Anne halbseitig gelähmt und kann ohne fremde Hilfe nichts mehr tun. Für eine vitale und selbstständige Frau wie Anne ist dies eine unglaubliche Tortur, eine Scham. Sie zieht sich immer mehr zurück, verliert zusehends ihren Lebensmut und möchte einfach nur, dass ihr Leben endlich vorübergeht. Georges kann nur hilflos mitansehen, wie seine Versuche, Anne aufzuheitern, scheitern. Es ist nicht der tägliche Aufwand, den er aufbringen muss, um Anne mit den grundlegendsten Dingen wie Waschen, Ankleiden und Essen zu versorgen, welcher für ihn eine Qual ist – nein, es ist Annes mentaler Zustand, der immer depressiver wird und gegen den er nichts tun kann. Nach einem zweiten Anfall, wird die Situation noch desolater und steuert auf das unausweichliche Ende zu.
Die Verzweiflung der Charaktere, ihre Hilflosigkeit und gleichzeitig ihr einziger Rettungsanker, nämlich ihre Liebe zueinander, wissen die zwei Schauspielveteranen Emmanuelle Riva und Jean-Louis Trintignant mühelos zu transportieren. Sie spielen ein Paar, das nach Jahrzehnten gemeinsamen Lebens nicht mehr viele Worte oder Gestiken braucht, um zu kommunizieren und um sich zu sagen, dass sie einander wichtig sind. Während Riva die Herausforderung glorios meistert, die psychische und physische Degeneration Annes überzeugend darzustellen, wird es für den Zuschauer fast schon schmerzlich, Trintignants Figur Georges zu- und beizustehen, wie er für seine Frau sorgen muss. Georges' Aufopferungsgabe ist beeindruckend, gleichzeitig wird er aber keinesfalls als Heiliger dargestellt, sondern als ein Mann, der hadert, kämpft und schließlich verzagt.
Für den Zuschauer ist "Liebe" dabei ein eigenartiges, teilweise schockierend geratenes Filmwerk, das viel Geduld und viel Emotion abverlangt. Denn Haneke nimmt sich Zeit für Details, für die qualvollen Details, die das Leben eines alten, pflegebedürftigen Menschen bestimmen. Damit spiegelt der langsame, handlungsarme Verlauf den Kern des Films schonungslos wider: Liebe braucht Zeit, Ausdauer, Geduld, Selbstlosigkeit und das bis zum bitteren Ende. Daher ist eine gewisse Langatmigkeit des Films nicht zu leugnen. Doch es ist klar, dass Haneke genau diese erzielen will und muss, um seine Geschichte überzeugend zu erzählen. Darin überträgt er die Herausforderung Annes und Georges' auf den Zuschauer, der sich dieser mit ihnen stellen muss.
Fazit
Mit "Liebe" ist Michael Haneke ein weiteres beeindruckendes Filmwerk gelungen, das eine Huldigung an die Macht der Liebe ist, ohne je dem Pathos zu verfallen. Mit schmerzlicher Detailtreue dokumentiert er die letzten Wochen eines Menschen bis zum Tod und erzählt damit eine Geschichte von universeller Bedeutung. Das Ende wird so manch einen in tiefe Nachdenklichkeit versetzen und die Frage, was Liebe ist, für die einen beantworten und für die anderen neu aufwerfen.
Maria Gruber - myFanbase
08.09.2012
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: AmourVeröffentlichungsdatum (Deutschland / Frankreich / Österreich): 20.05.2012
Veröffentlichungsdatum (DE): 20.09.2012
Länge: 125 Minuten
Regisseur: Michael Haneke
Drehbuchautor: Michael Haneke
Genre: Drama
Darsteller/Charaktere
Emmanuelle Riva
als Anne
Jean-Louis Trintignant
als Georges
Isabelle Huppert
als Eva
Alexandre Tharaud
als Alexandre
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