Bewertung
Kim Ki-duk

Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers

"Ich kann gerade keine Filme machen. Also filme ich mich selbst."

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Inhalt

Nachdem es am Set zu seinem Film "Dream" fast zu einem tragischen Todesfall kommt, verfällt der international hochangesehene koreanische Regisseur Kim Ki-duk in eine Schaffenskrise und Depression. Er zieht sich für drei Jahre in eine Hütte ohne eigenes Badezimmer zurück, wo er aufgrund der eisigen Kälte innen in einem Zelt schlafen muss. Kim Ki-duk interviewt sich selbst oder hält lange Monologe, mit denen er versucht, seiner eigenen Sinnkrise habhaft zu werden. Währenddessen filmt er sich selbst.

Kritik

Ein Film wie "Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers" ist aus vielerlei Gründen höchst ungewöhnlich. Weshalb filmt sich ein Regisseur, der mit Meisterwerken wie "Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling" und "Bin-Jip" wie kein anderer dem koreanischen Film zu internationalem Ansehen verhalf, in seinen dunkelsten Momenten selbst? Wie kann jemand wie er überhaupt in eine derart schwere Krise verfallen? Vor allem aber: Wieso existiert ein derartiges Werk überhaupt, gelangt dann auch noch in die Kinos dieser Welt und staubt nebenher bei den Filmfestspielen von Cannes 2011 auch noch den "Un Certain Regard"-Preis ab?

Eine Antwort auf die letzte Frage zu finden, ist vielleicht am einfachsten – weil Kim Ki-duks Seelenstriptease so viel mehr ist als die Dokumentation über das temporäre Eremitendasein eines Filmemachers. Sie gibt Einblick in das Innere eines höchst sensiblen und immer wieder die Einsamkeit suchenden Menschen, der aufgrund traumatischer Erfahrungen nicht in der Lage ist, seiner Passion – dem Dreh eines Spielfilms – nachzugehen. Und dennoch ist ein Film entstanden, der fast nicht das Licht der Welt erblickt hätte. Denn Kim Ki-duk hatte ursprünglich mitnichten vor, ihn auch tatsächlich zu veröffentlichen. Stattdessen nutzte er die kathartische Wirkung von lediglich mit einer simplen Digitalkamera aufgenommenen Selbstbekenntnissen, um sich selbst zu heilen und sich aus der eigenen Misere zu befreien.

Die Gründe dafür, weswegen er überhaupt in diese Situation gekommen ist, die ihn für drei Jahre nahezu komplett von der Außenwelt abschnitt, werden durch Kim Ki-duks Äußerungen während des Films auch schnell erörtert. In einer Szene seines damals aktuellen Werks "Dream" erhing sich die Hauptdarstellerin fast und wurde von Kim Ki-duk persönlich im allerletzten Moment gerettet, bevor es zu spät war. Dies schockierte ihn nachhaltig, was normales Arbeiten im Anschluss kaum möglich machte. Dazu kam, dass einige Kollegen Kim Ki-duks, mit denen er jahrelang eng zusammenarbeitete und sie förderte, ihm den Rücken kehrten. Trotz zahlreicher anders lautender Verkündungen (auch den Medien gegenüber) hat er dies immer als eine Form von Verrat empfunden. Und so sah er sich nicht nur unfähig, weiter Spielfilme zu drehen, was für jemanden, der vorher wie am Fließband jährlich Filme ablieferte, höchst ungewöhnlich war, sondern schlitterte auch in eine persönliche Krise, die sich zu einer handfesten Depression entwickelte.

Also filmt er sich selbst. Wie er sich Essen zubereitet, sich selbst eine Kaffeemaschine bastelt, eine zugelaufene Katze füttert, vor allem aber wie er sich selbst interviewt – entweder direkt als sein Gegenüber oder als sein eigener Schatten – und dabei versucht, sich selbst wiederzufinden. Er beschimpft sich selbst und das Publikum, singt, schreit und kreischt ein koreanisches Volkslied, das dem Film seinen Namen gibt, und weint, als er sich sein Meisterwerk "Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling" ansieht und sich bewusst wird, dass er sich damals auf dem Gipfel seines Schaffens befand, während er nun in einer Hütte ohne eigenes Badezimmer herumvegetiert. Persönlicher kann ein Film nicht mehr sein, und wenn man nicht gerade Zeuge eines überwältigenden Dokumentarfilms wäre, man würde dem vermeintlichen Hauptdarsteller mit all seinen Gefühlsausbrüchen jeden Filmpreis dieser Welt wünschen.

Man muss Kim Ki-duk nicht kennen, um sich von der Wucht von "Arirang – Bekenntnisse eines Filmemachers" mitnehmen zu lassen und schlicht ergriffen zu fühlen. Aber selbstverständlich hilft es, wenn man den höchst ungewöhnlichen Schritt der Selbstdokumentation mit dem bisherigen Schaffen eines absoluten Meisterregisseurs konnotiert, der einen intimen Einblick in die Ängste eines Menschen gibt, der Filme machen muss, um mit sich selbst ins Reine zu kommen. Und siehe da, der nach dreijähriger Schaffenspause entstandene aktuelle Film "Pietà", der eigenen Aussagen zufolge für den Neubeginn seiner Karriere steht, gewann als erster koreanischer Beitrag überhaupt den Goldenen Löwen, den Hauptreis der 69. Filmfestspiele von Venedig, und geht als Beitrag Südkoreas ins Rennen um den besten fremdsprachigen Film bei den Oscars 2013.

Fazit

"Arirang - Bekenntnisse eines Filmemachers" ist intensiv, in seiner Melancholie ansteckend und vielleicht der persönlichste Film, der es je in die Kinos geschafft hat. Vor allem aber ist er der Beweis dafür, dass das Medium Film auch mit der gewonnenen Unabhängigkeit, seine eigene Vision mit wenig Budget und einer minimalen Ausstattung selbst visualisieren zu können, mehr Relevanz denn je besitzt.

"Nopan hanure pyoldo manko, urine sallim sari sushimdoman ta" ("Am hohen Himmel stehen so viele Sterne, in unserem Leben gibt es so viel Kummer")

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Andreas K. - myFanbase
15.12.2012

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