Bewertung
Matt Johnson

Dirties, The

"You're acting! You're always acting!"

Inhalt

Matt (Matt Johnson) und Owen (Owen Williams) sind beste Freunde, Film-Fanatiker und Außenseiter an ihrer Schule. Täglich sind sie Schikanen der "Dirties" ausgesetzt, einer Gruppe von Schülern, die den beiden das Leben schwer machen. Als sich Matt und Owen dazu entschließen, eine Komödie zu drehen, die davon handeln soll, wie Rache gegenüber Schultyrannen verübt wird, finden beide eine Beschäftigung, die ihnen Spaß macht und sie teils auch näher zur Schule und ihren Beteiligten bringt. Doch einer der zwei sieht mehr darin als ein Filmprojekt, was verheerende Auswirkungen hat.

Kritik

Kevin Smith, Silent Bob, Regisseur und Drehbuchautor von Genreperlen wie "Dogma", den beiden "Clerks"-Teilen oder auch der Komödie "Zach and Miri Make a Porno" hat in seinem Filmclub "The Dirties" als "den wichtigsten Film, den du im gesamten Jahr sehen wirst" bezeichnet. Hierbei fungiert er auch als Co-Produzent des Debüts von Matt Johnson, was gemeinsam mit diversen Auszeichnungen, wie unter anderem dem "Grand Jury Prize" für die beste Erzählung beim diesjährigen Slamdance Film Festival, einer weniger glattpolierten Ausgabe des Sundance Film Festivals, zu vergleichsweise viel Aufmerksamkeit geführt hat. Dies vor allem vor dem Hintergrund eines kanadischen Filmprojektes mit einem Budget von gerade einmal $ 10.000 CAN. Die Bedeutung eines Films über das tägliche Mobbing an öffentlichen Einrichtungen, wie in diesem Fall einer Schule, ist sicherlich vorhanden, allein aufgrund der thematischen Relevanz. Ebenso ist der Versuch zu loben, offen und ohne inszenatorische Spielereien, die eher manipulatorischer Art wären, Beweggründe für Gewalttaten zu finden. Und dennoch sind die Kritiken in Kanada und den USA tief gespalten, von überschwänglichem Lob bis zu einem eher desillusionierten "War das alles?".

Nein, "The Dirties" möchte keiner dieser Filme sein, die man sich nebenher mal ansieht und dann sofort wieder vergisst. Dementsprechend war es zu erwarten, dass er polarisieren wird. Vor allem aber entfacht er Diskussionen neu, die immer wieder nach öffentlichen Tragödien aufflammen, um dann nach wenigen Tagen der medialen Ekstase wieder gelöscht zu werden und keine nennenswerte Bedeutung mehr aufzuweisen. Daher hat Kevin Smith durchaus recht, wenn er sagt, dass der Film wichtig sei, allein schon für den Diskurs, den er fördert. Aber ist er deswegen auch tatsächlich ein filmisches Werk, das man als insgesamt gut bezeichnen würde? Inszenatorisch macht Regisseur, Co-Drehbuchautor und Hauptdarsteller Matt Johnson vieles richtig und nimmt durch den dokumentarischen Stil gleich zu Beginn die Distanz zum Geschehen, die der Zuschauer sonst erst überwinden muss. Man hat tatsächlich zu Beginn nicht das Gefühl, einem Film beizuwohnen, sondern vielmehr dem realistischen Ausschnitt des Lebens von zwei Jungs, die weiter versuchen, ihre Identität zu finden und sich hierbei gegenüber der Außenwelt artikulieren möchten.

Dass das gerade in dem Alter, in dem die Hauptpersonen sind, nicht immer wohldurchdacht, fehlerfrei oder sonderlich anmutend für das Umfeld sein muss, ist hierbei nur logisch. Schade ist jedoch, wenn Matt als treibende Kraft des Films im Film derart unsympathisch ist, dass das Publikum echte Probleme damit hat, ihn und seine Ängste, seine Wut und im Allgemeinen seine Motivation ernst zu nehmen. Natürlich ist es ein Trugschluss, dass diejenigen, die von Kollegen oder Mitschülern drangsaliert werden, in Wahrheit auch immer wahnsinnig nette und zuvorkommende Menschen mit verborgenen Talenten sein müssen, die einfach nur auf irgendeine Art und Weise der Norm nicht entsprechen und daher abgelehnt werden. Aber Matt ist egoistisch, in seinem äußerst abschätzigen Urteil gegenüber seinen Mitmenschen nicht besser als diejenigen, die ihn quälen und auch nicht gerade der zuvorkommendste und verständnisvollste Freund, der er für Owen sein könnte. Vor allem aber kann man Matt des Öfteren schlichtweg nicht ernst nehmen, da das Publikum selbst und sogar Owen als sein bester Freund manchmal gar nicht wissen, ob er gerade schauspielert oder dies eine wirklich echte Aktion oder Reaktion ist. Dadurch entsteht das Problem, dass plötzlich wieder eine emotionale Distanz zum Geschehen vorhanden ist, die durch den dokumentarischen Stil eigentlich bereits beseitigt wurde.

Ist man also an dem Punkt, an dem man geradezu genervt ist von Matt, dann fallen einem auch weitere Schwächen des Films auf. So ist "The Dirties" trotz einer Laufzeit von nicht einmal eineinhalb Stunden deutlich zu lang. Gerade der erste Teil ist viel zu lang, während der zweite durchaus mehr Minuten hätte aufweisen können, um besser beim Zuschauer zu wirken. Während es wirklich interessant ist, durch die Form der Inszenierung auch direkt Zeuge zu werden, wie der Film "The Dirties", der auf diversen Filmfestivals gelaufen ist, entstanden ist, ist das Geschehen zu repetitiv, die Dialoge wirken nicht harmonisch, sondern eher wie am Reißbrett entworfen, und das Geschehen, die Interaktion der Charaktere und deren Entwicklung viel zu vorhersehbar. Zudem ist der dargebotene Humor, vor allem von Matt, wirklich Geschmackssache und für einige viel zu albern, als dass man ihn witzig finden könnte. Und klar, schauspielerisch ist "The Dirties" zwar kein Offenbarungseid, aber sicherlich auch nicht derart überragend, dass zumindest das dazu beigetragen hätte, die Distanz zum Zuschauer zu entfernen. Auf Krista Madison, deren Rolle als Chrissy viel weiter ausgebaut hätte werden sollen, um die Dynamik zwischen Matt und Owen besser zu elaborieren und vor allem Owen, der sehr zurückhaltend ist, mehr Profil zu geben, darf man indes in der Zukunft gespannt sein, da ihr gutes Aussehen ihr sicherlich einige Türen öffnen wird bzw. bereits geöffnet hat in Form von so manchem interessanten Filmprojekt.

Fazit

"The Dirties" ist in der Tat ein wichtiger Film über zwei miteinander verwobene Themenkomplexe, denen bis heute aufgrund oberflächlicher Diskussionen nie in angemessenem Maße auch tatsächlich auf den Grund gegangen wurde. Als Spielfilm selbst funktioniert er aufgrund eines hochgradig unsympathischen Hauptdarstellers und so manchen handwerklichen Schwächen jedoch nur selten. Das ist zwar schade, aber nichts, was in den kommenden Filmen von Matt Johnson nicht beseitigt werden könnte. Wer weiß, "Blair Witch Project" hatte es damals vorgemacht und ebenfalls beim Slamdance Film Festival abgeräumt und dadurch eine ganze Stilrichtung des Horror- und Suspense-Films geprägt. Vielleicht gelingt dies "The Dirties" ja auch.

Andreas K. - myFanbase
08.12.2013

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