Bewertung
Ralf Westhoff

Wir sind die Neuen

"Wir sind einfach nur Nachbarn. Nachbarn, die man nett im Treppenhaus grüßt und ansonsten in Ruhe lässt."

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Inhalt

Aus finanziellen Gründen ist Anne (Gisela Schneeberger) auf die Freunde ihrer alten Studenten-WG angewiesen. Sie möchte mit dem geschiedenen Eddi (Heiner Lauterbach) und dem erfolglosen Johannes (Michael Wittenborn) wieder die WG wie in guten alten Zeiten gründen. Beide sagen überraschenderweise zu. Als die Wohnung gefunden ist und die alte Zeit wieder zu blühen scheint, hat das Trio aber noch nicht seine spießigen Nachbarn kennengelernt. Denn die drei Studenten Katharina (Claudia Eisinger), Thorsten (Patrick Güldenberg) und Barbara (Karoline Schuch) aus dem oberen Geschoss wollen während ihrer Examensvorbereitung nicht gestört werden und wollen ihre Ruhe haben. Statt voneinander zu profitieren beginnt ein Generationskrieg, bei dem die Jugend sich wie Spießer aufführt und die Alten sich von nichts und niemandem etwas sagen lassen.

Kritik

Wenn zwei Generationen aufeinandertreffen, ist Spaß vorprogrammiert. In "Wir sind die Neuen" verstärkt sich der Spaßfaktor um ein Vielfaches, denn es kommt einem so vor, als wäre man in einer verkehrten Welt. Die Jugend benimmt sich wie Rentner, während die Älteren jeglichen Krawall machen, den man aus Studentenwohnheimen gewohnt ist. Diese Situationskomik ist über weite Strecken gelungen, ohne klischeemäßig oder übertrieben zu wirken.

Das liegt vor allem an den herzlichen Charakteren, die aus dem Alltag gegriffen sind, so dass sie auch in der Realität die Nachbarn von nebenan sein können. Besonders fühlt man mit Eddi, Anne und Johannes mit, die ihre Jugend zurückhaben wollen und merken, dass Heute nicht gleich Früher sein kann. Anne steht hier im Zentrum der Geschichte und ihre Freundschaft zu Johannes ist ebenso schön mit anzusehen wie die sich entwickelnde Zuneigung zu Eddi. Das Schauspieltrio ist überzeugend und profitiert von der Chemie zueinander sowie dem intellektuellen Wortwitz des Drehbuchs. Die Gags werden nie mit dem Holzhammer erzwungen und zielen glücklicherweise auch nicht auf peinliche Männer- und Frauenklischees oder Ausländerwitze ab, die man im deutschen Kino aktuell vermehrt zu Gesicht bekommt. "Wir sind die Neuen" setzt auf Charme, Situationskomik und den Charakterzügen der sechs Hauptakteure. Denn niemand ist perfekt und genau diese Schwächen rücken in den Vordergrund und sorgen für herzhaft schöne Momente.

In der ersten Hälfte des Films geht es vor allem darum, wie Jung gegen Alt mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpft und das sorgt für großen Unterhaltungswert. Auch wenn sich der Anfang etwas zieht und die drei alten Freunde erstmal gründlich vorgestellt werden, so ist dieser Part umso bedeutender für die zweite Filmhälfte. Denn ab da hört der Spaß auf, als sich einer der eifrigen Jugendlichen verletzt und sie plötzlich auf die Hilfe der "Alten-WG" angewiesen sind. Jetzt steht nicht mehr der Humor im Vordergrund, sondern die Frage, wie man mit dem Rivalen umgeht und ob der Stolz oder die Menschlichkeit siegt. Durch die eingebaute Alltagsproblematik wie Beziehungs- , Prüfungs- und Alltagsstress kann sich jeder Zuschauer in mindestens einen der Charaktere, egal ob jung oder alt, hineinfühlen. Zwar hat das Drehbuch deutlich weniger Energie in Katharina, Thorsten und Barbara gesteckt, das aber wird durch die hervorragende Darstellung der Jungschauspieler wieder wett gemacht.

Der Film bietet außerdem eine schöne Wendung, die weder vorhersehbar noch gestellt wirkt. Denn oft vermittelt "Wir sind die Neuen" den Eindruck einer Art Episodengeschichte ohne richtigen Anfang und Ende. Und besonders letzteres ist sehr gut und auf eigene Art und Weise gelöst. Obwohl das offene Ende auf den ersten Blick unzufriedenstellend wirkt, passt es zur gesamten Machart des Films. Es wirkt wie eine Kurzgeschichte über den vielleicht wichtigsten Lebensabschnitt von Eddi, Anne und Johannes als auch der drei Studenten Katharina, Thorsten und Barbara.

Fazit

Endlich mal anspruchsvolles und witziges deutsches Kino. "Wir sind die Neuen" stellt einen Generationskonflikt in den Mittelpunkt, der mit Tiefgang, Intelligenz und Charme punktet, für Jung und Alt genießbar ist und dessen Gags Geschmack haben.

Tanya Sarikaya - myFanbase
21.09.2014

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