Bewertung
Baran bo Odar

Who Am I - Kein System ist sicher

Kein System ist sicher

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Inhalt

Benjamin Engel (Tom Schilling) lebt bei seiner Großmutter und hat sich damit abgefunden, von den meisten Menschen nicht wahrgenommen zu werden. Scheu und introvertiert wie er ist, verbringt er die meiste Zeit am Computer. Als er zufällig seinen Jugendschwarm Marie (Hannah Herzsprung) wiedertrifft, beschließt er Hals über Kopf, ihr mit seinen Computer-Fähigkeiten, ohne ihr Wissen, zu helfen. Als er dabei erwischt wird wie er einen Uni-Server hacken will, ist er gezwungen, Sozialstunden abzuleisten. Dabei lernt er Max (Elyas M'Barek) kennen, der das genaue Gegenteil von Benjamin zu sein scheint. Gemeinsam mit den Kumpels Paul (Antoine Monot Jr.) und Stephan (Wotan Wilke Möhring) beginnen sie eine Karriere als Hacker, bis sie der Ehrgeiz, die Konkurrenz zu überbieten, übermütig werden lässt...

Kritik

Tom Schilling ist kein Superheld. Zumindest sieht er nicht wie einer aus. Dass er ein toller Schauspieler ist, beweist er im vorliegenden Film aber allemal. Gemeinsam mit seinen Kollegen Elyas M'Barek, Wotan Wilke Möhring und Hannah Herzsprung spielt er in einem deutschen Thriller, der sich nicht vor ausländischen Produktionen verstecken muss. Regisseur Baran bo Odar stellt dem Zuschauer die eine oder andere Falle und präsentiert einen Film über das Hacken, der am Ende nichts mehr mit Computern zu tun hat.

Wie wohl die meisten Zuschauer denkt man bei der Wortkombination "Hacken" und "Film" an die "Matrix". Kein anderer Film revolutionierte das Genre um die Computer-Nerds so, wie die Wachowski-Geschwister es 1999 vormachten. 16 Jahre später trägt man keine Ledermäntel mehr und stürzt sich auch nicht durch den sinnbildlichen Kaninchenbau. Stattdessen landet man in der Realität. Der Hacker von heute arbeitet nicht mehr nur vom PC aus, sondern wird Teil des Geschehens. Für den schüchternen Benjamin ist das wohl die größte Herausforderung. Er ist scheu und introvertiert, erfüllt damit zwar alle Klischees, bleibt dem Zuschauer aber dennoch in Erinnerung und keinesfalls anonymisiert austauschbar. Sein Charakter wäre am liebsten unsichtbar und das gelingt Tom Schilling auch so darzustellen. Sein Spiel wirkt mühelos und niemals abgehoben. Er zählt definitiv zu den Höhepunkten des Films und lässt die anderen Schauspieler weit hinter sich. Hannah Herzsprung muss sich mit einer allzu simplen Rolle zufrieden geben und Elyas M'Barek kann man mögen, muss es aber auch nicht. Er spielt in einer für ihn typischen Rolle, was aber nicht heißen muss, dass er diese Aufgabe nicht gut erfüllt. Neben Tom Schilling ist er aber vielmehr ein Sidekick für dessen Geschichte.

Was uns Benjamin erzählt, hat die verschiedensten Facetten und Beweggründe. Es beginnt mit der Familie, seinen Begegnungen mit Menschen im Allgemeinen, Erfolge, Misserfolge und vieles mehr. Es wirkt, als fange der Film alles in Bildern auf, was Benjamin berichtet. Inszenatorisch gesehen ist das eine sehr ästhetische Lösung. Bewegt sich jemand im Netz, sieht man einen U-Bahn-Wagon. Nachrichten werden ausgetauscht, alles wirkt anonymisiert. Fast wieder wie in der richtigen U-Bahn, wo man niemanden kennt. In diesem geschlossenen Raum tragen alle Masken, es gibt eine Vorder- und eine Hintertür, aber nicht jeder kommt rein. Stilistisch hat der Film einiges zu bieten, die Bilder suggerieren in ihrer Zusammenstellung und Bewegung eine gewisse Grenzenlosigkeit.

Natürlich verlässt der Film sich nicht bloß auf die anschauliche Inszenierung. Die Story rund um die Aktionen der Hacker und die unerwiderte Liebe von Benjamin zu Marie erschöpft sich irgendwann und nach ungefähr der Hälfte der Zeit fragt man sich, bzw. hofft man, dass noch etwas kommt. Der wahre Clou des Films entfaltet sich dann erst im letzten Drittel und hält einige Überraschungen bereit. Erst hier zeigt sich die wahre Ambivalenz des Mediums Internet und auch die der Menschen. Wenn man nicht mehr weiß, wer gut und böse, real oder irreal ist, bleibt immerhin eins sicher: Tom Schilling ist zwar kein Superheld, aber zaubern kann er trotzdem.

Fazit

Ein gelungener deutscher Thriller, dessen Inszenierung und Erzählweise überzeugen, auch wenn die Geschichte nicht allzu viel Neues bieten kann. Dafür spielt Tom Schilling so gut wie nie.

Gabriel Knierim - myFanbase
23.04.2015

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