Bewertung
Michael Winterbottom

Augen des Engels, Die

"Es ist wichtig, dem Tod ins Gesicht zu sehen, um das Leben zu verstehen."

Foto: Copyright: 2015 Concorde Filmverleih GmbH
© 2015 Concorde Filmverleih GmbH

Inhalt

Der Filmemacher Thomas (Daniel Brühl) macht sich auf den Weg nach Siena, um einen Film über die verworrene Geschichte eines Mordes, dessen exzessive Berichterstattung und die hierdurch entstehenden Fragen um Moral und Grenzen zu drehen. Vor Ort gerät er in ein Netz aus Korruption und ethisch äußerst fragwürdigem Journalismus, in dem er sich immer mehr verliert und dessen Macht so groß zu werden scheint, dass sein Film immer weniger zum zentralen Aspekt seines Alltags wird.

Kritik

Der Mord an einer amerikanischen Studentin in Italien durch ein befreundetes Paar – die Geschichte ist aus den Medien durch den Fall von Amanda Knox bekannt, wodurch auch der Filmtitel inspiriert ist. Keinesfalls sollte der Zuschauer jedoch die Verfilmung der Prozesse oder der Geschichte der beteiligten Personen erwarten. Gerade durch die äußerst verworrenen und langwierigen Gerichtsverfahren würde hier immer ein Film entstehen, der keiner Seite gerecht werden könnte. Stattdessen stellt Regisseur Michael Winterbottom den Dokumentarfilmer Thomas in den Mittelpunkt. Der Brite hat ein verheißungsvolles Drehbuch geschrieben, welches er nun vor Ort möglichst authentisch verfilmen möchte. Mit Hilfe seiner Journalisten-Freundin Simone (Kate Beckinsale) stürzt er sich mit aller Kraft in die Entwicklung seines Projekts – Thomas will den Prozess und vor allem auch die Berichterstattung außerhalb der Norm dokumentieren.

Angekommen in Siena wird der Zuschauer von Bildern eindrucksvoller Landschaften und wunderschöner, alter italienischer Straßen begrüßt; getaucht in warme Orangetöne und ohne kitschig zu wirken entsteht ein idyllisches Bild. Trotz dieser mediterran-gemütlichen Stimmung rufen gerade die gezeigten Nachtaufnahmen und Begehungen des Tatorts eine ständig bedrückende Atmosphäre hervor, welche gemeinsam mitder dargestellten Geschichte tief bewegt. Ein Netz aus Nicht-gesagtem und der intrigant-verworrenen journalistischen Berichterstattung führt ferner dazu, dass sich der Zuschauer, ganz wie Thomas, immer tiefer im Sumpf der Mordermittlungen und des Prozesses wiederfindet. Während seine befreundete Journalistin sich voll und ganz wohlfühlt in diesem Netz, gleicht Thomas' Leben immer mehr Dantes Inferno.

Diese Entwicklung ist keinesfalls Zufall, da Thomas parallel zu seiner Recherche eben jenes Buch liest und sich für ihn Realität und Fantasie beziehungsweise Wahn immer mehr vermischen. Thomas' kontinuierlicher Kokain-Gebrauch tut sein Übriges, um ihn immer weiter zu Boden zu drücken. Einzig und allein Melanie (Cara Delevingne), eine britische Studentin, scheint eine Konstante in seinem Leben darzustellen, wodurch er nicht völlig den Bezug zur Realität verliert. Immer wieder wird der Filmfluss auch durch Skype-Gespräche mit seiner Tochter unterbrochen, die der Geschichte vermutlich einen Bezug zur Welt außerhalb von Siena geben sollen,allerdings eher dazu führen, dass eine ununterbrochene Erzählung nicht möglich ist. Im Laufe seiner Recherchen stößt er kontinuierlich auf Ungereimtheiten im Netz der Intrigen, sowohl in den eigentlichen Gerichtsverhandlungen als auch innerhalb der Journalistenkreise. Thomas verlässt den geraden Weg einer einfachen Dokumentation, um der Wahrheit auf die Spur zu kommen und bringt sich dabei mehr als einmal in Gefahr, ohne auch nur ansatzweise zu wissen, warum.

Fazit

"Die Augen des Engels" ist kein Popcorn-Kino – Daniel Brühl spielt auf beeindruckende Weise den Hauptcharakter in diesem von Winterbottom eindrucksvoll inszenierten Thriller. Von Anfang an wird die eigentliche Geschichte um den Mord in den Hintergrund gestellt und die moralische Verzerrung im Journalismus in den Vordergrund gerückt. Auch Cara Delevingne überzeugt auf ganzer Linie, während Kate Beckinsale Schwächen zeigt, was mitunter dem Drehbuch geschuldet ist. Visuelle Sprünge zwischen Realität und Fantasie, Thomas' Visionen von Dantes Inferno, sind zwar gut gemeint, aber häufig unerklärt, so dass die Chance auf einen roten Faden durch den gesamten Film immer wieder verspielt wird. Was dem Film häufig fehlt, ist die Wichtigkeit einzelner Szenen für das Gesamtbild. Durch die visuelle Sprache des Films und die überzeugende Leistung Daniel Brühls ist der Gang ins Kino aber zu empfehlen.

Jeanne Plaumann - myFanbase
21.05.2015

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