Bewertung
Juanfer Andrés, Esteban Roel

Shrew's Nest

"Du bist vollkommen verrückt!"

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Inhalt

Im Spanien der 50er Jahre lebt die streng religiöse Schneiderin Montse (Macarena Gomez) zusammen mit ihrer Schwester in einem Apartment, das sie aufgrund ihrer Angststörung, Agoraphobie, nie verlässt. Mit Ausnahme von vereinzelten Auftraggebern fungiert ihre jüngere Schwester als einzig echte Bezugsperson. Als eines Tages der Nachbar Carlos (Hugo Silva) schwer verletzt an ihre Tür klopft, bietet sie ihm Zuflucht und gesundheitliche Pflege an. Aus reiner Nächstenliebe entwickelt sich zunehmend aber eine krankhafte Obsession, die gefährliche Züge annimmt, als Carlos beginnt, ein romantisches Interesse an ihrer Schwester zu zeigen.

Kritik

Das alljährlich in mehreren deutschen Großstädten stattfindende Fantasy Filmfest hat sich zu einem wichtigen Schauplatz für Fans von Genrefilmen entwickelt. Die ursprüngliche Schwerpunktsetzung auf das Horrorgenre hat sich von Jahr zu Jahr hin zu einer allgemeineren Ausrichtung im Bereich des etwas abseitigeren Independent-Kinos verschoben. Im Zusammenhang mit dem Festival wird auch jedes Jahr der von den Zuschauern gewählte Fresh Blood Award vergeben, bei dem nur Erst- und Zweitlingswerke zur Auswahl stehen. Im Jahr 2015 gewann diesen Preis der spanische Psychothriller "Shrew's Nest". Der Film ist das Erstlingswerk des Regisseuren-Duos Juanfer Andrés und Esteban Roel, die vorher zusammen schon zwei Kurzfilme realisiert haben.

Der Film spielt über die ganze Laufzeit nur in dem Apartmentkomplex, in welchem die beiden Hauptfiguren zusammen in einer Wohnung leben. Im Mittelpunkt steht dabei die ältere Schwester Montse, die unter der Angststörung Agoraphobie leidet und deshalb die Wohnung nie verlässt. Dieser Kniff ermöglicht die Konstruktion eines klaustrophischen Horrorthrillers, der von der Enge und Übersichtlichkeit des kleinen Apartments lebt und daraus seinen grundsätzlichen Reiz zieht. Neu ist dies natürlich nicht, einer der bekanntesten Vertreter dieser Art von Storykonstruktion ist wohl die Stephen King-Verfilmung "Misery", in der ebenfalls eine Frau einen Mann in ihrer Wohnung festhält.

"Shrew's Nest" läuft zwar unter dem Label eines Horrorfilms, ist zu großen Teilen aber ein reines Psychodrama über eine schwer traumatisierte Frau, die sich von den Narben der Vergangenheit nicht befreien kann. Der Fokus liegt dabei klar auf der Figur der Montse, die intensiv verkörpert wird von Macarena Gomez, der es gelingt, den schleichenden Wahnsinn von Montse durch eine beängstigende Körpersprache und Mimik darzustellen. Gomez ist dadurch auch klar die große Stärke des Films, welchem es ansonsten nicht gelingt, die anderen beiden Figuren näher auszuleuchten und mit Leben zu füllen. So bleibt die Charaktermotivation der namenlosen jüngeren Schwester über den ganzen Film vage und die Beziehung der Schwestern zueinander erfährt leider auch keine tiefer gehende Ausarbeitung.

Vom Erzählrhythmus her legt der Film lange ein schleichendes Tempo vor und fokussiert sich zumeist auf die Ausarbeitung der Figur der Montse, ihrer Ängste und Hoffnungen. Die Probleme im Erzähltempo resultieren dann aber aus einem merklichen Ungleichgewicht in der Entfaltung eben dieser Geschichte, bei der auf das langsame, bedächtige und Personen fokussierte Erzählen im letzten Drittel des Films eine Welle blutrünstiger Gewalt folgt, die in dieser drastischen Form nicht nötig gewesen wäre. Dieser tonale Wechsel und der hektische Versuch, im Finale des Films noch mehrere Twists aneinander zu heften, geht leider nicht auf und macht den Film schlussendlich zu einem unbefriedigenden Gesamterlebnis.

Fazit

Der Gewinner des Publikumspreises des Fantasy Filmfests 2015 ist ein atmosphärisch und vor allem durch die Hauptdarstellerin Macarena Gomez darstellerisch überzeugendes Psychodrama, welches aber durch Schwächen in der Storyentwicklung und eine oberflächliche Ausarbeitung der Nebenfiguren schlussendlich im Mittelmaß versandet.

Moritz Stock - myFanbase
14.01.2016

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