Moonwalkers
Als Alternative zum Mainstream-Kinoprogramm sind das Fantasy Film Fest im Sommer sowie die Fantasy Filmfest Nights in den Spielstädten Berlin, Nürnberg, München, Frankfurt, Köln, Stuttgart und Hamburg mittlerweile feste Institutionen. Im Rahmen der "Nights" kam ich im April 2016 in Köln mit "Moonwalkers" in den Genuss der einzigen Komödie des Programms.
Inhalt
Die amerikanische Regierung plant 1969 parallel zu den realen Astronauten, die sich auf dem Weg Richtung Mond befinden, eine filmische Inszenierung der Landung auf demselben. Nur für den Fall, dass "die Jungs" es nicht schaffen. Für das Projekt der im Studio produzierten Mondlandung soll kein geringerer als Stanley Kubrick verpflichtet werden. Die Aufgabe, den Meister zu finden und zu engagieren wird dem Vietnam-Veteran Kidman (Ron Perlman) zugetragen. Als wichtigstes Argument hat er einen Koffer voller Geldscheine im Gepäck. Genau das braucht der erfolglose, aber sehr ambitionierte Bandmanager Jonny (Rupert Grint). Der Zufall und eine nicht aufgeklärte Verwechslung, als Kidman den Vermittler des großen Filmemachers treffen will, bringen beide zusammen. Um an das Geld zu kommen, lässt Jonny seinen Freund Leon vor Kidman den Kubrick geben. Doch der Koffer bleibt nicht lange bei Johnny: Seine zwielichtigen Gläubiger lassen die Zinsen für den Kredit plötzlich so hoch steigen, dass nicht ein Teil des Geldes, sondern gleich der gesamte Koffer einkassiert wird.
Zwischenzeitlich hat Kidman den echten Kubrick im Fernsehen gesehen und den Betrug bemerkt. Sauer und vor Handgreiflichkeiten nicht zurückschreckend macht er sich auf die Suche nach den Dieben. Johnny erkennt den Ernst der Lage und bietet einen Deal an: Die Zeit ist knapp geworden, die gewünschte Person nicht in der Nähe und auch Kidman kann es sich nicht leisten, mit leeren Händen nach Hause zu kommen – Johnny will seine Kontakte nutzen und das Filmprojekt selbst auf die Beine stellen. Damit kommt ein Haufen durchgeknallter und dauerbreiter Hippies, allen voran ein selbsternannter Künstler und Filmemacher, ins Spiel….
Kritik
Es kann nicht schaden, einen Plan B zu haben. Vor allem nicht auf diesem Planeten, auf dem es allzu häufig mehr Schein als Sein ist, was zählt. Und wenn der erste Mensch auf dem Mond kein Amerikaner sein kann, dann soll dies zumindest die Welt glauben und nicht etwa der russische Feind Oberwasser bekommen. Dies ist die Intention der US-Amerikaner, die direkt am Anfang des Films präsentiert wird. Das Augenzwinkern dazu ist wenig dezent eine verbrannte Flagge im Büro des Auftraggebers, die eben solche Fahne kontrastiert, die stolz im kargen Mondboden verankert werden soll. Eine Geste, die im Übrigen später bei der filmischen Umsetzung der Mondlandung nicht einmal unter den milden Studiobedingungen gelingen will.
Die Idee, Verschwörungstheorien aufzugreifen und daraus eine turbulente Komödie zu machen funktioniert wunderbar. Dass das Ganze mit einer Verwechslung beginnt und dadurch der ein oder andere Verlauf vorhersehbar ist, schadet keinesfalls, sondern zieht den Zuschauer elegant durch das Geschehen und passt hervorragend.
Wären die 60er Jahre nicht ohnehin die Ära der Handlung – schließlich wird auf ein Ereignis von Weltgeschichte Bezug genommen, das sich nur schwer verschieben lässt –, wäre sie perfekt platziert im zeitlichen Umfeld von "Flower-Power". Denn hier treffen Hippies auf Ex-Soldaten, Amerikaner auf Briten und selbsternannte Künstler auf andere Extrovertierte, Trance auf Action, eine Rock-Oper auf eine staatlich finanzierte Dokusoap.
Anspielungen gibt es in diesem Film genug. So weiß beispielsweise nicht jeder, der im Laufe der Handlung mit dem bisherigen Werk des mittlerweile in England lebenden Regisseurs Stanley Kubrick konfrontiert wird, mit dessen Namen direkt etwas anzufangen. Während der eine anerkennend von "Spartacus" spricht, erinnert sich der andere an "Lolita", den "Pädophilen-Film". Ausgewählt wurde er aber natürlich aufgrund seiner Inszenierung von "2001: Odyssee im Weltraum", von deren Bildgewaltigkeit nun auch die fingierte Mondlandungs-Doku profitieren soll.
Die Rolle des traumatisierten und leicht reizbaren Kidman, dessen weiche Seite im Verlauf des Films zum Vorschein kommt, ist mit Ron Perlman, der den Serienfans als Clay-Darsteller in "Sons of Anarchy" bekannt ist, ideal besetzt. Sein Erscheinungsbild scheint genau richtig für die Verkörperung des Kämpfers. Mimisch jedoch ist es für ihn kein Problem, sich vielsagend in den vom Leben und den Menschen in seiner Umgebung ermüdeten Einzelgänger zu verwandeln. Nach einer anstrengenden Reise mit einem nervtötenden, adipösen Sitznachbarn im Flugzeug, der ihm auch noch sein einziges Foto von Kubrick versaut hat, und den eigenen Dämonen aus dem Krieg stets im Handgepäck will der Amerikaner mit bestimmender Höflichkeit schnell seinen Auftrag erledigen. Nachdem sich dies als schwierig herausstellt, läuft er zunächst zu brutaler Hochform auf, doch bröckelt seine Fassade nach und nach. Ein Vorbote darauf mag ein ungewollter Kleidungswechsel sein: Da er nicht blutverschmiert durch die Straßen laufen will, muss er sein beschmutztes Hemd wechseln, was ihm ein neues, buntes Rüschenhemd beschert. Doch dieser Aufzug lässt ihn noch nicht zahmer werden und wird auch bei der nächsten Gelegenheit wieder gegen ein klassischeres, schwarzes Shirt getauscht.
Der Bruch kommt im Zusammenleben mit der Hippie-Kommune bei den Arbeiten zum Film. Dort feiert man ordentlich und konsumiert allerlei Rauschmittel. Diesen Substanzen meint Kidman als CIA trained immun gegenüber zu sein und will dies unter Beweis stellen. Hier bietet sich dem Zuschauer eine dieser Stellen, an denen klar ist, was jetzt kommt, dennoch will er es sehen: LSD gegen Kopfschmerzen nach dem Opiumrausch und anderes lassen ihn keineswegs nüchtern und selbstbeherrscht zurück, von Immunität kann nicht die Rede sein. Und der Trip scheint Kidman zu gefallen: Endlich kein Tremor, keine Halluzinationen mehr. Der Soldat geheilt von den Kriegsgegnern, Heilmittel: Drogen! Er wird locker und beginnt sein Umfeld zu mögen. Er lässt sich sogar von seinen neuen Freunden bei der Berichterstattung in die USA am Telefon soufflieren. Als er mit einem wenig militärisch respektvollen "Ich rufe später noch mal zurück"-Abschied keinen vertrauenswürdigen Eindruck und einen verärgerten Befehlshaber hinterlässt, dreht sich das Blatt auf sympathische Weise. Zeugen sollten in diesem Plan B-Projekt eigentlich nicht verbleiben. Doch Kidman hat scheinbar genug und schlussendlich desertiert er zusammen mit Johnny, Leon und einer aufreizenden Dame aus der Hippie-Kommune.
Auch die Figur des vom Pech verfolgten Managers Jonny macht eine Entwicklung durch: Scheint es zunächst so, als wolle Johnny einfach nur seinen eigenen Hintern, der mit den dubiosen Gläubigern auf der einen und dem verärgerten Amerikaner auf der anderen Seite gleich mehrfach bedroht ist, retten, so wird im Laufe des Projektes "Mondlandung" immer mehr klar, wie wichtig es ihm ist. Er will kein Loser mehr sein, zu dem er sich schon seit seiner Kindheit verdammt fühlt. So behält er klaren Kopf, während um ihn herum alle einfach nur noch verrückter zu werden scheinen. Trotzdem ist er dabei leicht tollpatschig, was ihn sympathisch macht. Und er gibt nicht auf. Nicht, als er mitsamt der Band im klapperigen Hippie-Bus vor wütenden Zuschauern fliehen muss – an dieser Stelle darf man sich durchaus an einen Horrorfilm erinnert fühlen – und statt kurz vor dem Durchbruch kurz vor der Entlassung steht. Nicht, nachdem sein Cousin – eine weitere recht überspitzt dargestellte Figur – ihm auf spöttischste Art und Weise seine Hilfe verwehrt. Nicht, als Kredithaie seine Wohnung verwüsten und dort – neben einer bedeutungsschweren Fäkalien-Geste auf dem Plattenspieler – eindeutige Zeichnungen auf der Wand hinterlassen. Diese sollen unmissverständlich klarmachen, dass es schmerzhaft für Johnny wird, wenn er nicht zahlen kann, zeigen dem Zuschauer aber durch den kinderhaften Zeichnungsstil, dass sich der Film nicht zu ernst nimmt.
Mit den verschiedenen Nebenfiguren hat man sich bei der Konzeption scheinbar auch sehr viel Mühe gemacht. Der Obergangster, der passenderweise von unzähligen muskel- und waffenbepackten Kriminellen umgeben ist, wird dargestellt von James Cosmo, mit dem "Sons of Anarchy"-Serienkundige ein weiteres bekanntes Gesicht (Father Kellan Ashby) entdecken dürften. Dieser wird nicht nur dadurch, dass Kidman und Johnny es schaffen, sich den Koffer zurückzuholen, sondern auch durch die Zerstörung seiner Modellkunstwerke sehr provoziert.
Der Leadsinger der Band, den Jonny erfolglos zu Ruhm zu verhelfen versucht, sieht sich schon jetzt als Superstar und will sich mit einer Rock-Oper verwirklichen. Dabei trifft er auf den kreativen Schöpfer von “Bounce“, einem Kunstfilm mit wenig Inhalt und viel Körperlichkeit im Zusammenspiel mit der Schwerkraft. Der scheinbar dauerbreite Leon (Robert Sheehan) hingegen, der zuerst Stanley Kubrick und dann einen Astronauten auf dem Mond darstellen soll, tapst durch den Film wie ein unbeholfenes Kind.
Durch die Darstellung der amerikanischen Auftraggeber erinnert der Film an einigen Stellen leicht an "Iron Sky" – ein Film, in dem auch zum Mond geflogen wird, was in dem Fall die Entdeckung von Nazis auf der dunklen Seite des Mondes zu Folge hat.
Fazit
"Eine bessere Geschichte werdet ihr für längere Zeit nicht hören…" so beginnt die Ankündigung zu "Moonwalkers" im Programmheft. Dies kann ich nur zustimmend zitieren. Ich glaube außerdem, dass ich für längere Zeit nicht mehr so sehr lachen werde bei einem Film. Auch die Reaktionen des Publikums, das bereits den knallbunten, psychedelisch anmutenden Vorspann mit viel Lachen honorierte, lassen vermuten, dass so einigen dieser Film gefallen hat. Aber auch Action-Fans kommen nicht zu kurz, Waffen und Fäuste werden ebenso häufig wie Drogen eingesetzt. Am Schluss sitzen alle in einem Boot: Zuschauer und Helden des Films fragen sich, was nun dort in den Nachrichten gezeigt wird: die Bilder der echten Mondlandung oder doch Ausschnitte aus der Inszenierung? Großartig!
Stefanie Zerres - myFanbase
25.04.2016
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: MoonwalkersVeröffentlichungsdatum (USA): 02.04.2016
Veröffentlichungsdatum (DE): 15.01.2016
Länge: 107 Minuten
Regisseur: Antoine Bardou-Jacquet
Drehbuchautor: Dean Craig
Genre: Komödie
Darsteller/Charaktere
Rupert Grint
als Jonny
Ron Perlman
als Kidman
Robert Sheehan
als Leon
Stephen Campbell Moore
als Derek Kaye
Kevin Bishop
als Paul
Eric Lampaert
als Glen
James Cosmo
als Dawson
Aktuelle Kommentare
27.12.2024 12:42 von Lena
Reviews: Virgin River - Review Staffel 6
Also ich muss auch sagen, richtig starke Staffel. Der... mehr
24.12.2024 20:07 von Sonia
Reviews: Superman & Lois - Review Staffel 4
Erstmal ein verspätetes Danke für die Review :-) Ich... mehr