Bewertung

Promising Young Woman

Foto: Promising Young Woman - Copyright: Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.
Promising Young Woman
© Universal Studios. Alle Rechte vorbehalten.

Inhalt

Cassie (Carey Mulligan) war eine hoffnungsvolle Medizinstudentin, die nach einem tragischen Ereignis dieses abrupt abgebrochen hat. Mit fast 30 Jahren wohnt sie immer noch bei ihren Eltern und führt nachts ein Doppelleben, bei dem sie Männern vor Augen führt, wie sie wirklich sind. Doch als sie auf einen altbekannten Namen stößt, fasst sie einen größeren Racheplan. Doch ausgerechnet in dieser Zeit begegnet sie Ryan (Bo Burnham) wieder, mit dem sie gemeinsam Medizin studiert hat und der ihre anfänglichen Vorbehalte niederreißen kann. Doch kann sie für ihn auch ihre Rache ruhen lassen?

Kritik

"Promising Young Woman" ist das Regiedebüt im Filmbereich von Emerald Fennell, die schauspielerisch selbst schon in Serien wie "Call the Midwife - Ruf des Lebens" oder "The Crown" als jüngere Camilla Parker-Bowles in Erscheinung getreten ist und in der zweiten Staffel von "Killing Eve" als Showrunnerin fungiert hat. Der Film ist wie viele andere 2020 eher unter widrigen Umständen veröffentlicht worden, da wegen der Corona-Pandemie weltweit nirgendwo die Kinosäle durchgehend geöffnet waren. Doch "Promising Young Woman" hat sich dennoch schnell einen Namen gemacht, nachdem es Premiere beim Sundance Film Festival gefeiert hat, also knapp bevor vieles in den Lockdown ging. Anschließend war der Film auch bei den Preisverleihungen des Jahres nicht mehr wegzudenken, da Fennell für ihr Drehbuch und Carey Mulligan als Hauptdarstellerin oft nominiert worden sind. Dennoch ist der Film in Deutschland bislang völlig unter dem Radar gelaufen, was mir es wiederum ermöglicht hat, völlig unbedarft an ihn heranzugehen, da ich bislang höchstens nur Schlagwörter aufgeschnappt habe. Das war auch definitiv gut so, weil sich die völlige Wirkung von "Promising Young Woman" sicherlich nur dann entfaltet, wenn man sich vorher keinen Begriff macht, was die Ausgangslage des Films ist und wo er hinmöchte.

"Promising Young Woman" steht in der inhaltlichen Tradition von #MeToo und behandelt viele der Themen, die in Folge des initiierten Schlagwortes einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden. Aber anders als beispielsweise ein Film wie "Bombshell - Das Ende des Schweigens", der auf wahren Tatsachen beruht und Sexismus beim konservativen Fernsehsender Fox News offenlegt, ist dieser Film unwahrscheinlich provokativ und arbeitet ohne Ende mit dem Stilmittel der Übertreibung. Das sorgt dafür, dass "Promising Young Woman" sich als ein Genremix entpuppt. Auf der einen Seite muss man durchaus durch einige übertrieben dargestellte Sequenzen lachen, aber auf der anderen Seite steckt so viel Tragik in diesem Film, dass Lachen und Weinen gleichzeitig wohl die sinnigste Reaktion auf das Gesehene sind. Der Film ist natürlich auch in dem Sinne provozierend, dass die Spezies Mann überhaupt nicht gut wegkommt. Sorry guys! Dennoch ist es auch keine Glorifizierung der Frau, keine Sorge, denn der Film beschäftigt sich auch genug mit Frauenfiguren, die sich dadurch auszeichnen, über alles den Mantel des Schweigens zu legen. Insgesamt lässt sich der Film also sicherlich mit der Botschaft zusammenfassen, dass hier aufgezeigt werden kann, wohin eine tragische Nacht führen kann und dass es oft nicht nur die unmittelbar Betroffenen sind, die für ein Leben lang gezeichnet sind.

"Promising Young Woman" brilliert u. a. dadurch, dass viele Zusammenhänge lange lose Enden bleiben. Zwar kann man sich irgendwann zusammenreimen, was Cassies bester Freundin Nina widerfahren ist, doch bis zum Ende wird es nicht final ausgesprochen, was sicherlich übertragen auch dafür steht, dass es eine unsagbare Tat war. Zudem bietet der Film immer nur einzelne Puzzleteile an, die man sich dann selbst an die richtige Position schieben kann, aber das macht das Gesehene sehr spannend, weil man regelrecht darauf hinfiebert, ein neues Puzzleteil angeboten zu bekommen. In genau dieser Stilistik beginnt der Film auch. Cassie sitzt völlig betrunken in einer Bar und nimmt kaum noch etwas wahr. Sie fällt damit drei Kollegen ins Auge, wovon sich schließlich einer 'erbarmt', sie nach Hause zu bringen, wobei das dazu führt, dass sie bei ihm zuhause landet und er denkt, dass er sich von der willenlosen Frau nehmen kann, was er braucht. Während man als Zuschauer*in bei diesen einführenden Sequenzen schon hilflos zusieht, weil man genau weiß, wo das alles hinsteuert, erfolgt schon die erste Überraschung, denn Cassie ist stocknüchtern und hat den Mann in eine Falle gelockt, um ihm sein Fehlverhalten aufzuzeigen. Zunächst bleibt aber offen, was genau sie mit ihm macht, wenn sie enttarnt hat, dass alles nur ein Spiel war. Das wird später an Exempel Nummer 2 aufgezeigt, denn Cassie macht das immer und immer wieder, sie ist regelrecht besessen davon, die Männer aufzuspüren, die den betrunkenen Zustand einer Frau eiskalt ausnutzen. Dahinter steckt wahrscheinlich die vage Hoffnung, dass es für den jeweiligen Mann das letzte Mal war, weil er seine Lektion gelernt hat.

Aber bei all den Leuten, denen Cassie über den Film hinweg eine Lektion erteilt, kommt als cleverer Schachzug hinzu, dass diese Figuren sehr prominent besetzt sind und das nicht von Darsteller*innen, die man öfters in 'bösen' Rollen sieht, sondern von klassischen Sympathieträger*innen. So wird der erste Kerl namens Jerry von niemand anderem als Adam Brody gespielt, der sich in "O.C., California" einen Namen als Gentleman und Sonnyboy gemacht hat. Ähnliches gilt aber auch für Namen wie Alison Brie, Connie Britton, Chris Lowell oder Max Greenfield. Wobei dann hier auch nochmal geklärt wird, dass auch mit weiblichen Figuren eine Abrechnung erster Klasse vollzogen wird. Beispielhaft kann ich noch einmal die Szene zwischen Cassie und der von Britton dargestellten Dekanin Walker an der medizinischen Fakultät hervorheben. Diese könnte netter, oder besser auf den Punkt gebracht: aalglatter nicht sein. Lässt sich nichts anmerken, als Cassie erstmals Andeutungen macht, was sie damals vertuscht hat, aber wird dann völlig panisch, als sie den Eindruck vermittelt bekommt, ihre geliebte Tochter Amber (Francisca Estevez) ist in den Händen von sexsüchtigen Collegeboys. Es ist an dieser Stelle schon fast befriedigend, wie effektiv aufgezeigt wird, wie viele Menschen immer nur eine Seite sehen, ob nun aus Selbstschutz oder aus Ignoranz. Aber nochmal zurückkommend auf diese augenscheinliche Besetzung von Sympathieträger*innen aus Film und Fernsehen, hier wird wohl vermittelt, dass auch das nettere Äußere nicht darüber hinwegtäuschen sollte, was sich darunter verbirgt.

Während der gesamte Film von einem durchgängigen Spannungsbogen begleitet ist, so geht es nochmal neu los, wenn Cassie ihre ultimative Rache in fünf Schritten plant. Es wäre wahrscheinlich fatal, an dieser Stelle zu viel zu verraten, weil man die einzelnen Handlungen einfach selbst sehen und neu erleben muss, aber für mich ist vor allem Bewunderung zurückgeblieben, weil diese 'Rache' keine Gewalt oder ähnliches braucht. Cassie besticht in ihren Plänen nämlich mit einer perfiden Intelligenz und besiegt ihre Opfer anhand ihrer eigenen Methoden. In diesem Zusammenhang finde ich es auch sehr faszinierend, dass es wohl im Entwicklungsprozess des Drehbuchs drei verschiedene Enden gab, weil über die verschiedenen Möglichkeiten viel diskutiert wurde. Ich persönlich muss sagen, dass ich mit dem gewählten Endergebnis mehr als glücklich bin, denn der von Cassie eingeschlagene Weg ist konsequent zu Ende geführt worden. "Promising Young Woman" hat in keiner Version ein Happy End parat gehabt, aber so hat Cassie in allem doch den endgültigen Sieg davongetragen. Gerade bezüglich des Endes kommen auch nochmal die tragischen Aspekte viel mehr in den Fokus, denn der Film nimmt uns als Zuschauer*innen auf eine wahre Achterbahn mit. Hier spielt besonders rein, dass auch die Musikauswahl ein Meisterwerk für sich darstellt. Eine Mischung aus Instrumental, Popsongs und klassischer Musik lässt keine klare Stilistik erkennen, aber Cassie ist auch mal so und mal so, so dass damit ihr Innerstes widergespiegelt wird. Zudem wird die genutzte Musik auch oft konträr genutzt, so dass sich ein widersprüchliches Szenario ergibt, das dadurch aber noch intensiver in Erinnerung bleiben wird. Aber von tierisch genervt vom Leben, hin zu über alle Maße verliebt, hin zu bitterer Enttäuschung und dann abschließend zur eiskalten Rächerin, die Bandbreite ist groß, weswegen ich es absolut verstehe, dass Mulligan für ihre Darstellung von Cassie für einige Preisverleihungen in Betracht gezogen wurde. Sie hat diesen Film beherrscht, hat aber natürlich auch das entsprechende Drehbuch gehabt, um das so abliefern zu können. Hut ab!

Fazit

Während manche Filme ihre Faszination für immer tragen, egal, wie oft man sieht, so ist bei "Promising Young Woman" die ultimative Wirkung dadurch erreicht, den Film dieses eine erste Mal zu sehen. Die Darstellung von #MeToo und den Nachwirkungen, das bleibt natürlich auch für immer, aber diese Reise, die man mit Hauptfigur Cassie antritt, mit all diesen Überraschungen und Wendungen, mit all dieser Komik, die doch in Tragik endet, das wird nur einmal richtig einschlagen können, aber dafür in Perfektion. Hut ab für dieses Drehbuch, für diese schauspielerische Leistung von Mulligan, deren Cassie für mich jetzt definitiv eine der faszinierendsten Rächerinnen der Film- und Fernsehgeschichte ist, und für diese wilde Achterbahnfahrt. Und wer es noch nicht verstanden haben sollte: JA, das ist eine absolute Sehempfehlung!

Lena Donth - myFanbase
15.11.2021

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