Überredung
Inhalt
Anne Elliot (Dakota Johnson) lebt bei ihrer snobistischen Familie, die am Rande des finanziellen Ruins steht. Sie fühlt sich oft als Außenseiterin, auch weil sie moderne Ansichten hat, die innerhalb ihrer Familie aber nicht gerne gesehen sind. Deswegen hat sie vor vielen Jahren auch ihre Liebe zu dem Seemann Fredrick Wentworth (Cosmo Jarvis) unterdrückt. Als dieser als Captain zurückkehrt und damit nun auch für die Gesellschaft ein passabler Ehemann wäre, ist Anne aufgeregt und muss schnell feststellen, dass durch die Vergangenheit viel zwischen ihnen steht. Während sie lernen muss, Fredrick Raum zu geben, fragt sie sich dennoch, ob es für ihre Liebe eine zweite Chance geben kann.
Kritik
In meiner Jugend waren vor allem zwei Autor*innen sehr beliebt, wenn es um romantische Buchadaptionen ging: Nicholas Sparks und Jane Austen. Zwar spielen deren Geschichten in völlig unterschiedlichen Jahrhunderten und auch Kontinenten und dennoch sind gewisse Parallelen nicht wegzudiskutieren. Obwohl ich eine große Affinität zur englischen Sprache habe und auch Englisch-Leistungskurs möglich gewesen wäre, habe ich noch nie einen Roman von Jane Austen im Original oder übersetzt gelesen. Dennoch haben mir ihre adaptierten Bücher immer sehr zugesagt, sei es "Stolz und Vorurteil (2005)" (in mehrfacher Ausführung), "Emma" (ebenso in unterschiedlichen Besetzungen gesehen) oder auch "Geliebte Jane", der sich mit der Autorin auf der Basis von ausgetauschten Briefen auseinandergesetzt hat, denn ihre Inhalte hatten trotz der jeweiligen gesellschaftlichen Konventionen immer etwas sehr Romantisches, teilweise auch Dramatisches und auch kritische Untertöne. Nun hat Netflix das letzte vollständige Werk von Austen, "Persuasion" (im Deutschen unter "Anne Elliot" statt "Überredung" veröffentlicht), adaptieren lassen und herausgekommen ist eine ganz schön moderne Interpretation.
Dass historische Stoffe einem modernen Publikum angepasst präsentiert werden, das ist wahrlich kein neues Stilmittel, denn "Bridgerton", "Dickinson" und "The Great" sind nur wenige Beispiele allein der letzten Jahre. In diesem Sinne ist es kaum verwunderlich, dass von den beiden Drehbauchtoren Ron Bass und Alice Victoria Winslow auf diesen Zug aufgesprungen wurde. Dennoch eignet sich natürlich nicht jede Vorlage gleich für moderne Stilmittel, gerade wenn man sich eher auf eine bodenständige historische Umsetzung eingestellt hat. Bei "Überredung" sind aber das einzig historische die Kostüme und vielleicht einige gesellschaftliche Ansichten, weswegen es für mich doch eine eher ungewöhnliche Austen-Verfilmung war. Was sind hier nun die modernen Stilelemente? Hauptfigur Anne wendet sich immer wieder direkt an das Publikum und kommentiert dadurch das Geschehen sehr ironisch. Doch es ist nicht nur die direkte Ansprache, die auffällt, sondern auch die Art und Weise, wie es erzählt wird. Viele moderne Elemente finden ihren Weg in diesen Film, obwohl sie kulturell erst viel später Standard werden. So ist das Weintrinken in der Badewanne in den Rom-Coms von heute ein sehr beliebtes Motiv; Anne hat es schon im 19. Jahrhundert erfunden. Aber auch die Playlist, von der sie spricht, was hier zusammengeschnürte Notenpapiere meint oder die Skalierung von anderen Mitmenschen auf einer Skala von eins bis zehn, das sind nur wenige weitere Beispiele, die man in diesem Film bemerken kann. Auch wenn Anne sich augenzwinkernd ans Publikum wendet, weil sie prognostiziert, was die ersten drei Themen sein werden, die ihre Schwester Mary (Mia McKenna-Bruce) zur Sprache bringen wird, und diese dann deutlich sichtbar für uns abzählt, das sind die Momente, wo man tatsächlich schnell mal vergisst, in welchem Jahrhundert man sich eigentlich befindet, weil es von der Stilistik her eigentlich zu vertraut ist.
Nun muss ich sagen, dass durch die modernen Elemente für mich wirklich ein angenehmer humoristischer Stil beigefügt wurde, der mich durchaus unterhalten konnte, weswegen ich die Verfilmung definitiv nicht vollends kritisieren kann, dennoch ist es ein schmaler Grat, auf dem sich "Überredung" hier bewegt. Denn Anne wird uns für ihre Zeit als moderne Frau verkauft und das ganz abseits von ihren direkten Ansprachen ans Publikum, gleichzeitig hängt sie zu bieder und unsicher in altem gesellschaftlichen Denken fest. Sie denkt zwar weiter, aber danach handeln tut sie nicht. Wenn man dann parallel an die moderne Stilistik denkt, dann ist das ein großer Widerspruch. Anne bricht nur in wenigen Momenten aus dem gesellschaftlichen Korsett aus, wenn sie z. B. auf die Kinder ihrer Schwester aufpasst und nebenan eine Feierlichkeit steigt und sie aufgeregt nach Fredrick schreit. In der Hauptsache ist sie aber eher eine stumme Zuschauerin ihres eigenen Schicksals, von der man sich so manches Mal mehr Eigeninitiative wünscht, zumal eben die Ansätze ständig vor Augen geführt werden, denn gerades Annes Kommentierungen sind so scharfzüngig und pointiert, dass man sie so in ihrer Persönlichkeit gerne durchgängig erleben würde. Andererseits sind die modernen Stilelemente genau dann ein Geschenk, wenn sich der Inhalt des Films nur noch als pure Langeweile herausstellt und das passiert durchaus mehrfach. So braucht der Film zu Beginn schon ordentlich Zeit, um richtig in Gang zu kommen, denn erstmal passiert nicht viel und wir bekommen von Anne die Familienverhältnisse erklärt, warum sie so ein gutes Verhältnis zu der mütterlichen Freundin Lady Russell (Nikki Amuka-Bird) hat und wie sie einst für den Seemann Wentworth geschwärmt hat. Wäre hier die direkte Ansprache nicht, vielleicht wäre das schon längst ein Moment zum Abschalten gewesen. Im späteren Verlauf sind es oft die Spaziergänge, die die inhaltliche Leere repräsentieren. Es ist nie genau ersichtlich, warum sie in großen Gruppen aufbrechen und oft muss man die spannenden Handlungselemente dabei mit der Lupe suchen. Schon oft mussten sich Austen-Verfilmungen anhören, dass sie etwas zu sehr in die Länge gezogen wurden, um der Vorlage Treue zu leisten. Das Problem ist auch hier zu erkennen, aber es fällt wegen der Stilistik nicht ganz so deutlich ins Auge.
Obwohl ich die Vorlage hier wie gesagt nicht kenne, so lässt sich eine Romanzusammenfassung gut nachlesen und im Grunde kann man sagen, dass es sich doch um eine recht nahe am Originalstoff entlanghangelnde Adaption handelt. Dennoch schwanken die Änderungen sicherlich zwischen bissig-ironisch und lächerlich. So gibt es relativ am Ende eine Szene, als Annes zweiter Mann von Interesse, Mr. Elliot (Henry Golding), ein entfernter Verwandter, plötzlich mit Penelope Clay (Lydia Rose Bewley) auf offener Straße erwischt wird. Das ist dann wirklich eher absurd als wirklich unterhaltsam und das sind dann auch die Momente, wo es die Adaption in meinen Augen völlig übertreibt. Auch Annes Vater Walter (Richard E. Grant) ist nah am Rande des Wahnsinns inszeniert, aber das konnte ich noch unter akzeptablem Humor verbuchen. Zumal hier auch noch ein weiterer starker Aspekt des Films hereinspielt, dass der Cast genau das vermittelt bekommt, was die Intention von Drehbuchautoren und Regisseurin Carrie Cracknell wohl war. Vor allem sticht Johnson für mich heraus, denn auch ohne die modernen Elemente wäre sie für mich eine Idealbesetzung für einen Historienfilm mit einer Rolle wie Anne. Sie strahlt etwas sehr Zartes und Charmantes aus, kann Dialoge sprechen, auch wenn sie der damaligen Sprache geschuldet, noch so hochtrabend klingen und spricht aber auch mit Gestik und Mimik ausreichend. Aber natürlich sind es vor allem die Momente, wo sie sich direkt an die Kamera wendet, wo man endgültig verzaubert ist, weil sie mit der Kamera regelrecht flirtet. Neben dem bereits erwähnten Grant ist es auch Golding, der den Schwerenöter von Cousin genau richtig zwischen charmant-herausfordernd und einfach nur plump einfängt.
Auch wenn ich Cosmo Jarvis als männlichem Protagonisten Fredrick Wentworth nicht viel vorwerfen kann, weil er eben den verschmähten Liebhaber darstellen muss, der sich eher abweisend gegenüber Anne verhält, so sind die beiden nicht unbedingt eine Paarung, die einen richtig ins Schwärmen kommen lässt. Vielleicht sind auch die zuvor angesprochenen Schwächen zu Beginn des Films das Problem, denn die zarten Anfänge ihrer Liebe bekommen wir erzählt, aber so richtig erleben wir sie nicht. Dann noch eben den eher beleidigten Wentworth in der Gegenwart und es ist schwer, eine wirkliche Liebesgeschichte zum Mitfiebern zu erkennen. Wenn Goldings Mr. Elliot zwischendurch nicht so völlig unpassend erschienen wäre, hätte ich mir auch ein Happy End mit ihm für Anne vorstellen können und das ist für einen Liebesfilm jetzt nicht unbedingt das beste Kompliment. Zum Ende hin wird es zum Glück besser, weswegen vor allem sein Liebesbrief ein guter Schachzug ist, denn bis dato ist für die Zuschauer*innen nur Annes Gefühlsleben ein offenes Buch; der Brief ermöglicht es in dem Sinne, dass auch Fredricks Perspektive auf den Punkt verständlich gemacht wird.
Fazit
"Überredung" ist vermutlich eine Jane-Austen-Adaption, an der sich die Geister scheiden. Der von der Autorin gedachte Inhalte ist da, wird aber sehr modern angereichert, was vermutlich nur nach Geschmack und Erwartungshaltung zündet. Mit Dakota Johnson ist jedenfalls eine Hauptdarstellerin gefunden worden, die die Intention des Films zufriedenstellend transportiert bekommt und einige Stilelemente täuschen auch über die inhaltlosen Stellen weg. Jedoch ist die Diskrepanz von Modernität und akkurater gesellschaftlicher Darstellung des 19. Jahrhunderts manchmal zu groß. Zu diesem Film sollte man sich also definitiv selbst eine Meinung bilden.
Lena Donth - myFanbase
29.07.2022
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: PersuasionVeröffentlichungsdatum (USA): 15.07.2022
Veröffentlichungsdatum (DE): 15.07.2022
Länge: 107 Minuten
Regisseur: Carrie Cracknell
Drehbuchautor: Ron Bass & Alice Victoria Winslow
Genre: Romance, Drama
Darsteller/Charaktere
Dakota Johnson
als Anne Elliot
Cosmo Jarvis
als Fredrick Wentworth
Richard E. Grant
als Sir Walter Elliot
Yolanda Kettle
als Elizabeth Elliot
Simon Paisley Day
als Mr. Sheperd
Nikki Amuka-Bird
als Lady Russell
Lydia Rose Bewley
als Penelope Clay
Agni Scott
als Mrs. Croft
Stewart Scudamore
als Admiral Croft
Mia Mckenna-Bruce
als Mary Musgrove
Nia Towle
als Louisa Musgrove
Izuka Hoyle
als Henrietta Musgrove
Ben Bailey Smith
als Charles Musgrove
Eve Matheson
als Mrs. Musgrove
Gary Beadle
als Mr. Musgrove
Edward Bluemel
als Captain Harville
Afolabi Alli
als Captain Benwick
Jenny Rainsford
als Mrs. Harville
Henry Goulding
als Mr. Elliot
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