Die Schwimmerinnen
Inhalt
2015 beschließen die beiden Mardini-Schwestern Yusra (Nathalie Issa) und Sarah (Manal Issa), dass sie aus Syrien fliehen, als dort Bürgerkrieg herrscht, denn sie sind hoffnungsvolle Schwimmerinnen, die nach dem Wunsch ihres Vaters Ezzat (Ali Suliman) für Syrien bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio antreten sollen. Doch die Flucht mit Endziel Deutschland erweist sich als schwierig und gefährlich und sie tragen letztlich dazu bei, dass sie mit ihren Schwimmfähigkeiten ihr Flüchtlingsboot gen Land ziehen können. Doch auch in der vermeintlichen Sicherheit warten große Herausforderungen auf die Schwestern und die Zeit bis zu den Olympischen Spielen rinnt ihnen immer mehr durch die Finger.
Kritik
Auf Yusra Mardini bin ich im Rahmen der Olympischen Spiele 2016 aufmerksam geworden, denn da sie als syrischer Flüchtling in Deutschland registriert worden ist, hat die deutsche Presse unweigerlich von ihr berichtet, als sie für das Flüchtlingsteam als Schwimmerin angetreten ist. Doch die Berichte waren dennoch nicht so individualisiert über ihre persönliche Geschichte gewesen, dass ich da viele Informationen aufschnappen konnte. Als nun bei Streamingdienst Netflix der Film "Die Schwimmerinnen" angekündigt wurde, war ich sofort hellhörig, als ich dem Namen von Yusra wieder begegnete und da war für mich sofort klar, dass ich ihn mir ansehen würde. Vorab war ein Video veröffentlicht worden, wie Yusra sich den Trailer zu dem Film ansieht und es war direkt sehr bewegend, wie sehr sie das alles mitgenommen hat, obwohl sie sogar schon den ganzen Film kannte. Es hat mir aber gezeigt, dass es ein sehr echtes Endergebnis geworden ist. Zwar hat es kleinere Veränderungen gegeben, wie der finale Grund, warum die Schwestern fliehen (so ist es dramaturgisch metaphorischer), aber in sich ist die Handlung des Films genau so erzählt worden, wie es die Mardinis auch erlebt haben. Das ist für mich ein wichtiger Punkt, denn Filme, die auf wahren Geschichten beruhen, haben immer die Gefahr, dass es um die Sensation dahinter geht, nicht aber um den eigentlichen Kern, der oftmals aussagekräftig genug ist.
Der Film setzt zu einer Zeit ein, als in Syrien die Welt noch in Ordnung ist. Es ist sicherlich wichtig hier zu zeigen, wie sehr das Leben dort dem unseren in Deutschland ähnelte, denn in der Flüchtlingsthematik gibt es leider viel zu viele Vorurteile und dazu gehört oftmals der Glaube, dass ein Land, aus dem man fliehen muss, irgendwo hinter dem Mond angesiedelt sein muss. Dem ist aber wahrlich nicht so und so sieht man eine Familie mit Träumen, mit der Lust am Leben und ihrer Zufriedenheit, einander zu haben. Doch nach und nach brechen rund um sie herum Bürgerkriege aus und letztlich ist auch Syrien dran und das Leben ändert sich gewaltig. In diesen Momenten hat man die nachjustierte Dramaturgie am ehesten gesehen, aber es sind eben auch Szenen, die dann am effektivsten zeigen, wie lange sich ein Land im Zwiespalt befindet, dass alles normal weitergehen muss, während gleichzeitig die tägliche Lebensgefahr um ein Vielfaches ansteigt. Das waren dementsprechend eindrückliche Szenen, die großes Unbehagen auslösten, auch weil die Thematik überall auf der Welt immer aktuell ist, gerade auch in der Ukraine.
Schließlich kommt es zu der eigentlichen Flucht und auch hier fand ich es wichtig, wie viel Erzählzeit hier aufgewendet wird. Auch wenn nachher die Möglichkeit der Olympischen Spiele am reizvollsten erscheint, ist es für den Film nur der Endaspekt, aber nicht das, was die eigentliche Geschichte ausmacht. Die eigentliche Geschichte ist die Gruppe von Flüchtlingen, die aus allen möglichen Ländern in der Türkei zusammenzukommen, um dort nach Griechenland überzusetzen. Die Destinationen sind unterschiedlich, aber die Gründe sind alle gleich. Hier war es passend, dass das Kennenlernen der Gruppe so intensiv betrieben wird, denn nachdem sie die Schmuggler für die Überfahrt bezahlt haben, gibt es ein banges Ausharren am Wald unmittelbar in Strandnähe. Die Schmuggler sind weg, um ein Boot zu holen, aber kommen sie wirklich wieder? In diese Situation hinein knüpfen die Menschen schnell ein enges Band. Hier geht es nicht darum, dass typische soziale Prinzipien in Gang gesetzt werden, wenn unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen, sondern sie sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die zusammen überleben wollen. Als schließlich die Schmuggler mit dem viel zu kleinen Schlauchboot auftauchen, wird die Kameraführung hektisch, was hier eine effektive Maßnahme ist, um auch bei den Zuschauer*innen Ängste auszulösen, denn man sieht das Boot, man sieht die Gruppenstärke, die darin übersetzen will und ahnt, das kann niemals gut gehen. Dennoch hat die Gruppe nicht viel Zeit, um das rational durchzugehen, denn die Schmuggler drängen. Sie geben nur noch knappe Anweisungen zum Motor und dann ist das Boot schon so weit rausgetrieben, dass es auch kein Zurück mehr gibt. Hiernach folgen die emotional intensivsten Szenen, denn die Angst und Panik ist überall greifbar. Letztlich kommt der stärkste Moment, wenn sich die Schwestern und wenige weitere entschließen, das Boot zu verlassen, um ihm das Gewicht zu nehmen und das Boot dann nach dem Motorausfall mit ihrer Schwimmkraft gen Ufer zu ziehen. Es ist eine Lösung, die so offensichtlich scheint, aber einerseits kann nicht jede*r mit Seepferdchen so schwimmen, wie es in einem solchen Fall nötig ist und die Wetterlage muss entsprechend auch mitspielen. Deswegen wandern die Gedanken unweigerlich zu den Flüchtlingsbooten, die tagtäglich die gefährliche Überfahrt wagen und wo oftmals es nicht eine Person ans rettende Ufer schafft. Bedrückender realistisch geht es kaum.
Doch auch nach der Rettung ans Ufer geht die wilde Reise weiter, denn in Griechenland will niemand mit den Flüchtlingen zu tun haben und dann stellt sich wieder die Frage, wie kommt man weiter? Zig illegale Szenarien, aber welche bringt wirklich ans Ziel. So entscheidet sich Yusra dagegen, in einem Laster mitzufahren, so dass Sarah und Cousin Nizar (Ahmed Malek) ebenfalls davon ablassen. Später wird zwar verraten, dass es ein weiterer Flüchtling, der den LKW gewählt hat, überlebt hat, aber wir wissen auch, dass es beim Schmuggeln in Laderäumen von LKWs nicht gut ausgegangen ist. Hier wird also immer wieder mit der Realität gespielt. Erst nach einigen Monaten in Berlin, als die Mardini-Schwestern mit Schwimmtrainer Sven (Matthias Schweighöfer) einen Förderer an ihre Seite erhalten, scheinen sie richtig angekommen zu sein. Doch spätestens hier nimmt sich der Film dann viel Zeit, um Charakterarbeit bei den Schwestern zu leisten. Das ist auch vorher schon gelungen, denn dort wurde immer offensichtlich, dass Yusra die talentiertere von beiden im Wasser ist, was Sarah sehr wohl weiß und was sie auch belastet. Während sie auf der Flucht als beide sehr empathische Menschen bedingungslos an einem Strang gezogen haben, ruhten diese unausgesprochenen Konflikte, aber zunächst auf beengtem Raum in der Flüchtlingsunterkunft in Berlin und später dann mit mehr Freiheit bricht es völlig auf. Hier erleben wir dann einen anderen Schwerpunkt, hier spricht weniger die Handlung als vielmehr die Figuren. Während für Yusra das Schwimmen ihre Sprache ist, mit der sie sich mitteilen will, will Sarah diesen Traum endgültig begraben und lieber direkt dort wirken, wo sie gebraucht wird, an der Küste, wo immer weitere Flüchtlinge ankommen. Auf einmal steht viel zwischen den Schwestern, denn Yusra glaubte immer an einen gemeinsamen Traum und ihre Unsicherheit wirkt sich auf ihr Schwimmleistung aus. Deswegen ist es am Ende schön, dass beide erkennen, dass sie unterschiedliche Träume haben, aber dennoch füreinander da sein können. Auch wenn der Film so mit einem Happy End ausgeht, zeigen spätestens die Informationen über die aktuelle Situation, dass ihre Geschichte weitergeht. Zurecht. Und die Mardinis sind ohne Frage aussagekräftige Beispiele dafür!
Fazit
"Die Schwimmerinnen" ist ein wirklich eindrücklicher Film, der die wahre Geschichte der Mardini-Schwestern erzählt und ein möglichst breites Bild ihrer Erlebnisse darstellt. Das ergibt eine wilde Achterbahn und man kann wirklich kaum den Blick vom Bildschirm nehmen. Wie wichtig solche Filme sind, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren und dieser ist dazu lehrreich, ohne lehrreich sein zu wollen. Daher wirklich sehr empfehlenswert!
Lena Donth - myFanbase
27.11.2022
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: The SwimmersVeröffentlichungsdatum (USA / UK): 23.11.2022
Veröffentlichungsdatum (DE): 23.11.2022
Länge: 134 Minuten
Regisseur: Sally El Hosaini
Drehbuchautor: Sally El Hosaini & Jack Thorne
Genre: Drama
Darsteller/Charaktere
Nathalie Issa
als Yusra Mardini
Manal Issa
als Sarah Mardini
Ali Suliman
als Ezzat Mardini
Ahmed Malek
als Nizar
Matthias Schweighöfer
als Sven
Nahel Tzegai
als Shada
Semo Salha
als Amjad
Victoria Valcheva
als Kostana
Dritan Kastrati
als Vadim
Kinda Alloush
als Mervat Mardini
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