Bewertung
David Lowery

Peter Pan & Wendy

Foto: Peter Pan & Wendy - Copyright: 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen
Peter Pan & Wendy
© 2023 Disney und seine verbundenen Unternehmen

Inhalt

Die junge Wendy (Ever Anderson) weigert sich, dem Wunsch ihrer Eltern gemäß auf ein Internat zu gehen, weswegen sie am liebsten nie erwachsen werden würde. Das ruft Peter Pan (Alexander Molony), den Jungen auf den Plan, der niemals erwachsen werden will. Er und seine Fee Tinkerbell (Yara Shahidi) nehmen Wendy und ihre Brüder John (Joshua Pickering) und Michael (Jacobi Jupe) mit nach Nimmerland. Dort hat es aber Captain Hook (Jude Law) auf Peter Pan abgesehen, um endlich seine Rache zu bekommen. Wendy wird schnell in ein gefährliches Abenteuer hineingezogen, was sie schnell mehr darüber lehrt, was der Wunsch auslöst, niemals erwachsen werden zu wollen.

Kritik

Die 1902 von J. M. Barrie entwickelte Figur Peter Pan ist schon vielfach immer wieder neu adaptiert worden. Während sie von Barrie intendiert für das Theater geschaffen worden ist und dort auch bis heute immer wieder in neuen Interpretationen weltweit zu sehen ist, hat es Peter Pan mit Captain Hook, Wendy und Co. im Schlepptau auch vielfach in Film und Fernsehen geschafft und definitiv nicht jedes Mal war Disney involviert. Angesichts dieser ganzen Neuadaptionen verwundert es wenig, dass die Realverfilmung aus dem Jahr 2023, diesmal wieder verantwortet durch Disney, fast schon untergeht. Während im Mai 2023 eigentlich alle nur noch auf die Realverfilmung zu "Arielle, die Meerjungfrau" warten, kommt Ende April noch mal kurz "Peter Pan & Wendy" um die Ecke und schafft es aber nur auf eine direkte Veröffentlichung auf Streamingdienst Disney+. Das ist wahrlich nicht vielversprechend, dass man in diese neue Realverfilmung viel Hoffnung gesteckt hat, so dass man sich die Frage durchaus stellen kann, warum sie überhaupt produziert wurde? Ist der Markt vielleicht einfach übersättigt, was Peter Pan und seine Kollegen angeht? Dennoch habe ich gerne reingeschaut, denn die Geschichte des Jungen, der niemals erwachsen werden will, lässt wohl auch heute noch in jedem etwas klingen, wenn man sich manches Mal in die unbeschwerte Kindheit zurücksehnt.

Regisseur David Lowery hat offenbar die Aufgabe gestellt bekommen, die 1953 veröffentlichte Zeichentrickverfilmung "Peter Pan" als Ausgangslage zu nehmen, was den Einstieg in den Film wirklich sehr vertraut macht. Bei den Realverfilmungen von Disney stellt sich ohnehin oft genug die Frage, wie eng sie an der Zeichentrickversion ist und ich finde es hier positiv, dass der Regisseur oft genug ganz eigene Wege findet. Im Grunde hat er es auch gemusst und vielleicht ist das auch der Grund, warum es überhaupt angesichts der ganzen Adaptionen noch einen neuen Versuch mit Peter Pan gibt. Angesichts der ganzen Bemühungen von Disney in den letzten Jahren, viel diverser zu agieren, müssen auch manche Fehler der Vergangenheit ausgeräumt werden und da hat "Peter Pan" einiges an Buße zu tun. Daher ist an der Besetzung von "Peter Pan & Wendy" nahezu überhaupt nichts vertraut und das ist gut so. Molony als Peter Pan muss wahrlich keine roten Haare haben, Tinkerbell (oder Naseweis, wie es im Deutschen heißt) darf mit Shahidi besetzt dunkelhäutig sein, bei den Lost Boys sind Mädchen willkommen, mit Noah Matthews Matofsky wurde erstmals ein Schauspieler mit Down-Syndrom besetzt und für Tiger Lilly darf mit Alyssa Wapanatâhk tatsächlich eine indigene junge Frau besetzt werden. Für die Zuschauer*innen, die verbissen nach den ursprünglichen Äußerlichkeiten verlangen, sei immerhin gesagt, dass mit den Darlings noch alles beim Alten bleibt.

Doch diverse und löbliche Besetzungen sind natürlich nicht alles und machen einen Film nicht automatisch gut. Tatsächlich fand ich es sogar fast verschwendet, Shahidi als Tinkerbell zu besetzen. Durch "Black-ish" und "Grown-ish" kenne ich sie schon lange und dementsprechend auch gut. Ihr Potenzial wird wirklich in keiner Weise ausgenutzt, weil sie eben nur über Mimik wirken darf und ganz am Ende ein paar Zeilen Text hat. Nun muss man aber auch sagen, dass Tinkerbell auch inhaltlich anders ausgerichtet ist, was mich zwiegespalten zurücklässt. Zunächst finde ich es großartig, dass das ganze Eifersuchtsdrama von Tinkerbell wegen Wendy gestrichen wurde, weil es immer schon der Aspekt war, der mich egal in welcher Version, besonders gestört hat. Gleichzeitig muss man natürlich sagen, dass eben dieses Eifersuchtsdrama dann auch Tinkerbell mimisch viel Raum zur Verfügung gestellt hat, empört und zornig zu gucken. Das fällt hier weg. Aber es ist leider auch nicht so, dass Tinkerbell eine (neue) andere Funktion zukommt. Sie ist eigentlich etwas die Verliererin in diesem Film, was dann auch wieder das verschenkte Potenzial von Shahidi unterstreicht. Dennoch verstehe ich, dass es für sie als Person of Color so oder so ein Gewinn ist, für diese Rolle besetzt worden zu sein, weil es auch viel innerhalb ihrer Community bewirken kann. Ein zweiter Verlierer des Films ist in meinen Augen Peter Pan selbst. Das Schauspiel von Molony möchte ich beispielsweise nicht generell anzweifeln, aber ich fand ihn optisch im Gegensatz zu den anderen fast zu jung besetzt. Aber es ist nicht nur das Äußere, es ist auch das Drehbuch, das der Titelfigur nicht zugunsten arbeitet. Deswegen war es immerhin auch schon clever, Wendy mit in den Titel zu nehmen. Auch wenn es wahrscheinlich verständlicher wird, wenn ich über sie selbst spreche, so ist in Bezug auf Peter Pan zu sagen, dass es nicht sein Film ist. Am Ende, als er sich fast schon ruckartig für die alten Fehler entscheidet, ist sofort klar, er ist der Verlierer des Films, denn er hat die Lektion des Lebens nicht verstanden. Ich war eigentlich noch nie ein wirklicher Fan dieser Figur, ich musste immer mehr über die anderen Figuren abgeholt werden, und das hat sich auch in dieser Neuverfilmung noch einmal bestätigt.

Die anderen Figuren wiederum gewinnen, weil es für sie eine löbliche Charakterarbeit gibt. Es gab wirklich Aufarbeitungen, mit denen ich nicht gerechnet habe und die gerade deswegen mich auch am meisten begeistern konnten. In meinen Augen sind es vor allem Wendy und Hook, die als Figuren hervorstechen. Sie wird nicht so sehr in die Rolle eines Mädchens gedrängt, dass sich entsprechend der Stereotypen zu verhalten hat. Der Konflikt mit ihren Eltern (Molly Parker & Alan Tudyk) rührt daher vor allem daher, dass sie in keine gute Vorbildrolle hineinwächst, weil sie eben an der Schwelle zum Erwachsenendasein steht und sich gleichermaßen kindlich wie ihre Brüder, aber eben auch gesitteter verhält. Mit ihrem Geschlecht hat das erfreulicherweise überhaupt nichts zu tun. Deswegen bleibt es auch überzeugend, dass sie in Nimmerland angekommen nie dem Zauber so ganz verfällt. Wendy ist schon so reif, dass sie am ehesten mit den Nachteilen konfrontiert wird, was es bedeutet, ewig Kind zu bleiben. Gleichzeitig macht ihre Reife sie aber auch nicht sofort zur Mutter der Kompanie. Auch hier schwingt Selbstbestimmung mit. Das wird dann gleich auch noch um die restlichen weiblichen Figuren herumgesponnen. Tiger Lily wird so zur Ratgeberin von Wendy und die wiederum verschafft Tinkerbell Gehör. Hier schließt sich ein Kreis, auch weil der Schlüssel Zuhören ist.

Wendys Wesen wirkt sich auch auf die Darstellung von Hook aus, denn sie will seiner Geschichte auf die Spur kommen, so dass wir es als Zuschauer*innen automatisch mit ihr tun. Auch wenn es nicht die erste Adaption ist, die dem auf dem Grund geht, was Hook zu dem gemacht hat, der nun ist, so finde ich es gut, dass das aber auch bedient wurde. Gerade eben, weil es bei Peter Pan etwas vernachlässigt wurde. Damit verbunden sollen dann auch lobende Worte an Law sein, der die Tiefe einer Figur wie Hook gerecht geworden ist und die sensiblen Momente mit seiner Sehnsucht nach einer Mutterfigur genauso überzeugend spielt wie die arroganten und verschreckten Momente angesichts des Krokodils. Zwar macht auch er keine Wunderheilung durch, aber dass es bei ihm keine Umkehr gibt, das wirkt wenigstens logisch als bei dem störrischen Peter Pan, der durch Wendys Einfluss nicht zum Strahlen kommt.

Was mich nun gar nicht überzeugt hat, dass ist die optische Aufmachung des Films. Während andere Disney-Klassiker so bunt und dadurch vibrierend sind, ist das hier einfach nur trostlos. Dass London bei Nacht und im Schlafzimmer der Darlings nicht sonderlich bunt daherkommt, okay. Aber spätestens Nimmerland hätte ich mir doch anders vorgestellt. Es soll sich schließlich ein Sehnsuchtsort sein, damit man verstehen kann, warum die Kinder diesen Ort und die damit verbundenen Abenteuer einem Leben in der eigenen Familie vorziehen. Ich habe aber nichts gesehen, was auf mich einen entsprechenden Reiz ausgeübt hätte. Insgesamt würde ich sagen, dass gerade Nimmerland auch nicht so eine Bedeutung eingenommen hat wie die Gestaltung des Piratenschiffs. Weiterhin würde ich das Erzähltempo nicht immer als ideal bezeichnen. Aus diesem Grund kommt wahrscheinlich auch Nimmerland zu kurz, weil es eigentlich nur eine größere behagliche Szene gibt, während ansonsten schon wieder das eine Abenteuer das nächste jagt. Es wurde sich zwar Zeit für einige schöne Charakterentwicklungen genommen, aber eine überzeugende Einführung in die Welt wurde nicht vollzogen.

Fazit

"Peter Pan & Wendy" ist eine sehr moderne Neuinterpretation, die mich gerade mit den Veränderungen zu überzeugen wusste, weil sie den Stoff in unser Jetzt hieven. Stilistisch war ich nicht immer glücklich, weil es wenig märchenhaft war. Da aber Vergleiche zu anderen Adaptionen unweigerlich nicht ausbleiben werden, sind vielleicht genau die Zuschauer*innen Gewinner*innen, die erstmals mit der Vorlage in Kontakt kommen, denn die werden sich sehr gut unterhalten fühlen.

Mehr über Disney sowie die Animations- und Realverfilmungen findet ihr in unserem Disney-Special!

Lena Donth - myFanbase
02.05.2023

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