Bewertung
Àlex & David Pastor

Bird Box: Barcelona

Foto: Bird Box Barcelona - Copyright: 2023 Netflix, Inc.
Bird Box Barcelona
© 2023 Netflix, Inc.

Inhalt

Nachdem eine mysteriöse Kraft die Weltbevölkerung dadurch dezimiert, dass alle Menschen, die diese Kraft ansehen, sich selbst das Leben nehmen, müssen sich Sebastián (Mario Casas) und seiner Tochter Anna (Alejandra Howard) durch die Straßen von Barcelona schlagen. Doch sie geraten in die Fänge einer Gruppe, die alles für Sebastián verändert, der fortan selbst eine Mission hat, doch steht er wirklich hinter ihr?

Kritik

Wenn mich meine Erinnerung nicht gänzlich täuscht, dann war "Bird Box - Schließe deine Augen" mein erster Film bei Netflix und er hat ja tatsächlich 2018 richtig eingeschlagen, auch weil da der Streamingdienst noch nicht so viele Filme mit großen Namen aufweisen konnte. Da war ein Film mit Sandra Bullock in der Hauptrolle doch echt ein Aushängeschild und mich hat dieser Film, wo sich alle mit Augenbinden durchschlagen müssen, um sich nicht selbst umzubringen, doch sehr gut unterhalten. Nun ist fünf Jahre später mit "Bird Box: Barcelona" ein Nachfolger auf den Markt gekommen und der Titel verrät es bereits deutlich, der erste Teil wird nicht inhaltlich fortgesetzt, stattdessen kann man die zweite Verfilmung nun eher als zeitliche Ergänzung sehen, weil wir miterleben, wie in Spanien das neue Phänomen ausbricht und wie dort die Menschen ums Überleben kämpfen. Der Film ist aber auch eine inhaltliche Ergänzung, denn im ersten Teil gab es die Figur Gary, die von Tom Hollander dargestellt wurde, und die dafür sorgt, dass andere infiziert werden. Das wird uns im zweiten Teil unter dem Begriff 'Seher' erklärt und diese Gruppierung wird stark in den Fokus gerückt, so dass der Schwerpunkt tatsächlich etwas anders ausgelegt ist als beim ersten Film. Das fand ich auf jeden Fall positiv, denn es hätte "Bird Box: Barcelona" sicherlich nicht gestanden, eine exakte Kopie der US-amerikanischen Verfilmung zu sein.

Dennoch weisen die Filme natürlich viele Parallelen auf. Denn in der Hauptsache geht es eben darum, dass sich Gruppen durch die Straßen durchschlagen, um sich entweder kurzweilig zu versorgen oder die aufbrechen, weil sie von einem sicheren Hort gehört haben und wieder auf eine Art normales Leben hoffen. Natürlich gehen weder die Ausflüge noch die längeren Reisen nicht ohne herbe Verluste einher und da zeigt sich eben auch, dass es keine unendliche Anzahl von Möglichkeiten gibt, sich spektakulär selbst das Leben zu nehmen. Diese Handlungselemente sind also sehr wiederholend und da finde ich es auch schade, dass "Bird Box: Barcelona" eher plump ein Muster bedient hat, das sein Publikum findet, als sich etwas mehr abzusetzen. Eine Parallele ist sicherlich auch, dass es wieder viel um eine Eltern-Kind-Bindung geht. Hier wird ganz deutlich eine besondere Art von Liebe verwendet, die auch emotional mit den Zuschauer*innen etwas macht. Am Anfang sind das eben Sebastián und Anna, die mit der Szene mit dem Rollschuhfahren einen unbeschwerten Moment geschenkt bekommen, wo man denkt, oh, der Vater traut sich angesichts der Gefahr wirklich was, um seinem kleinen Mädchen in dem neuen schrecklichen Alltag etwas zu bieten. Später wiederum sind es Claire (Georgina Campbell) und Sofia (Naila Schuberth), die ein enges Duo miteinander bilden und angesichts ihrer Bindung alles an emotionalem Schwerpunkt auf sich ziehen, auch weil durch die beiden eben gezeigt wird, dass auch ohne biologische Mutterschaft eine solche enge Verbindung geknüpft werden kann.

Dennoch hat "Bird Box: Barcelona" eben diesen einen großen Unterschied und das ist die Enthüllung zu Sebastián. Es war ein sehr interessanter Moment, weil sich zwar wegen Anna schon Zweifel aufgebaut haben, aber stattdessen habe ich erstmal an ein unverarbeitetes Trauma gedacht. Was Sebastiáns eigentlicher Plan war, das kam dann aus dem positiven Nichts und ist für mich persönlich auch das Highlight des Films, weil man im Grunde diesmal nicht mit selbstlosen Helden mitfühlt, sondern eigentlich steht man auf der Seite des Antagonisten, wobei ich diesen Begriff mit großer Vorsicht nutze, denn der Film verdeutlicht später effektiv, dass diese schwarz-weiß-Betrachtung nicht angemessen ist. Es ist auf jeden Fall eine neue Perspektive, sich diesen Sehern zu nähern, auch wenn es kein wirklich einheitliches Bild war, was uns geboten wurde. Pater Esteban (Leonardo Sbaraglia) ist klar in die Ecke des fanatischen Glaubens gesteckt worden, wobei ich dann letztlich interpretiert habe, dass bei ihm eben sein tiefer Glaube bewusst gegen ihn verwendet wurde und dass diese übernatürliche Kraft jetzt nicht wirklich Gott darstellen soll, der mal eben auf der Erde aufräumt. Dass das dann so viele dem Pater willenlos gefolgt sind, passte für mich dann auch, denn in einer religiösen Gemeinschaft ist der Pater oft derjenige, dem blind gefolgt wird, so dass sie vermutlich gar nicht bei eigenen Traumata oder manipulierbaren Gefühlen gepackt werden mussten. Umgekehrt war es dann bei Sebastián eben der herbe Verlust seiner Familie und dass ihm versprochen wurde, dass er Anna und Laura (Celia Freijeiro) wiederbekommen wird. Aber bei ihm war daran zu rütteln und das auch wegen Sofia, weil er in ihr Anna sehen konnte und daher vermehrt Zweifel bekam, welcher Gott solche Opfer fordern würde.

Insgesamt muss man wieder sagen, dass das emotionale Mitleiden aber nur mit einer sehr geringen Personenanzahl möglich war, dabei gab es so wenig Figuren gar nicht. Sebastián trifft auf gleich zwei Gruppen, wo einzelne Charaktere klarer positioniert wurden, aber so richtig hat es eben doch nicht gezündet. Der Fokus des Films war sehr eng und lag eigentlich nur bei Sebastián und Claire sowie Sofie. Das macht die Laufzeit des Films manchmal etwas zäh, weil sich so wiederholende Elemente ergeben. Das hätte man durchaus auch auf die anderen Figuren verteilen können, gerade bei denen aus der zweiten Gruppe, weil sie länger zusammen waren. Dennoch kann man sich gut durch den Film treiben kann, wobei es wohl schon besser war, dass ich "Bird Box" nicht vorher nochmal geguckt habe, weil ansonsten wäre es vielleicht deutlich langweiliger geworden. Dennoch stellt sich natürlich die Frage, welchen Mehrwert dieser Film jetzt hat? Es gab die Perspektive der Seher, ja, und wir haben am Ende eine Andeutung für eine Lösung, aber wird daraus was gemacht? Ich habe den Eindruck, dass sich "Bird Box: Barcelona" wirklich erst dann lohnen wird, wenn es vielleicht noch einen abschließenden dritten Teil gibt, der eine Weltlösung darstellt und dann den ersten und zweiten Teil verschmelzen lässt. Sollte das nicht erfolgen, dann hat "Bird Box: Barcelona" nicht viel mehr geboten und ist vielleicht einfach nur eine Ausschöpfung eines sehr erfolgreichen Films, der aber keine große qualitative Erleuchtung darstellt.

Fazit

"Bird Box: Barcelona" ist recht schwer einzuschätzen, wenn man nicht in die Zukunft schauen kann und weiß, dass es einen klaren Plan gibt für dieses Franchise. Ist der Film nun nur ein Gimmick oder ein Hinarbeiten auf ein großes Finale? Zwar sind der Ortswechsel und die Fokussierung auf die Seher eine Ergänzung, aber vielleicht doch etwas zu wenig, wenn es nicht weitergeht. Die Filme sind sich insgesamt dann nämlich zu ähnlich und man ist den Erklärungen dahinter nicht entschieden nähergekommen. Die Qualität des Films entscheidet sich somit wohl vor allem über die Erwartungshaltung.

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Lena Donth - myFanbase
17.07.2023

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