Scoop - Ein royales Interview
Neun Jahre, nachdem ein erstes Paparazzo-Foto von Prince Andrew mit dem Financier Jeffrey Epstein öffentlich wurde, muss der Prinz zu seinen Verwicklungen mit dem verurteilten Sexualstraftäter Rede und Antwort stehen. Das BBC-Interview von "Newsnight" ging daraufhin um die Welt.
Inhalt
Um die Verwicklungen mit dem verurteilten Sexualstraftäter und Menschenhändler Jeffrey Epstein (Colin Wells) klarzustellen, willigte Prince Andrew (Rufus Sewell) im November 2019 zu einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin "Newsnight" des britischen Senders BBC ein. Der Film erzählt die Geschichte, wie der Sohn von Königin Elizabeth II. seit Bekanntwerden seiner Freundschaft mit Epstein 2010 immer mehr unter Druck geriet und schließlich Jahre später ein öffentliches Statement notwendig machte, nachdem Epstein verurteilt wurde, junge Mädchen sexuell ausgebeutet zu haben, und kurz darauf in seiner Gefängniszelle Suizid beging. Sam McAlister (Billie Piper), die als Produzentin im Nachrichtenressort Kontakte zu wichtigen Personen aus Politik und Unterhaltungsbranche aufbaut und sich immer am Puls der Zeit sieht, die Themen auszuwählen, die die breite Gesellschaft interessieren, weiß diese Situation für sich zu nutzen und überzeugt das Königshaus, der Journalistin Emily Maitlis (Gillian Anderson) für "Newsnight" ein exklusives Interview zu geben. Für die BBC, die nur kurz zuvor erhebliche Sparmaßnahmen ankündigen musste, entwickelt sich das Interview zu einer Sensation, die um die Welt geht. Damit löst sie auch aus, dass Prince Andrew nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung von seinen öffentlichen Ämtern zurücktreten muss.
Kritik
Die britischen Royals lösen in der Gesellschaft eine zwiegespaltene Reaktion aus; die einen lieben sie, die anderen stoßen die Idee ab, dass jemand qua Geburtsrecht höhergestellt ist, als die anderen. Eines ist jedoch klar: Jede*r kennt sie. Nun mögen die Sympathien für die einzelnen Mitglieder des britischen Königshauses unterschiedlich ausfallen, doch eines steht wohl fest: Prince Andrew hatte sich über die Jahrzehnte seines Lebens einen nicht ganz makellosen Ruf angeeignet, der ihm 2010, 2014 und allerspätestens 2019 zum Verhängnis wurde. Von "Party Prince" bis hin zu "Randy Andy" wurde er spöttisch in der Öffentlichkeit betitelt und so war es wohl kein Wunder, dass sich die Medien – und diesmal war es nicht nur die Boulevard-Presse – auf die Meldung stürzten, dass er Kontakte zum verurteilten Sexualstraftäter Jeffrey Epstein pflegte. Ein kurzer Überblick der Geschichte: Als 2010 ein Paparazzo-Foto auftauchte, dass Andrew im Gespräch mit Epstein zeigte, war die Verwunderung groß, dass jemand aus dem Hause Windsor sich mit einer so zwielichtigen Person in der Öffentlichkeit zeigte. Epstein hatte sich zwei Jahre zuvor schuldig bekannt, ein minderjähriges Mädchen zur Prostitution verführt zu haben, und war erst kurz davor aus der Haft entlassen worden. Als vier Jahre später auch andere junge Frauen Anschuldigungen gegen Epstein erhoben, bezichtigte Virginia Roberts (später Giuffre) Prince Andrew zu Epsteins Kunden gehört zu haben und zum Sex mit ihm gezwungen worden zu sein. Zum Beweis legte sie ein Foto vor, das sie neben Prince Andrew zeigte (mit Epsteins Partnerin Ghislaine Maxwell im Hintergrund). Diese Geschichte konnten die Medien nun nicht mehr auf sich beruhen lassen und so wurde in nahezu jeder Meldung über Prince Andrew auch das Foto mit Epstein oder Virginia Giuffre verwendet, was von seinen wohltätigen Arbeiten ablenkte. Mit Voranschreiten der Gerichtsprozesse gegen Jeffrey Epstein, seiner Verurteilung und dem darauffolgenden Suizid, um den sich bis heute Verschwörungsmythen drehen, wollte auch die Geschichte um Prince Andrews mögliche Verwicklungen in den Fall nicht zur Ruhe kommen. Gerade in Zeiten von Social Media konnte das Königshaus nicht mehr nach dem Motto "Never complain, never explain" handeln, so dass sich Andrew gezwungen sah, der Öffentlichkeit seine Perspektive darzulegen, wozu es zu dem Interview kam, das die Grundlage für diesen Film wurde.
Auch wenn man meinen mag, dass sich dieser Film vor allem um Prince Andrew und die interviewende Journalistin Emily Maitlis dreht, wird die Geschichte doch aus einer ganz anderen Perspektive erzählt, nämlich die der "Newsnight"-Produzentin Sam McAlister. Diese für die konservative BBC etwas zu extravagant gekleidete, etwas zu laute alleinerziehende Mutter, die ein gutes Gespür für Themen hat, die die Gesellschaft tatsächlich interessieren, hat die Vorlage für den Film geschrieben. Mit "Scoops: Behind the Scenes of the BBC's Most Shocking Interviews" (bei Amazon bestellen) lieferte sie 2022 das Buch, in dem die Geschichte hinter der Geschichte erzählt wird. Dabei legt der Film "Scoop" aber nicht nur Wert darauf, zu erzählen, wie McAlister die entscheidenden Kontakte geknüpft hat, um an dieses Interview zu gelangen, sondern auch wie sie immer wieder gegen den Strom schwimmen muss, um die Nachrichtenredaktion der BBC von ihren Themen zu überzeugen. Immer wieder wird sie aufgrund ihres Aussehens, ihres Auftretens und ihres Lebensstils eher in die Kategorie "Daily Mail" eingeordnet, dabei sind es ihre Gespräche mit Taxifahrern, ihre Beobachtungen im öffentlichen Nahverkehr oder ihr besonderer Blick auf soziale Themen, die sie vom Brexit-Einheitsbrei der anderen Nachrichtensendungen abheben. Es ist schön zu sehen, dass man einen kleinen Einblick in ihr Privatleben mit ihrem Sohn und ihrer Mutter erhält, und so feststellt, was sie alles opfert, um so gut in ihrem Job zu sein, aber gleichzeitig trotzdem noch ein gutes Verhältnis zu ihrem Kind hat, auch wenn sie zu den unmöglichsten Uhrzeiten arbeiten muss bzw. will. Denn das Vertrauen der Personen zu erlangen, die ihr Zutritt zu den innersten Kreisen und schließlich auch zum Buckingham Palace gewähren, klappt nicht mit einem einfachen Anruf oder einer höflichen E-Mail. Sie versteht es, ihr Gegenüber zu lesen und deren Probleme zu ihrem Vorteil zu nutzen. So ahnt sie, dass hinter der Jeffrey-Epstein-Prince-Andrew-Geschichte noch mehr stecken könnte und da sie rechtzeitig am Ball ist, vertraut ihr Andrews Sekretärin Amanda Thirsk (Keeley Hawes) fast schon blind, als es darum geht, das PR-Desaster zu retten. Wer würde auch meinen, dass die altehrwürdige BBC nicht fair spielt?
Und tatsächlich wurde hier in meinen Augen auch nicht unfair gespielt. Im Endeffekt ist es Prince Andrew selbst, der sich trotz aller Erfahrung mit den Medien in diesem Interview immer tiefer in den Schlamassel reitet. Ich kam nicht umhin mir das Originalinterview in diesem Zuge ebenfalls zum ersten Mal anzusehen, um vergleichen zu können, wie nah der Film an dem tatsächlichen "Newsnight"-Interview war. Und es ist erstaunlich, wie originalgetreu Fragen, Antworten, aber auch Mimik und Gestik wiedergegeben wurden. Der einzige Unterschied besteht darin, dass in der Filmfassung nicht alle Fragen und Antworten verwendet wurden, es inhaltlich also etwas gestrafft wurde. Die Momente, die dann aber später um die Welt gingen und die Prince Andrew, der sich durch seine offene Stellungnahme eigentlich wieder an die Oberfläche des Gerüchtesumpfes arbeiten wollte, in kein vorteilhaftes Licht rücken, sind 1:1 so geblieben wie es tatsächlich stattgefunden hat. Wobei mir schon aufgefallen ist, dass man Prince Andrew in "Scoop" irgendwie noch unsympathischer gestaltet hat, als es im tatsächlichen BBC-Interview rüberkam. Dort wirkte er eher blauäugig und scheinbar nicht bemerkend, wie elitär er herüberkommt und wie er mit seinen Aussagen die Opfer bzw. Überlebenden von Epsteins "Geschäften" geradezu verhöhnte. Da wir in "Scoop" aber auch ein Blick in sein privateres Umfeld innerhalb des Palastes werfen durften und auch seine Reaktion während und nach der Ausstrahlung des Interviews präsentiert bekommen, was wohl alles fiktionalisiert bzw. aus anderen Situationen hineininterpretiert wurde, hat man nach dem Film erst recht das Gefühl einer gewissen Genugtuung; dass er alles, was nach diesem Interview geschehen ist, verdient hat. Aus meiner Perspektive hat Emily Maitlis auch keine besonders unfairen oder provokativen Fragen gestellt, aber sie hat ihn durch geschicktes Abwarten wohl dazu gebracht, mehr zu erzählen, als er wollte, oder sich durch unbedachte Formulierungen selbst ein Bein zu stellen. Sie hat ihm mehrere Chancen gegeben, zu erklären, wieso er den Kontakt zu Epstein nicht komplett abgebrochen hat, nachdem er erstmals verurteilt wurde, was mit fadenscheinigen Begründungen abgetan wurde, und ihm am Ende sogar die Möglichkeit gegeben, eine Art Abschlussplädoyer für sich zu halten, was ungenutzt blieb.
Hätte es diesen Film gebraucht? Hat das Interview nicht für sich gesprochen bzw. wurde es nicht im Nachgang, auch noch mal auch bei "Newsnight" selbst, aus allen möglichen Perspektiven zur Genüge auseinander genommen? Ich finde es durchaus gerechtfertigt, mit "Scoop" noch mal einen Blick darauf zu werfen, um auch noch mal zu zeigen, wer es hinter den Kulissen ermöglicht hat. Eine Person wie Sam McAlister, die sich ihren Platz in dieser Redaktion trotz vieler Widrigkeiten erkämpft hat und die kurz davor war, alles hinzuschmeißen, weil niemand ihrem richtigen Riecher vertraute außer ihr selbst (und ihrer Familie). Und auch der kurze Blick auf die BBC, die unter erheblichen finanziellen Druck stand und durch ein solches Interview noch einmal unter Beweis gestellt hat, warum unabhängige Medien mit gut recherchierten Geschichten so wichtig sind und deshalb auch etwas kosten. Schließlich hätte so ein Royal-Interview auch komplett anders aussehen können – nicht erst durch die Aussagen von Prince Harry wissen wir, dass viele Medien das Königshaus hofieren und eher wie eine PR-Maschine dessen wirken, als dass tatsächlich kritisch hinterfragt wird, was hinter den Palastmauern vor sich geht. Von daher hat dieses Interview einen Stein ins Rollen gebracht, das Königshaus ein wenig unantastbarer gemacht, und damit aus meiner Perspektive durchaus auch diesen Film gerechtfertigt.
Fazit
Prince Andrew gewährte Ende 2019 der BBC ein Interview, das um die Welt ging, um seinen Namen reinzuwaschen; stattdessen besiegelte es das Ende seiner royalen Karriere. "Scoop – Ein royales Interview" wirft einen Blick hinter die Kulissen dieses Momentes und stellt uns die Frau vor, die den richtigen Riecher für eine gute Geschichte zum perfekten Zeitpunkt hatte, die damit symbolisch für all die Redaktionsmitglieder steht, deren Gesichter nie im Scheinwerferlicht erscheinen, ohne deren wichtige Arbeit eine Sendung wie "Newsnight" oder ein Interview wie mit Prince Andrew aber nie zustande kämen.
Catherine Bühnsack - myFanbase
11.04.2024
Diskussion zu diesem Film
Weitere Informationen
Originaltitel: ScoopVeröffentlichungsdatum (UK): 05.04.2024
Veröffentlichungsdatum (DE): 05.04.2024
Länge: 102 Minuten
Regisseur: Philip Martin
Drehbuchautor: Samantha McAlister, Peter Moffat & Geoff Bussetil
Genre: Drama
Darsteller/Charaktere
Rufus Sewell
als Prince Andrew
Billie Piper
als Sam McAlister
Gillian Anderson
als Emily Maitlis
Keeley Hawes
als Amanda Thirsk
Romola Garai
als Esme Wren
Richard Goulding
als Stewart MacLean
Amanda Redman
als Netta McAlister
Connor Swindells
als Jae Donnelly
Lia Williams
als Fran Unsworth
Colin Wells
als Jeffrey Epstein
Aoife Hinds
als Rebecca
Paul Popplewell
als Editor
Andrew MacBean
als Tony Hall
Charity Wakefield
als Princess Beatrice
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