Bewertung
Marco Petry

Spieleabend

Foto: Spieleabend - Copyright: Netflix
Spieleabend
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Inhalt

Jan (Dennis Mojen) kommt aus einfachen Verhältnissen und besitzt mit seinem besten Kumpel Alex (Edin Hasanovic) einen Fahrradladen. Als er Pia (Janina Uhse) eines Tages kennenlernt, ist es für beide Liebe auf den ersten Blick. Während sie die erste intensive Zeit kaum voneinander zu trennen ist, kann Pia dem obligatorischen Spieleabend mit ihrem Freundeskreis, der einmal im Monat stattfindet, nicht mehr länger aufschieben. Jan wird kurzerhand eingeladen, doch schnell fühlt er sich in der etwas elitärer anmutenden Gruppe fehl im Platz. Als dann auch noch Pias Ex-Verlobter Mat (Stephan Luca) auftaucht, ist das Chaos endgültig perfekt und es geht kaum noch um die Gesellschaftsspiele, sondern die eskalierenden Beziehungsdynamiken in der Gruppe.

Kritik

Als ich den Titel des neuen deutschen Netflix-Films las, "Spieleabend", da war ich sofort am Haken, denn es geht nichts über einen intensiven Spieleabend. Auch wenn es tatsächlich völlig harmlos über die Bühne gehen kann, so kennt wohl auch jeder diese Spieleabende, an dem es an mindestens einem Punkt, oder gar mehrfach, zu einer Eskalation kommt. Seien es Diskussionen um die Spielanleitung, der Vorwurf der Schummelei oder seien es auch persönliche Konflikte, die hochkochen, so ein Spieleabend kann ganz martialisch Krieg bedeuten. Dementsprechend hatte ich angesichts des Filmtitels sofort zig Visionen im Kopf. Da auch für das Ensemble wirklich einige sehr bekannte und überzeugende (Comedy-)Darsteller gewonnen werden konnten, hatte ich auch gleich die Hoffnung, dass es von der Qualität her in Richtung "Das perfekte Geheimnis" gehen könnte, weil mich die deutsche Komödie sehr überzeugt hat. Im Grunde ist es in dieser Richtung auch ausgekommen, auch wenn ich über den Verlauf des Films doch auch an manchen Stellen etwas überrascht war.

Wir starten mit einer kleinen Liebesgeschichte im Schnelldurchlauf in die Geschichte. Jan und Pia lernen sich zufällig im Hundepark kennen und lieben und auch zwischen ihren Hunden stimmt alles. Da ist es dann die erste typische Verliebtheit, in der sich die beiden in ihre eigene kleine Höhle zurückziehen und kaum noch Kontakt nach außen haben. Bis dann eben doch die sozialen Kreise irgendwann mal anklopfen, speziell Pias Freundeskreis, der einmal im Monat einen Spieleabend kultiviert, mit Wanderpokal und allem drum und dran. Das ist so gar nicht Jans Welt. Er zockt eher an der Konsole, als dass er klassisch zu einem Gesellschaftsspiel greifen würde. Zudem ist die Adresse von Freundin Karo (Anna Maria Mühe) im Grunewald, so dass Jan sich denken kann, welchen sozialen Kreis er dort wohl antreffen wird. Aber was macht man nicht alles für die Liebe? Die Gegensätze sind auf jeden Fall gleich groß und die Brücke dazu ist Pia, die sich des Kontrasts natürlich auch bewusst ist, aber glücklich in ihrer Beziehung ist und das auch zeigen will und umgekehrt auch Akzeptanz aus ihrem engsten Kreis erhalten will. Diese Beziehung zwischen Pia und Jan und dass sie mit einigen Facetten noch betont wurde, ist sehr wichtig, denn in dem Chaos, das sich entfaltet, ist es lange eine Art Kompass, der beide irgendwie durchhalten lässt.

Beim Spieleabend selbst ist dann eine bunte Mischung an Menschen anwesend. Die angesprochene Karo, die typische Karrierefrau, die sich unter Druck gesetzt fühlt, Familie und Beruf gleichermaßen perfekt unter einen Hut zu bekommen. Ihr Ehemann Oliver (Oliver Stein), der offensichtlich deutlich weniger zum Familieneinkommen beiträgt, sich aber Hobbys angelegt hat, als gäbe es keine Sorgen in der Welt und deswegen ständig von allen müde belächelt wird. Dann Karos Bruder Kurt (Maximilian Meyer-Bretschneider), der ganz lässig 'K' genannt werden will, der auch keinen Filter vor dem Sprechen hat und im Sozialverhalten durchaus auffällig ist. Zuletzt dann noch die lesbische Sheila (Taneshia Abt), die eigentlich seit einem halben Jahr Single ist, aber das einfach nicht einsehen kann und immer von einer Pause spricht. Damit wäre der Kreis eigentlich rund gewesen, wenn nicht auf einmal mit Mat der Ex von Pia in der Tür stände. Während Kurt, oder tun wir ihm einen Gefallen, K, von dem Charakteren her mein Liebling war, weil er meinen Humor genau bedient hat, so war Mat das krasse Gegenteil. Luca hat es aber auch wirklich gut gespielt, denn eine Figur ständig vor die Tür setzen zu wollen, das muss man erstmal auslösen. Diese Figuren treffen nun also aufeinander und es ist schnell zu erkennen, da wird der Spieleabend wegen der Menschen und den jeweils zu tragenden Päckchen explosiv in die Luft gehen.

Für den Spieleabend selbst hatte ich mir zugegebenermaßen ein ideal ausgemalt Black-ish hat sich einmal in einer Episode mit Monopoly beschäftigt und dabei das Spiel selbst ideal auf die Gesellschaft gemünzt. Das empfand ich als hohe Kunst. Da ich auch schon viele verschiedene Spieltypen kenne, hätte ich mir das also wunderbar vorstellen können, dass es einerseits eine Hommage an das Spiel selbst ist und andererseits eben die persönlichen Konflikte und gesellschaftlich Allgemeingültiges miteinander verknüpft. So war es eher nicht. Es gab Spieleklassiker wie Trivial Pursuit, das genutzt wurde, um Jans Allgemeinwissen von Mat in die Erde zu stampfen, es gab Activity, das unterstreichen sollte, dass Pia und Jan noch nicht ideal aufeinander abgestimmt sind und es gab schließlich ein klassisches Partyspiel für eine größere Menge, das hier genutzt wurde, um sich gegenseitig auf den Deckel zu hauen. Doch ich finde, dass speziell Activity, aber auch die anderen in Ansätzen nicht neu sind. Das hat man genug Filmen und Serien schon präsentiert bekommen. Da hätte ich mir angesichts des Filmtitels doch etwas innovativere Ideen vorgestellt. Wenn ich diese Kritik aber mal beiseite nehme, dann habe ich dennoch einige Male sehr gut lachen können. Was mich aber weniger überzeugt hat, das ist der immer mehr ersichtlich werdende Männlichkeitsvergleich zwischen Mat und Jan. Letzterer wehrt sich zugegeben erfreulich lange dagegen, aber er wird doch mitgerissen und spätestens die Szene, in der die beiden dann nackt Tischtennis gegeneinander spielen, das war zu viel. Zumal dadurch auch keiner mehr wirklich gut wegkam. Karo und Oliver haben die ganze Zeit schon Mats ekelhafte Art gegen Jan toleriert und selbst Pia, die immer mal wieder was gesagt hat, ist erst nach diesem Spiel auf einmal pissig, obwohl ihre Grenze schon viel früher hätte erreicht sein müssen.

Auch wenn es also zwischendurch etwas abgedriftet ist, so fand ich einerseits Alex mit seiner eigenen Geschichte im Garten sehr unterhaltsam, auch weil ich bei ihm und Jan auch viel mehr den Eindruck einer ehrlichen Freundschaft über Vorurteile hinweg wahrgenommen habe. Alex hat sofort alles für ihn stehen und liegen gelassen und praktisch sein Leben dafür riskiert, ihm zu helfen, weil er Pia auch schon kennengelernt hat und weiß, wie wichtig sie Jan ist. Aber auch das Ende war nett, auch wenn es dann völlig vom Spieleabend weg war. Aber es war nochmal so ein Moment, für den alle zusammenkommen und das auch in einer Ausnahmesituation, die oft erst so richtig zusammenschweißt. Auch wenn Pia stellenweise unfair war, aber wie sie und Jan sich wieder versöhnt haben, das wusste zu berühren. Zudem ist auch in der Gruppe mehr Verständnis füreinander entstanden, auch in der ursprünglichen Freundesgruppe, bei der schon einiges im Argen angestaut hatte, gerade auch in der Ehe von Karo und Oliver. Dementsprechend ist es letztlich ein runder Film.

Fazit

"Spieleabend" hatte ich mir tatsächlich etwas anders vorgestellt, noch mehr Liebe für Gesellschaftsspiele wäre da hilfreich gewesen, aber unterm Strich ist es dennoch eine unterhaltsame Komödie mit einem gut aufgelegten Cast geworden, die einige herzhafte Lacher beschert.

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Lena Donth - myFanbase
14.07.2024

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