Bewertung

Ugly - Verlier nicht dein Gesicht

Foto: Chase Stokes & Joey King, Ugly - Verlier nicht dein Gesicht - Copyright: 2024 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix
Chase Stokes & Joey King, Ugly - Verlier nicht dein Gesicht
© 2024 Netflix, Inc.; Courtesy of Netflix

Inhalt

In einer zukünftigen dystopischen Welt kommen alle Menschen als 'Uglies' zur Welt, um dann durch eine extreme Schönheitsoperation am 16. Geburtstag zur schönsten Version von sich selbst zu werden. Dann gehört man zu den 'Pretties'. Tally Youngblood (Joey King) bereitet sich schon ein Leben lang auf diesen besonderen Tag vor, aber das eingeengte Leben ist für die Rebellin, die die technischen Errungenschaften zu ihrem Nutzen zu manipulieren weiß, nichts. So lenkt sie die Aufmerksamkeit von Shay (Brianne Tju) auf sich, die schon länger davon träumt, es zu 'Smoke', einem gesellschaftlichen Gegenbild, zu schaffen. Tally hat so ihre Vorbehalte, weil es Gerüchte über Smoke gibt, dass diese Krieg führen wollen. An ihrem 16. Geburtstag wird sie dann erpresst, um ihre OP zu erhalten und Tally muss sich entscheiden, von welcher Gesellschaft sie Teil sie sein will und wer sie im Inneren wirklich ist.

Kritik

Als der neue Netflix-Film "Ugly – Verliere nicht dein Gesicht" als Buchadaption angekündigt wurde, war ich doch etwas überrascht, denn weder Autor Scott Westerfeld noch Buchreihentitel (es gibt vier Bände und im englischsprachigen Raum wohl auch ein Spin-Off) waren mir ein Begriff. Tatsächlich ist die Reihe auch schon ein paar Jährchen alt, aber dennoch ist es auch inmitten der Buchbubble manchmal überraschend, welche Titel alle so an einem vorbeigehen. Insgesamt würde ich aber resultieren, dass die Reihe von Westerfeld international deutlich erfolgreicher war als in Deutschland, weswegen sie vermutlich deshalb auch einen Anreiz darstellte, verfilmt zu werden. Es ist angesichts des Filmendes auch offensichtlich, dass Streamingdienst Netflix auf starke Ergebnisse hofft, um dann ein kleines Franchise aufzuziehen. Literarische Vorlage ist jedenfalls genug da. Ich bin aber relativ schnell zum Fazit gekommen, dass ich die Adaption lieber in Serienform erhalten hätte. Denn ich finde die inhaltliche Prämisse echt spannend und habe einen solchen Schwerpunkt so auch noch nicht gelesen bzw. auch ähnliche Stoffe zuletzt nicht als Hype wahrgenommen. Dabei ist die Betrachtung von Schönheit immer ein aktuelles Thema, was durch Social Media noch einmal immens zugenommen hat, da wissenschaftlich belegt ist, dass vor allem bei Frauen durch die perfekten Bilder anderer der Druck eines Schönheitsideals entsteht. Aber auch für Männer hat das Auswirkungen, weswegen die Idee eines vermeintlichen Ideals, das gegen innere Werte gestellt wird, ein Kampf ist, dem sich viele tagtäglich stellen.

Warum nun also die Serie? Ich habe den Film als unwahrscheinlich kurzweilig empfunden. Das ist positiv. Aber dennoch hatte ich am Ende den Eindruck, durch etwas gerast zu sein, ohne zwischendurch mal innengehalten zu haben. Und ich glaube, dass das wenig an mir als individueller Zuschauerin liegt, sondern vielmehr am Drehbuch, das vieles nur streift und deswegen nicht den Raum lässt, an entscheidenden Stellen tiefer zu gehen. Eine Serienadaption hätte unweigerlich eingeladen, sich zum einen breiter mit den vorhandenen Figuren zu beschäftigen und nicht nur Tally als Kompass durch das Geschehen zu haben und zum anderen Handlungsschwerpunkte langsamer und intensiver zu erzählen. Da waren so viele kleinen Momente, in denen ich mich bei dem Gedanken erwischt habe, wie viel größer man sie hätte aufziehen können, wenn einfach mehr Erzählzeit zur Verfügung stände. Das ist besonders eklatant, als der Handlungsabschnitt im Smoke beginnt. Wir haben bis dato nur die dystopische, technisch hochweiterentwickelte Gesellschaft unter der Führung von Dr. Cable (Laverne Cox) kennengelernt, wozu wir dann das krasse Gegenbild haben. Hier wäre es sehr wichtig gewesen, viel mehr in die Tiefe zu gehen. Welche Mittel haben die Menschen dort zur Verfügung, was lehnen sie konsequent ab und woran glauben sie als Individuum und für die Gestaltung einer eigenen Gesellschaft? Das war alles relativ knapp, denn die Prämisse, alles selbst anzubauen, das haben wir auch schon in Upload von Prime Video gesehen, das ist also nicht DIE Idee. Gleichzeitig wäre in dem Abschnitt wichtig gewesen, Tallys inneren Kampf besser darzustellen. Aber es geht so Schlag auf Schlag vom ersten Camp zum eigentlichen Smoke und dort ist sie ruckzuck integriert, David (Keith Powers) als Anführer ist sofort voller Vertrauen in sie, nur Croy (Jan Luis Castellanos) bringt manchmal Zweifel an, aber warum sollte ihm da jemand glauben? Dabei ist Tally die zentrale Figur und es wäre entscheidend gewesen, diese Gedankengänge, von der bisherigen Gehirnwäsche bis zum neuen Modell (das genauso manipulierend sein könnte) klarer rüberzubringen. Dementsprechend verwundert es wohl auch wenig, dass ich die gemeinsame Geschichte von Tally und David auch unsinnig fand. Sie war dazwischen gequetscht, auch weil Powers erst relativ spät seinen ersten Auftritt im Film hat. Aber vom Hocker hat mich da keine Chemie gerissen.

Aber kehren wir nochmal zum Anfang zurück. Dystopische Welten zu erkunden, ist für mich immer wieder faszinierend, weswegen wenig verwunderlich das Erzähltempo zu Beginn auch am langsamsten ist. Hier hat man noch richtig gemerkt, dass der Fokus darauf lag, die Welt der Uglies und Pretties zu verstehen, Tally als Individuum kennenzulernen und vor allem ihre Freundschaft zu Peris (Chase Stokes) aufzubauen. Die beiden haben sich schon als Kinder kennengelernt und sofort eine Verbindung geknüpft, die man nicht mal eben kopieren kann. 'Nase' und 'Schielauge' haben sie sich angesichts der physischen Merkmale genannt, auf die sie sich am meisten gefreut haben, sie mit der OP am 16. Geburtstag hinter sich zu lassen. Auch eine Narbe hat neben den Spitznamen unterstrichen, dass sie trotz der Hoffnung auf die Zukunft und dem Drang, endlich dazu zu gehören, dennoch auch etwas haben, was sie ewig an die Vergangenheit und aneinander binden wird. Hier wurde also tatsächlich eigentlich das geliefert, was erzähltechnisch für das Genre wohl als Maximum zu sehen ist. Dennoch ist es in der Gesamtschau so, dass hier dann im Vergleich Zeit verplempert wurde, denn hier hat es eigentlich erzähltechnisch gut gepasst, aber dafür ist dann am Ende keine Zeit mehr da gewesen. So wirken die einzelnen Teile dann auch nicht zusammenpassend. Beispielhaft kann man das auch an den dargestellten Beziehungen festmachen. Denn Tally und Peris sind für mich nicht zwangsweise die wichtigste Verbindung des Films, aber es kam so rüber. Genauso wichtig waren Tally und Shay und natürlich Tally und David. Aber beide Beziehungen wurden alleine durch die Stilistik hinten angestellt.

Das ist auch deswegen so schade, weil Peris durch sein Alter früher mit der OP dran ist und ab dann als Figur, hmm ja, austauschbar wird. Das liegt an der Handlung und was man aussagen will, da ist dem Drehbuch kein Vorwurf zu machen, aber so hat Peris und vor allem Stokes als Darsteller nicht die Möglichkeit, charakterlich noch viel herauszuholen. Zwar hat es durch die Verbindung zu Tally eine Tragik, aber die eigentlichen Stars des Films sind andere als Peris. Der grundsätzliche Handlungsverlauf passt für mich. Mit der Darstellung von Tally und dass man sie als Menschen auch am besten zu deuten weiß, ist zu erklären, warum wann was passiert. Auch wenn sie uns gleich zu Beginn in vielen Aspekten als Rebellin vorgestellt wird, so ist dennoch nachzuvollziehen, dass sie, zum Prettie zu werden, ein Ideal für sie darstellt. Auch wenn niemand so recht weiß, was das eigentlich bedeutet, so ist es die Sehnsucht, die alle haben und die gut infiltriert wurde durch das System. Tally schwebt also zwischen den Parallelgesellschaften, weswegen sich mit ihr die Konflikte auch am besten erzählen lassen. Dennoch bleibt es etwas knapp, genauso wie der spätere Showdown. Als Fernsehserie hätte man alleine den Teil wohl als ganze Episode aufziehen können. So gibt es lautes Peng und Trara und wir sind am Ende angekommen, wobei schnell klar wird, das Ende ist erst der Anfang. Es will sehr offensiv mit weiteren Verfilmungen geplant werden und das Potenzial ist in jedem Fall auch da, aber ich bin echt unsicher, ob das nun der Film war, der die Zuschauer*innen mehr sehen lassen will. Denn auch bei der Thematik, die ich als spannenden Ausgangspunkt wahrgenommen habe, blieb es etwas dünn. Es ist über innere Werte gesprochen worden, aber dennoch wurden die Gegenbilder nicht so gegeneinander platziert, wie ich das im Vorfeld erwartet hätte. Tatsächlich war es eher ein Krieg der Systeme. Hier im Smoke die politische FDP, die immer von Freiheit redet und auf der anderen Seite alles andere als Freiheit (würde das hier auf keine einzelne Partei festnageln wollen), sondern braves Nicken, damit alle ruhig und glücklich sind. Sollte es wider Erwarten den zweiten Film geben, dann wäre dieser Aspekt auch dringend zu bearbeiten. Denn wer ist Cable und was ist die Motivation für die Pretties?

Fazit

"Ugly – Verliere nicht dein Gesicht" ist von der Inszenierung her kurzweilig und voll von Action. Inhaltlich hält man leider nicht immer Schritt, weil nach einem gut passenden Beginn auf einmal viel zu viel Gas gegeben wird. Vieles ist spannend und vielversprechend, aber ich habe sicher nicht umsonst den Hintergedanken gehabt, dass eine TV-Adaption dem Stoff besser zu Gesicht gestanden hätte. Ob sich angesichts des Durchhechelns durch die Vorlage die zweite Verfilmung wirklich durchsetzen wird? Es darf doch bezweifelt werden.

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Lena Donth - myFanbase
16.09.2024

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