Bewertung

Review: #4.01 Der Mann im Spiegel

Foto: Fringe - Grenzfälle des FBI - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Fringe - Grenzfälle des FBI
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Herzlich Willkommen zu "Fringe", der neuen Serie aus dem Hause FOX. Mit Spannung wurde die Pilotfolge erwartet, nicht nur, weil mit J.J. Abrams, Alex Kurtzman und Roberto Orci vielversprechende Namen hinter dem Projekt stehen, sondern auch, weil die Story unverschämt spannend klingt. Denn in "Fringe" verfolgen wir die Arbeit der sogenannten "Fringe Division", die sich mit mysteriösen Grenzfällen auseinandersetzt. Dabei arbeitet die FBI-Agentin Olivia Dunham nicht nur mit dem brillanten, aber gleichzeitg etwas zerstreuten Wissenschaftler Walter Bishop zusammen, sondern auch mit der "Fringe Division" eines Paralleluniversums, der nicht wirklich zu trauen ist. Noch dazu stößt ein neuer Kollege zum Team hinzu, Agent Lincoln Lee, der von einem "Fringe"-Fall persönlich betroffen ist. Klingt vielversprechend, doch schauen wir uns mal genauer an, ob die Pilotfolge der Serie das hält, was sie versprochen hat ...

"Fringe 2.0"?

Nein, Scherz bei Seite. Natürlich handelt es sich bei #4.01 Neither Here Nor There nicht wirklich um den Piloten von "Fringe", sondern um den langerwarteten Auftakt zur mittlerweile vierten Staffel. Dass diese Episode sich aber teilweise wirklich wie eine Pilotfolge einer neuen Serie anfühlt, war von den Machern offenbar so beabsichtigt, denn im neusten Trailer zur vierten Staffel wechselte man am Ende zwischen einer "Season premiere" - und einer "Series premiere"-Einblendung immer hin und her.

Der vierten Staffel ging nach der letzten Szene aus #3.22 Der Tag, an dem wir starben monatelang nur eine Frage voraus: Wo ist Peter Bishop? Und es war natürlich zu erwarten, dass wir in diesem Staffelauftakt nicht erfahren werden, wo Peter ist. Wo soll Peter denn auch sein, schließlich gibt es ihn nicht. "He never existed. He served his purpose", sagte der Beobachter September am Ende von #3.22. Peter hat nie existiert. Punkt. Und das ziehen die Autoren in dieser Folge auch konsequent durch.

"I'd like to talk to someone else." - "There is no one else, there's just me."

Tatsächlich hatte man während des Schauens dieser Episode des Öfteren das Gefühl, es mit einer Pilotfolge einer neuen Serie zu tun zu haben. Und irgendwie stimmt das ja auch, schließlich befinden wir uns in Staffel 4 in einer anderen Realität, nämlich in einer, in der Peter nie existiert hat. Nun stellen uns die Autoren diese neue Realität vor und fokussieren sich dabei vor allem auf die Figuren, auf deren Charakter Peters Nichtexistenz eindeutige Auswirkungen hat. So haben wir es beispielsweise mit einer Olivia zu tun, die noch immer an dem Tod ihres ehemaligen Partners John Scott zu knabbern und keine Bezugsperson wie Peter hat, der sie sich mitteilen konnte. Dadurch wirkt sie in dieser Folge relativ kühl, was sich gut an der Art und Weise gezeigt hat, wie sie zunächst mit Lincoln Lee umgegangen ist, nachdem dieser wiederum gerade seinen Partner verloren hatte. Erst später öffnet sie sich ihm ein wenig, als sie gemeinsam im Auto sitzen und sie ihm von John erzählt, auch wenn sie dabei eindeutig versucht, nur die Geschichte zu erzählen und Lincoln nichts von ihren damit verbundenen Emotionen anmerken zu lassen. Somit haben wir es wieder mit einer ähnlichen Olivia zu tun, wie zu Beginn der Serie, nämlich mit einer introvertierten Frau, die ungern ihre wahren Gefühle gegenüber anderen preisgibt ... nur diesmal ist das Ganze weitaus erträglicher.

Auch was Walter betrifft, bekommen wir andere Facetten gezeigt. Auf den ersten Blick scheint er noch der Alte zu sein, doch einzelne Szenen zeigen uns, dass das nicht so ist. Ohne Peter ist Walter ängstlicher, denn er traut sich nicht, das Labor zu verlassen, er wirkte verwirrter als sonst, als er sich in dem Tank versteckte und in der Szene, in der er alleine in seinem Bett lag, verbreitete sich schnell ein trauriges Gefühl von Einsamkeit. Und obwohl Peter nicht existiert, war er in dieser Folge irgendwie dennoch präsent. Denn abgesehen davon, dass Walter seinen Sohn immer wieder sieht, ihn jedoch nur als fremden Mann bezeichnet, gab es auch viele Zeichen dafür, dass Walter und Olivia durchaus das Gefühl haben, dass Peter existiert, sich das aber selbst nicht bewusst sind. "I know what it's like to have a hole in my life. It's been there for as long as I can remember.", erklärt Olivia Lincoln am Ende dieser Episode. Sie fühlt also, dass irgendetwas in ihrem Leben fehlt, kann aber nicht genau beschreiben, was es ist. Wir Zuschauer wissen natürlich bescheid: Es ist Peter.

"They can never know the boy grow up to be a man."

Weshalb Peter also in den Köpfen der nichtsahnenden Charaktere weiterhin existiert, wird in dieser Folge klar. Denn während eines Treffens zwischen den Beobachtern September und December erfahren wir, dass Peter noch nicht vollständig aus der Zeitlinie entfernt wurde. September wird daher beauftragt, dies zu ändern und baut sich aus verschiedenen mechanischen Geräten eine kleine Maschine zusammen, mit der er in der Lage ist, auch noch die Reste von Peters Existenz komplett aus der Zeitlinie rauszulöschen. Am Ende entscheidet sich September schweren Herzens jedoch dagegen und setzt sein Gerät nicht in Gang. Weshalb bringt er es nicht fertig, Peters Existenz komplett auszulöschen? Und in welcher Form existiert Peter eigentlich noch?

Trotz der Tatsache, dass Peters Verschwinden für einige Veränderungen gesorgt hat, gelingt es den Autoren beeindruckend gut, dass man sich als Zuschauer nicht von der Serie entfremdet fühlt. So gab es wieder herrliche Szenen mit Walter, als er beispielsweise mit einer Tüte Popcorn vor einem Monitor in seinem Labor sitzt und gespannt die Ermittlungen von Astrid mitbeobachtet, als handele es sich dabei um einen spannenden Krimi. Auch hat man nicht viel an der Beziehung zwischen Walter und Astrid geändert, die weiterhin liebevoll inszeniert wird und von einer tollen Chemie zwischen den beiden Darstellern profitiert. Die Autoren haben offenbar ganz klar verstanden, was sie beim Alten belassen müssen, um Stammzuschauer nicht zu vergrauen und Walters Verrücktheiten, sowie seine Beziehung zu Astrid gehören eben genau dazu. Sehr schön ist im Übrigen auch, dass in der neuen Realität Astrid offenbar nicht nur Walters Laborassistentin ist, sondern nun auch aktiver mit Olivia an den Fällen arbeitet. Hoffentlich ändert sich das in Zukunft auch nicht, jetzt wo Olivia mit Lincoln einen Partner hat.

"Agent Lee! Did you happen to bring any candy? Gumdrops, perhaps?"

Den Lincoln von unserer Seite nun als neuen Hauptcharakter neben Olivia agieren zu lassen, ist eine tolle Idee, zumal Seth Gabel bereits seit Ende der zweiten Staffel als Lincoln Lee von "drüben" schon richtig überzeugen kann und mittlerweile zu einem echten Publikumsliebling aufgestiegen ist. Zwar fehlt "unserem" Lincoln Lee die lässige und humorvolle Art, die den alternativen Lincoln so sympathisch macht, aber trotzdem wurde man schnell mit unserem Lincoln warm. Die Hintergrundgeschichte, also die Tatsache, dass Lincoln zur "Fringe Division" stieß, weil sein Partner einem Fringe-Fall zum Opfer fiel, wies natürlich deutliche Parallelen zu Olivias Geschichte zu Beginn der ersten Staffel auf, aber ich persönlich glaube ja, dass das von den Autoren auch genau so beabsichtigt war.

"All I know is, that this tech is not from here!" - "Not here? Like China?"

Daneben wurde auch die Zusammenarbeit zwischen unserer, also der blauen Welt, und der anderen Seite, also der roten Welt, thematisiert. Denn obwohl Peter nie existiert haben soll, besteht seit einer Woche eine Brücke zwischen den beiden Welten, die nun zusammenarbeiten müssen, um die Zerstörung beider Welten zu stoppen. Und auch wenn diese Story im Staffelauftakt nur eine untergeordnete Rolle spielte und sich nur wenige Szenen darum drehten, so wurde trotzdem schnell deutlich, dass vor allem Misstrauen im Vordergrund der Zusammenarbeit steht. Nicht nur, weil zwischen Olivia und Bolivia eine frostige Stimmung herrscht, sondern auch, weil der Fall der Woche um eine neue, fortgeschrittenere Art von Gestaltwandlern Olivia vermuten lässt, dass die rote Welt nicht mit offenen Karten spielt und auf irgendeine Art und Weise versucht, der blauen Welt Schaden zuzufügen. Doch steckt wirklich die andere Seite hinter den neu entwickelten Gestaltwandlern? Wir werden es wohl bald erfahren, denn einem dieser Gestaltwandler ist es gelungen, in Form einer asiatischen Frau zu entkommen. Es wird interessant sein zu sehen, wie die beiden Welten trotz der Vertrauensprobleme zusammenarbeiten, wenn eine Zusammenarbeit wirklich mal von Nöten sein sollte.

Was ich von den kommenden Folgen besonders erwarte, ist, dass man näher darauf eingeht, welche Auswirkungen das Verschwinden von Peter auf manche Aspekte der Serie hatte. Sprich, was wie anders verlaufen ist. Während des Gesprächs zwischen den beiden Olivias wird zum Beispiel klar, dass Bolivia auch in dieser Realität für einige Zeit Olivias Rolle eingenommen hatte. Doch wie konnte Bolivia das gelingen? Schließlich wurde diese Storyline erst dadurch in Gang gesetzt, dass Olivia in die Parallelwelt reisen musste, um Peter zurückzuholen. Weshalb war sie also auf der anderen Seite, wenn Peter gar nicht existiert hat? Außerdem kam die Brücke zwischen beiden Universen nur zu Stande, weil Peter sie am Ende von #3.22 geschaffen hatte. Wenn Peter nie existiert hat, wer hat die Brücke dann geschaffen? Und wieso existieren überhaupt Spannungen zwischen den beiden Welten? Schließlich fand das "Zero Event", wodurch die rote Welt irreparabel beschädigt wurde, durch Walter statt, weil er auf die andere Seite gereist ist, um Peter das Leben zu retten. Ich hoffe inständig, dass die Autoren auf all diese Aspekte eingehen werden und wir diese riesigen Logiklöcher nicht einfach akzeptieren müssen.

Fazit

"Fringe" liefert mit #4.01 Neither Here Nor There gleich zu Beginn eine Episode ab, an deren Qualität sich andere Network-Serien wirklich mal eine Scheibe abschneiden könnten. Sie war definitiv nicht das Nonplusultra, das "Fringe" abliefern kann, aber die Art und Weise wie man an die Auswirkungen von Peters Verschwinden herangegangen ist, hätte kaum interessanter sein können. Uns wurden keine großen Brocken hingeworfen, eher kleine Details, an denen man einerseits die Veränderungen sehen konnte, die die neue Realität ohne Peter mit sich bringt, andererseits erahnen lässt, was in dieser Staffel noch auf uns zukommt, wenn man die einzelnen Storylines mehr vertiefen wird. Ein Lob ist auch noch bezüglich der Inszenierung der Episode angebracht, denn sei es die Musik oder das Setting, irgendwie vermittelte die Episode eine subtil bedrückende Atmosphäre, die perfekt die Gefühlswelt der Charaktere widerspiegelte und nur manchmal aufgelockert wird, wenn man wieder einmal Zeuge von Walters herrlichen Verrücktheiten wurde.

Ein wirklich gelungener und vielversprechender Start also, nach dem klar sein dürfte, weshalb ich persönlich keinem anderen Verlauf einer Staffel in dieser Season so gespannt entgegenfiebere, wie dem von "Fringe". Perfekter Zeitpunkt also, um sich mal ein XXL-Sudoku-Heft zuzulegen, denn irgendwie muss die Zeit zur nächsten Folge ja immer totgeschlagen werden. Bis dahin:

"Night, Doctor Bishop." "Night, Donny." "It's Tim, Sir." "Night, Timmy."

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


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