Bewertung

Review: #4.15 Das Parfum

Foto: Joshua Jackson, Fringe - Copyright: Warner Bros. Entertainment Inc.
Joshua Jackson, Fringe
© Warner Bros. Entertainment Inc.

Nach einer vierwöchigen Ausstrahlungspause kehrte "Fringe - Grenzfälle des FBI" gleich mit einer Episode zurück, die es einem wirklich nicht einfach machte und – wieder einmal – die Fangemeinde gewaltig spaltete. Seit der zweiten Hälfte der dritten Staffel ist klar, dass "Fringe" nicht mehr die Serie ist, die sie noch während den ersten beiden Jahren war. In den ersten Staffeln war "Fringe" nämlich noch eine Serie, die die diversesten Grenzwissenschaften in den Vordergrund stellte und jedem Fall und jedem Ereignis (pseudo)wissenschaftlich auf den Grund ging und dem Zuschauer dadurch vermeintlich halbwegs logische Erklärung für die neusten Geschehnisse zu liefern versuchte. Diese Zeiten sind schon lange vorbei und die Serie driftet immer mehr in den Bereich der Metaphysik ab. Ein Paradebeispiel dafür ist die Episode #3.14 6B, in der physikalische Ungereimtheiten in einem Apartment dadurch erklärt wurden, dass in jenem Apartment die Membran zwischen den Universen unglaublich dünn sei, was auf die unbändige Liebe eines älteren Ehepaar zurückzuführen sei. Ein weiteres Beispiel ist #3.17 Per Anhalter, in der es um eine Frau ging, die einfach nicht sterben konnte. Die Begründung: es gab keine. Walter konnte keine logische Erklärung finden, spekulierte aber, dass es möglicherweise Gott gewesen sei, der sie nicht sterben ließ, da sie noch eine Aufgabe zu erfüllen hatte.

Liebe, die die Membran zwischen Universen transparent werden lässt? Ein unsterblicher Mensch, weil es Gott so möchte? Jap, das hat wirklich nichts mehr mit dem alten "Fringe" zu tun und ich kann durchaus verstehen, dass Zuschauer, die vor allem wegen dem pseudowissenschaftlichen Getue zu Beginn Spaß an der Serie hatten, von dem neusten Pfad, den die Serie einschlug, enttäuscht waren. Daher wohl auch die teils vernichtenden Meinungen zu #4.15 A Short Story About Love, die das Ganze noch einmal ordentlich auf die Spitze trieb. Und ich bin ja bekanntlich jemand, der "Fringe" immer in Schutz nimmt und gerne einmal vor solchen Kritiken verteidigt. Aber auch ich muss zugeben, dass meine Toleranzgrenze doch langsam aber sicher überschritten wird.

"I'm in love with Peter. I know it sounds absurd since I hardly know him but it's like I've known him my entire life".

Dass diese Episode nach ihrer Ausstrahlung für Furore sorgen sollte, war zu Beginn nicht wirklich abzusehen, schließlich machte diese Episode lange Zeit den Anschein, als handele es sich um eine fallzentrierte Folge mit wenig Mythologieanteil aber einem verstärkten Fokus auf Olivia, die sich irgendwie mit Peters Entscheidung aus der letzten Folge arrangieren muss. Die Befürchtungen, dadurch würden uns wieder teils so erdrückende Momente erwarten, wie während des Hin und Her der beiden in Staffel 3, blieben unbegründet, denn tatsächlich war Olivias Umgehensweise recht interessant. Insbesondere ihre Szenen mit Nina waren gelungen, weshalb man nur froh sein kann, dass sich (diese) Nina letztendlich doch als Verbündete und vor allem als Vertrauensperson herausgestellt hat. Besonders letzteres hat oftmals in den vergangenen Staffeln gefehlt, wodurch Olivia viel zu oft auf sich allein gestellt war. Sollten wir früher oder später zeitebenentechnisch wieder größtenteils auf Stand der ersten drei Staffeln sein, wäre es sehr bedauerlich, dass uns diese intensiven Momente zwischen Olivia und Nina wohl nicht mehr präsentiert werden würden. Momentan sieht es allerdings sowieso nur danach aus, als sei es lediglich Olivia, die wieder auf Stand der ersten Staffeln zurückkatapultiert wird, während die anderen Charakteren weiterhin in veränderter Form zugegen sind. Olivias Entscheidung, aus Liebe zu Peter ihr bisheriges Leben aufzugeben und es zuzulassen, die Erinnerungen der "anderen" Olivia ihre eigenen verdrängen zu lassen, war natürlich ein Liebesbeweis par excellence und er wäre nur begrüßenswert, wenn Olivia wieder beim Status Quo angelangen würde. Bleibt nur die Frage, ob Olivia die einzige bleibt, die ihr altes Ich zurückerlangen wird, denn irgendwie wäre es schon ein merkwürdiges Gefühl, würde lediglich Olivia wieder die Alte sein, die anderen Charaktere jedoch weiterhin nicht. Andererseits halten sich die Veränderungen bei Walter und den anderen Charakteren mittlerweile derart in Grenzen, dass man das verkraften könnte. Dass Olivia ihre Entscheidung im Übrigen erst dann gefällt hat, nachdem ihr durch den Fall rein zufällig klar wurde, dass sie die Liebe nicht einfach so aufgeben dürfe, waren natürlich mal wieder Holzhammermethoden vom Feinsten, aber das ist man mittlerweile ja gewohnt.

"I went beaver hunting in eastern Canada in the 70's. Of course, in those days beaver hunting meant something else entirely."

Jener Fall der Woche war ein klassischer "Fringe"-Fall der etwas schwächeren Art. Der Bösewicht dieser Episode, Anson Carr, wurde von den Machern als einer der erinnerungswürdigsten Gastcharaktere der Serie angekündigt. Letztendlich bleibt sein Charakter aber allerhöchstens aufgrund seines entstellten Gesichts in den Köpfen der Zuschauer – wenn überhaupt, schließlich gibt es entstellte Bösewichte mittlerweile wie Sand am Meer. Ansonsten blieb Anson Carr aber ein relativ blasser Charakter, dem man kaum Profil verlieh. Seine Motive wurden viel zu rudimentär angeschnitten und man hat sich wirklich kaum Mühe gegeben, ein wenig mehr über ihn in Erfahrung zu bringen. Aufgrund der Szene, in der er sich weinend das Bild einer Frau anschaute, konnte man zwar erahnen, dass nun die typische "Mann verlor einzige Frau, die ihn jemals wirklich liebte"-Erklärung kommt, aber auch das blieb am Ende offen. Und auch Ansons Herangehensweise an sich erinnerte viel zu stark an "Das Parfüm", als dass uns hier wirklich bemerkenswertes Neues geboten wurde. Noch nicht einmal inszenatorisch hat man es geschafft, mehr aus dem Fall herauszuholen und eigentlich ist das eine der Stärken der Serie. Und so bekomme ich einfach nicht das Gefühl los, dass man aus der Szene, in der ein Mann qualvoll bei lebendigen Leib in einer Dehydrierungskammer austrocknet, während Anson ruhig daneben sitzt und sich ein emotionsgeladenes Lied anhört, eine für die Serie epische Szene hätte werden können. Doch irgendwie fehlten auch hier die Ideen, das Spiel mit den Bildern und der Musik. Schade, denn das Potential für eine ähnlich epische Szene, wie der Marionettenmoment aus #3.09 Marionette, war definitiv gegeben und so hätte der Fall immerhin ein wenig aus der Belanglosigkeit gerettet werden können.

"You have been home all long."

Während Olivia und das Team also hauptsächlich mit dem Fall beschäftigt waren, machte sich Peter alleine auf Schnitzeljagd, nachdem sich herausstellte, dass September ihm einen mysteriösen Hinweis hinterließ. Peters Szenen waren mit die interessantesten der Folge, da es wirklich spannend zu verfolgen war, weshalb Peter unbedingt zur ominösen Adresse fahren soll. Richtig interessant wurde es dann, als es ein Wiedersehen mit der Kapsel aus #1.04 Die Ankunft gab, deren Sinn und Zweck uns all die Jahre nicht preisgegeben wurde. Nun wurde also klar, dass dieses kapselähnliche Gerät dafür da war, um September wieder in dieses Universum zurückzuholen, nachdem die anderen Beobachter ihm den Zutritt praktisch verwehrt hatten. September ist somit nicht wirklich gestorben, sondern wurde nur von den anderen Beobachtern aufgrund der Tatsache, dass er sich zu sehr in das Geschehen eingemischt hatte, aus dem betroffenen Universum verbannt. Somit dürfte im Übrigen auch klar sein, wen er meinte, als er in der letzten Folge zu Peter sagte, "sie" kämen. Und mit Septembers Rückkehr wurde auch die große Frage, was es nun mit dem vermeintlich unterschiedlichen Zeitebenen auf sich hat, endgültig (?) beantwortet. Also wurde die große Rahmenhandlung der kompletten Staffel nun aufgeklärt. Und damit fing die Enttäuschung eigentlich an.

"Please, help me get back home", flehte Peter September an, der daraufhin die Antwort von sich gab, von der man eigentlich schon lange Zeit ausgegangen war: "You have been home all long."

Somit bestätigt sich also endlich die Vermutung so einiger Zuschauer, dass Peter niemals in einer falschen Realität festsaß, sondern die ganze Zeit in der Realität war, in der wir uns schon seit Beginn der Serie befinden – nur eben mit dem Unterschied, dass durch den Versuch, Peter zu löschen, auch die Realität dementsprechend einem peterlosen Zustand angepasst wurde. So weit so gut, bis dahin wäre man mit der Folge noch relativ im Reinen gewesen, auch wenn die Erklärung weitaus unspektakulärer ausfiel, als sich manche es wohl erhofft hatten. Die darauffolgende Erklärung, weshalb Peter nicht gelöscht werden konnte, hätte man sich aber am besten sparen sollen:

"I don’t understand. I was erased."

"There is no scientific explanation. But, I have a theory based on an uniquely human principal. I believe you could not be fully erased because the people who care about you would not let you go … and you would not let them go."

Liebe bringt also nicht nur die Stabilität ganzer Universen ins Schwanken, sondern ist auch der Grund dafür, dass ein Mann, der eigentlich aus dem Zeitgeschehen hätte gelöscht werden sollen, plötzlich doch wieder auftaucht? Wie gesagt, ich bin ja wirklich jemand, der die Serie an sich und die Wege, die die Macher einschlagen, verteidigt. Und auch, obwohl mir schon die Geschehnisse in #3.14 und #3.17 ein wenig zu dick aufgetragen waren, habe ich eigentlich immer wieder ein Auge zugedrückt, da ich die Herangehensweise recht interessant und auch abwechslungsreich fand. Und auch jetzt wird es einige geben, die es einfach herzergreifend finden, dass das Thema Liebe in der Serie so omnipräsent ist. Mir persönlich war die Mischung aus Philosophie und Wissenschaft in dieser Folge einfach zu viel und an dieser Stelle habe ich mir das erste Mal wirklich gewünscht, dass man sich wieder ein wenig auf die Quintessenz der ersten Staffeln zurückbesinnt, die zwar stellenweise auch schon philosophisch angehaucht waren, aber die Wissenschaft an sich mehr im Vordergrund stand.

So, und jetzt kann man sich auch die Frage stellen, was die ganze Rahmenhandlung eigentlich sollte. Denn schließlich möchte man ja doch entschädigt werden, nachdem aufgrund der Handlung um Peter das erste Drittel dieser Staffel recht schleppend verlief. Doch leider bleibt mir der wirkliche Sinn bisweilen verborgen. Keine Frage, die Handlung sollte unter anderem noch einmal aufzeigen, wie stark die Liebe zwischen Olivia und Peter sowie zwischen Peter und seinem Vater ist, aber hat es dafür wirklich fünfzehn Episoden gebraucht? Ich hätte es schön gefunden, wenn man daraus vielleicht eine Episode gemacht hätte, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt hätte, was wäre, wenn Peter niemals geboren worden wäre. Aber daraus einen 15 Episoden umfassenden Storyarc zu machen, hätte wirklich nicht sein müssen. Gut, seit #4.14 wissen wir immerhin, dass das Löschen von Peter auch einen wichtigen Grund hatte, schließlich wurde so auch Baby Henrys Existenz gelöscht und die Welt vor einem nicht genauer definierten grausamen Schicksal bewahrt. Das ist aber auch schon das einzige, was das ganze Drumherum nicht wirklich rechtfertigt. Meine Frage ist jetzt nur: War es das schon, mit der Geschichte um die beiden Universen? Brücke gebaut, Henry tot – Frieden? Spätestens seit #4.09 Enemy of my Enemy stehen sich beide Seiten schließlich nicht mehr verfeindet gegenüber und diese Feindschaft war das, worauf die ganze Serie bisher aufbaute. Friede, Freude, Eierkuchen? Ist etwa auch im Autorenteam die Zuversicht hinsichtlich einer fünften Staffel so gering, dass man jetzt schnell noch irgendein versöhnliches Ende zusammenschustern möchte?

Zur Befriedigung aller Peter/Olivia-Shipper, hier noch einmal der Dialogausschnitt, der jedes Shipper-Herz wohl so stark hat schlagen ließ, dass es schon fast den Brustkorb von innen durchbrach:

"And Olivia?"

"She is your Olivia."

Zugegeben, auch wenn ich TV-Beziehungen generell nicht so leidenschaftlich verfolge wie manch andere, so musste ich bei dieser Szene doch sehr lächeln und der letzte Moment zwischen Peter und Olivia war trotz allen Kitschs geradezu eine kleine Offenbarung. Besonders, weil nach der letzten Episode ja eher abzusehen war, dass die Beziehung zwischen den beiden wieder in bedrückende Richtungen gelenkt und unnötig verkompliziert wird. Dankenswerterweise verzichtet man darauf jedoch, woraus die zufriedenstellendste Entwicklung der Episode resultierte – immerhin.

Randnotizen

Zu guter Letzt noch zwei oder drei abschließende Randnotizen: Walter war in dieser Folge wieder at his best, seine Untersuchungsmethoden im Zusammenspiel mit Astrid wieder einmal grandios und auch seine kleinen Momente mit Peter konnte man ordentlich genießen. Hier merkt man nur noch stellenweise, dass dieser Walter nicht der Walter ist, den wir in der ersten Staffel kennen gelernt haben und sollten die anderen Charaktere nicht wieder ihre alten Erinnerungen und Verhaltensweisen zurückerhalten, wäre es bei Walter nicht allzu tragisch, denn die Unterschiede sind wirklich nur noch marginal. Dann gab es da noch die kleine Szene zwischen Olivia und Lincoln, die mich etwas irritiert zurückließ. Zwar ahnt man schon lange, dass Lincoln ein wenig für Olivia schwärmt, aber dass man dies nun noch einmal so deutlich machte, lässt ja fast befürchten, dass Lincolns Gefühle für Olivia noch eine größere Rolle spielen könnten. Zwei Worte: Bitte nicht. Ich genieße die platonischen Momente zwischen den beiden sehr und ich würde es erstklassig finden, würde Lincoln zu einem richtig guten Freund und Vertrauensparter avancieren. Mehr aber bitte wirklich nicht, zumal er sowieso keine Chance hätte.

Fazit

So schlecht, wie ich #4.15 A Short Story About Love stellenweise dargestellt habe, war sie definitiv nicht. Dafür kam man einfach viel zu oft in den Genuss von tollen Interaktionen sowie herrlichen Momenten mit Walter und auch die Szenen mit Peter waren bis zu einem gewissen Punkt sehr gelungen und spannend. Leider blieb der Fall der Woche viel zu weit hinter dem zurück, was möglich gewesen wäre und letztendlich versandete diese Episode durch die metaphysischen Erklärungen der etwas faden und unspektakulären Entwicklungen der großen Handlung um Peter, bei der sich nachträglich die Frage stellt, ob diese eigentlich wirklich in diesem Ausmaß notwendig war.

Doch eigentlich kann man dem weiteren Verlauf der Staffel nur optimistisch entgegenblicken, denn Olivia und Peter sind wieder ein Paar und die von vielen Seiten (im Nachhinein zum Teil zu recht) so oft kritisierte Handlung um Peters Verschwinden, Wiederauftauchen und die diversen Realitäten hat sich erledigt. Das heißt, dass sich die letzten sieben Episoden dieser Staffel voll und ganz auf die Story um David Robert Jones fokussieren können, bei der für philosophischen und metaphysischen Firlefanz wohl sowieso kein Platz sein wird.

Manuel H. - myFanbase

Die Serie "Fringe - Grenzfälle des FBI" ansehen:


Vorherige Review:
#4.14 Das Ende aller Dinge
Alle ReviewsNächste Review:
#4.16 Nichts ist, wie es scheint

Diskussion zu dieser Episode

Du kannst hier mit anderen Fans von "Fringe" über die Folge #4.15 Das Parfum diskutieren.