Bewertung

Review: #1.09 Jetzt reicht's

Ein zentrales Thema dieser Serie im Allgemeinen, aber auch dieser Folge ist die Frage danach, wohin man mit seinem eigenen Leben eigentlich will und wer man als Person ist und insgeheim sein will. Niemand der vier handlungsrelevanten Hauptfiguren weiß so wirklich ganz genau wohin der Weg schlussendlich gehen soll und daraus resultiert Unsicherheit und eine immer weiter sich verstärkende Egozentrik, die in dieser Folge schließlich zu einem folgenschweren Streit zwischen Marnie und Hannah führt. Und auch Jessa sieht sich plötzlich ganz direkt und unvermittelt mit der Frage konfrontiert, wer sie eigentlich ist und wer sie schlussendlich sein will und wie das alles am Ende zusammenpasst. Insgesamt eine Folge, die einen ganz anderen, irgendwie wesentlich düsteren Ton anschlägt, als die immer wieder von komödiantischen Momenten aufgebrochene letzte Folge es tat und die insgesamt auch nicht ganz dessen hohe Qualität erreicht, trotzdem für die Charakterentwicklungen von hoher Bedeutung ist.

"Death is the most fucking real. You should write about death"

Beginnen tut diese Folge mit dem Besuch einer Buchvorstellung einer Autorin, die Hannah als ihre Erzfeindin beschreibt und in der sich einmal mehr Hannahs Egozentrik und Sucht nach Selbstbestätigung herauskristallisiert. Der Erfolg und die Wertschätzung einer anderen Person, die nicht sie selbst ist, fehlt ihr ungeheuer schwer. Ihr eigenes Selbstwertgefühl wird dann gestärkt, als sie auf einen alten Dozenten trifft, die sie zu einer Lesung einlädt, da er von Hannahs Schreibstil stets sehr angetan war. Anstatt sich aber über diese kleine Bestätigung ihrer Arbeit zu freuen, kommt hier neben ihrer stets stark ausgeprägten Selbstbezogenheit ein weiterer Charakterzug Hannahs zum Tragen und zwar der der Unsicherheit. Wie die anderen jungen Frauen in dieser Serie auch betrifft sie dieses moderne generationsspezifische Problem der Unsicherheit auch in erhöhtem Maße und so hinterfragt sie sich stets selbst, ob sie in ihrem Leben überhaupt den richtigen Weg einschlägt und fragt sich dazu, wohin es für sie eigentlich gehen soll. Sie will kein triviales Leben führen, sondern eines mit Wert, eines welches ihr auch von außen ein erhöhtes Maß an Bestätigung einbringt und so trifft Ray sie genau an der richtigen Stelle, als er Hannahs Essays, die sich stets über Alltagserfahrungen ihres eigenen Lebens drehen, Trivialität und irgendwie auch Sinnentleertheit vorwirft. Hannahs eigenes Selbstkonzept wird dadurch sofort komplett durcheinandergewirbelt und sie beginnt sofort sich selbst und alles für was sie auch irgendwie steht zu hinterfragen. So trägt sie schließlich auf der Lesung ein grausiges Stück über den Tod vor, welches sich im Grunde sofort in Nichts auflöst und dem es an Substanz schließlich vollständig mangelt. Das Bild von der Person, die Hannah gerne wäre und die sie schlussendlich ist findet keine Übereinstimmung und so taumelt sie wieder einmal in eine unangenehme, sie in keiner Weise weiterbringende Situation und verstärkt ihre eigene Unsicherheit dadurch nur noch mehr. Hannah wird weiterhin als nicht wirklich sympathische Figur gezeichnet, der man als Zuschauer aber gerne auf ihren Wegen begleitet und die in ihrem Facettenreichtum doch einen ungemein reichhaltigen Charakter darstellt, der vielleicht sogar sinnbildlich für eine altersspezifische Gruppen von Leuten unserer heutigen Zeit steht und das macht es gerade so interessant. Nebenbei war die Szene, in der Ray aufzählt, über was Hannah abseits ihres eigenen Lebens noch alles Wichtiges schreiben könnte überaus amüsant, genau wie die kurzen Auftritte Adams, der mal wieder kaum bekleidetet durch die Szenen stolperte und nichts wirklich tat, außer seinen fast nackten Körper zu stählen. Wie er aber gerade immer wieder auftauchte, entbehrte nicht einem gewissen Maß gelungener Situationskomik.

"You're so selfish"

Neben ihrem persönlichen Rückschlag auf der Lesung, erlebt Hannah auch in Bezug auf Marnie einen Tiefpunkt, der schließlich in einem Streit mündete, der vorrausichtlich das vorläufige Ende des Zusammenlebens der Beiden bedeutet. Aufhänger des Streits war wohl nicht zum ersten Mal Hannahs Egozentrik, mit der Marnie einfach nicht mehr leben und umgehen kann. Der interessante Punkt hierbei ist, dass Marnie eine ähnlich egozentrische Persönlichkeit hat, wie Hannah und sie Hannah dadurch in vielen Punkten recht ähnlich ist, in vielen dann aber gerade dann doch nicht. Marnie ist ein wesentlich zielgerichteter Mensch, der zumindest in beruflicher Hinsicht weiß was sie will. Sie hat klare Vorstellungen von ihrem Leben und versucht diese auch konsequent umzusetzen. Damit ist sie wahrscheinlich diejenige, die ihr Leben am ehesten im Griff hat, ganz ohne Unsicherheit kommt sie dann aber doch nicht aus. Sie weiß einerseits genau was sie will und dann wieder auch nicht. Eigentlich will sie nicht mehr mit Charlie zusammen sein, dann aber irgendwie doch, aber eher aus dem Grund, dass sie es nicht ertragen kann, dass er nach der Trennung glücklicher ist, als sie. Diese verwirrenden Emotionen und die hohen Maßstäbe, die sie an andere stellt kollidieren schließlich mit dem Lebenskonzepts Hannahs, die sich so durch ihre eigenen Problemfelder kämpf, ohne dabei mal groß nach rechts und links zu schauen. Sie lässt sich von Marnie aushalten, zahlt die Miete nicht und jammert dann noch ständig über ihr eigenes Leben herum, was jemand der so Erfolgszentriert ist, wie Marnie irgendwann nicht mehr aushalten kann und so kommt es zu seinem heftigen Streit zwischen zwei Menschen, die sich manchmal so ähnlich sind und dann wieder überhaupt nicht und die einander manchmal wunderbar ergänzen und dann aber wieder überhaupt nicht. Selbst- und Fremdvorstellungen prallen hier aufeinander, werden dekonstruiert und von dem jeweils anderen gnadenlos aufgedeckt. Diese gnadenlose Ehrlichkeit führt zu einer Katastrophe, von der sich Marnie und Hannah erst mal wieder erholen müssen. Trotz allem stehen sich die Beiden aber so nah, wie niemand sonst in dieser Serie. Genau wie viele Beziehungen in dieser Serie ist auch diese von einer hohen Ambivalenz geprägt, die das Ganze aber gerade so spannend und aufregend macht. Man kann nur gespannt sein, wie sich diese freundschaftliche Beziehung im anstehenden Staffelfinale noch weiterentwickeln wird und bliebt zunächst zurück, mit einer stark geschriebenen und höchst authentischen Streitszene, die die Stärken dieser Serie nur noch weiter unterstreicht.

"And she might be a lot happier than you were right now"

Dann wäre da noch Jessa, die von Katherine ihren alten Babysitter-Job wieder angeboten bekommt und in einem bemerkenswerten Gespräch von ihr gnadenlos den Spiegel vorgehalten bekommt. Die über die ganze Folge mitschwingende Frage danach, wer man eigentlich sein will, findet auch hier seinen Platz, denn sogar noch stärker, als Hannah weiß Jenna überhaupt nicht, wohin ihr Lebensweg führt. Sie reist so um die Welt, führt ein zwar aufregendes, aber auch nie wirklich irgendwo hinführendes Leben. Sie lässt sich treiben und treiben und treiben und kommt doch niemals wirklich an. Schon in der zweiten Folge, als sie dachte schwanger zu sein, setzte sie sich mit dieser Thematik auseinander, um sie dann aber schnell wieder fallen zu lassen. Es wird hier deutlich, dass man sich nicht für immer vor dem Leben verstecken kann und das man irgendwann irgendwelche Entscheidungen sein Leben betreffend treffen muss und das man dann, wenn dies geschehen ist, vielleicht sogar viel glücklicher und zufriedener, als vorher sein kann. Auf ganz schöne und nie aufdringliche Art und Weise werden hier fast existenzialistische Fragen über das Leben und das persönliche Glück stellt und das im Rahmen einer halbstündigen Serienepisode. Jessa realisiert nun endgültig, dass sie sich vorwärts bewegen muss. Wohin es für sie geht und ob sie dann wirklich glücklicher, als im momentanen Zustand ist, wird sich zeigen müssen. Neben Adam bleibt Jessa aber definitiv der schillerndste Charakter. Nebenbei bewegt sich dann im Übrigen auch Shoshanna vorwärts und versucht auch wie alle anderen rauszufinden, was und vor allem wen sie in ihrem Leben haben will. Sie will ihre Partnersuche mit Hilfe des Internets aktiv vorantreiben und vergisst dabei, dass sie in Person von Ray vielleicht dem perfekten Partner schon begegnet ist. Schade ist nur, dass die Auftritte Shoshannas weiterhin zu kurz ausfallen, bringt sie mit ihrer energiegeladenen Art doch immer wieder frischen Wind und auch viel Humor in diesen manchmal so ernsten Serienkosmos.

Fazit

Selbstfindung, Unsicherheit und freundschaftliche Krisensituationen sind Themen in einer Folge, die wieder mit einigen starken, ehrlichen und toll geschriebenen Momenten aufwartet und zeigt, dass "Girls" momentan diejenige Serie ist, die am besten einen bestimmten Zeitgeist zu fassen bekommt.

Moritz Stock - myFanbase

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