Bewertung

Review: #4.03 Frauensache

Foto: Josh Charles, Julianna Margulies & Chris Noth, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Josh Charles, Julianna Margulies & Chris Noth, Good Wife
© Paramount Pictures

Ich muss gestehen, ich habe in dieser Woche die aktuelle Episode von "Good Wife", soweit es ging, vor mir hergeschoben. Da nichts darauf hindeutet, dass der problematische Nick die Serie verlässt und man sich also zum dritten Mal in Folge mit der problematischen Nick-Kalinda-Beziehung herumschlagen sollte, konnte ich einfach nicht die nötige Motivation aufbringen. Würde ich nicht für myFanbase die Reviews verfassen, hätte ich es wohl schneller hinter mich bringen und einfach die entsprechenden Szenen vorspulen können, aber ich kann mich ja schlecht über Dinge äußern, die ich nicht in vollem Umfang gesehen habe. Aber dann ist etwas Außergewöhnliches passiert, zwar kann ich mich mit der ganzen Sache immer noch nicht anfreunden, aber sie hat mich hier doch zum ersten Mal richtig zum Nachdenken und Analysieren gebracht. Zwar läuft es bei meinen Gedanken hauptsächlich darauf hinaus, dass man die Umsetzung der Thematik grundverkehrt aufgebaut hat, aber immerhin war dies schon viel mehr Reaktion als Abscheu und Genervtheit. Sehen wir dies also einmal als ersten Schritt in die richtige Richtung, so dass man "Good Wife" bald wieder in seiner Gesamtheit konsumieren kann, ohne sich dabei wie in einem schlechten Film vorzukommen.

Einer der wichtigsten Aspekte, der die leidige Beziehung zwischen Kalinda und ihrem Ehemann in dieser Woche über die bloßen Klischees hinaus bewegt hat, war, dass man zumindest ein klein wenig mehr mit ihnen probiert hat als nur Sex und Schläge. Sieht man die Versuche dieses seltsamen Paares, so etwas wie normalen ehelichen Alltag zu gestalten, erhält für mich das ganze doch einiges mehr an wirklichem charakterlichen Inhalt. Zwar bedeutet das auch wieder einmal, dass Nick Kalinda mit Eiern beschmiert und beide am Ende gegenseitig mit Messern aufeinander losgehen (wirklich wahr, ich hab es mir nicht ausgedacht), aber es zeigt uns zum ersten Mal, welches Potential hier doch eigentlich verborgen liegt, aus meiner Sicht aber auch komplett verschwendet wird. Denn an sich ist die Grunddynamik zwischen einem ehemaligen Missbrauchsopfer in Kalinda, die von einem dominanten Mann sowohl körperlich, als vor allem aber auch seelisch ausgenutzt wurde und sich in Folge dessen selber zu einem derart dominanten Menschen entwickelte, dass ihr Verhalten oftmals an ebensolchen Missbrauch grenzt, wirklich faszinierend. Das Problem ist nur, dass man bisher innerhalb der ganzen Zeit, in der wir uns so vehement mit dem Thema beschäftigen, es nicht geschafft hat, Kalinda zu humanisieren. Besonders durch die völlige Isolation vom restlichen Geschehen bietet sich keine Chance, Kalinda auch einmal verletzlich und das wahre Ausmaß und vielleicht sogar die Motive ihrer Gefangenheit im Banne Nicks zu sehen. Und dabei fällt der Serie auch auf die Füße, dass Kalinda bisher eben selbst zu oft in der Rolle des dominanten Partners zu sehen war und wir von ihr wissen, dass sie sich zu wehren weiß. Ich verstehe, dass man uns sagen will, dass Nick der Grund ist, dass sie so geworden ist. Aber die ganze aktuell vorliegende Dynamik mit Nick suggeriert auch wieder, dass sich in ihrem Geben und Nehmen nicht viel verändert hat seit ihrem ersten Intermezzo. Nick ist nicht überrascht, dass Kalinda zurückschlägt, er ist nicht überrascht, dass sie sexuell aggressiv reagiert, also hat Kalinda dieses Verhalten nicht als Selbstschutz nach ihrer Beziehung zu Nick entwickelt. Sie muss es mindestens während ihrer gemeinsamen Zeit ausgebildet haben und hat sich dann nach der Trennung nicht geändert? Das will mir so einfach nicht in den Kopf gehen, zumal bisher auch nichts darauf hindeutet, dass wir dieses Szenario jetzt erleben, um in Kalindas Charakter irgendwelche bleibenden Veränderungen auszulösen. Das ist wahrscheinlich das größte Problem (mal abgesehen von der voyeuristisch-pornographischen Komponente, aber dazu gleich mehr) an der ganzen Sache, dass es keinerlei wirkliche Konsequenzen in Form von Charakterentwicklungen hat.

Aber so richtig problematisch wurde es eben vor allem deshalb, weil man zunächst viel mehr Zeit darauf verwendet hat, das ach so schmutzige und verquere Sexleben dieses Paares in den Mittelpunkt zu rücken. Sicher kann man über Sex viel über die Dynamik zwischen zwei Menschen lernen, aber dazu muss dieser Sex eben mehr als nur den Schockeffekt bedienen. Und gerade "Good Wife" war bisher durchaus in der Lage, diesen richtigen Weg zu finden. Erinnert man sich nur an die Oralsexszene zwischen Alicia und Peter im Auftakt der zweiten Staffel, dann war diese nicht nur ordentlich deftig (ohne dabei aber wirklich viel zu zeigen), sie hat vor allem kurz und prägnant gezeigt, wo Alicia und Peter in ihrer Beziehung zueinander stehen. Wir haben damals etwas etwas über die Charaktere gelernt, was wir bis dato noch nicht wussten. Die Sexszenen zwischen Kalinda und Nick haben uns aber keine neuen Erkenntnisse über Kalindas "Liebes"-Leben gebracht und auf dem schmalen Grad zwischen reinem Voyeurismus und wahrer Intimität sind sie immer auf der falschen Seite der Grenze heruntergefallen. Und das wäre alles nur halb so schlimm, wäre es eben nicht eine viel zu lange Zeit das einzige gewesen, was wir von den beiden gesehen haben. Ich frage mich mittlerweile, ob ich auf diese Szenen genauso abwertend reagieren würde, hätte man nach dem spektakulären Bild des Staffelfinals das Aufeinandertreffen zwischen dem entfremdeten Ehepaar zunächst ganz anders als erwartet gestaltet, zunächst vielleicht mit etwas Harmonie und dem Gefühl von wahrer Zuneigung zwischen ihnen. Denn das wäre wirklich überraschend und etwas neues gewesen, und wenn man uns dann mit solch destruktiven und eben für Kalinda durchaus auch entwürdigenden Sexszenen den Boden unter den Füßen weggezogen hätte, dann hätte diese Geschichte durchaus auch emotionale Wucht über den Skandalfaktor hinaus entwickeln können. Aber dann hätte man natürlich den Seasonauftakt nicht mit spektakulären und grenzenüberschreitenden Sexszenen promoten können.

Im anderen Teil der Episode steht diesmal neben einem unterhaltsamen Fall der Woche wieder einmal das komplizierte Privatleben der Florricks im Mittelpunkt. Da Peter nun wieder für ein politisches Amt kandidiert und in seinem öffentlichen Leben die Sache mit den Frauen immer ein besonderes Augenmerk verdienen wird, dem er definitiv nicht mehr entkommen kann, steht der nächste potentielle Skandal ins Haus. Dass man unsereins von Autorenseite erst mit einer potentiellen Enttarnung der Affäre zwischen Will und Alicia an der Nase herumführt und dann Alicia eben mit einer potentiellen Bettgeschichte von Peter, ist leider manchmal zu offensichtlich als Zuschauermanipulation erkennbar. Denn die anfangs aufgebaute Bedrohung mit all dem Fokus der Reporterin auf Will und Alicia, die dann aber doch gar keine Rolle mehr gespielt hat, war offensichtlich nur ein Köder.

Was dieser Köder aber schön an die Oberfläche brachte, war die durchaus als scheinheilig zu betrachtende Gefühlswelt von Alicia. So sehr ich sie verstehen kann, dass sie beim Gedanken an eine weitere Affäre von Peter aus der Fassung gerät, so wenig hat sie ein Recht dazu. Aber ich habe durchaus das Gefühl, dass man sich auf Drehbuchebene dessen bewusst ist. Denn es ist schon ein klein wenig ironisch, dass Alicias Affäre mit Will nur aufgrund der potentiellen Bloßstellung von privaten Details ein Problem ist, sie bei Peter aber ganz andere Maßstäbe anlegt. Sicher ist man in seinen Gefühlen nicht immer fair und gerecht, aber objektiv betrachtet hätte Alicia selbst dann keinen Grund enttäuscht von ihrem Ex-Mann zu sein, wenn er damals mit einer anderen Frau geschlafen hätte. Sie waren getrennt und Alicia hat eben genau das getan, eine Beziehung mit einem anderen Mensch gehabt. So sehe ich Alicias Entschluss zur Versöhnung, gerade jetzt und nach der Erkenntnis, dass alles nur ein Schwindel ist, durchaus mit gemischten Gefühlen. Ich kann Alicias Gründe für ihren Sinneswandel nicht gutheißen, zumindest so wie sie sich uns bisher darstellen, ich würde sogar soweit gehen, dass mir Peter dabei richtig leid tut. Denn er kann seinen alten Fehlern bei Alicia offensichtlich nicht entkommen (und ich hätte wirklich nicht gedacht, dass ich das einmal von mir geben würde) und nur aus der Erleichterung heraus, eben diesen Fehler nicht wiederholt zu haben, gewertschätzt zu werden, ist nicht in Ordnung. Aber genau diese zweifelhaften Motive lassen mich die ganze Sache doch mehr genießen, als hätte es jetzt eine große, klischeehafte Geste gegeben, die die beiden Ex-Lover wieder miteinander versöhnt.

Nun habe ich soviel geschrieben und bin dabei noch nicht einmal auf den Fall der Woche eingegangen. Ich mag es durchaus, wenn sich Lockhart/Gardner mit den unzähligen rechtlichen Fallstricken der neuen Internetwelt beschäftigt, zumal man dabei rund um die beiden Internetmogule Patrick Edelstein und Neil Gross ja mittlerweile eine regelrechte Mythologie aufgebaut hat, von der man dann immer wieder zehren kann. Dazu kommt noch eine wie gewohnt zynisch aufgelegte Viola Walsh, die mir hier besonders in Kombination mit dem Rechnungsprüfer Clarke Hayden ausgesprochen gut gefallen hat, und eine weitere gute Ergänzung des Richterensembles.

Je mehr ich über diese Folge nachdenke, um so mehr weiß ich zu schätzen, dass sie mir so viel Stoff zum analysieren und auseinandernehmen bietet. Ich mag nicht mit allen Entwicklungen einverstanden sein und ich bin immer noch der Ansicht, dass die Kalinda-Geschichte viel zu viel Potential verschenkt, aber es ist eine klare Verbesserung zu spüren. Einzig der mangelnde Einsatz von Cary macht mir langsam richtig Sorgen, hat der gute Junge denn heute überhaupt mal irgendetwas sagen dürfen? Diese stiefmütterliche Behandlung hat er nun wirklich nicht verdient, dann hätte er ja auch gleich bei der Staatsanwaltschaft bleiben können.

Cindy Scholz - myFanbase

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