Bewertung

Review: #5.11 Goliath und David

Foto: Josh Charles, Good Wife - Copyright: Paramount Pictures
Josh Charles, Good Wife
© Paramount Pictures

Ein komplizierter Fall lässt die uns bekannten Kanzleien erneut vor Gericht aufeinanderprallen. Dazu gesellt sich ein alter Bekannter und die Protagonisten setzen auch psychologische Spielchen ein, um ihr jeweiliges Gegenüber zu verunsichern. Bei Lockhart/Gardner gibt es derweil interne Machtproben und im Umfeld des Gouverneurs sorgen eine Schwangerschaft und ein überraschend aufgetauchtes Video für jede Menge Zündstoff und eine turbulent unterhaltsame Folge.

Ohrwürmer und Rick Astley

Immer wieder greift "Good Wife" mehr oder wenige aktuelle Themen aus der Realität auf und verarbeitet diese in den Fällen der Woche. In dieser Episode basiert der Rechtsfall um die Rechte an einem Musikstück auf einer wahren Begebenheit aus dem Januar 2013, als in Schwedens iTunes Store ein Song aus der damals anstehenden neuen "Glee"-Folge auftauchte, der einer Mix-Version des Songs "Baby Got Back" von Jonathan Coulton (das Original ist von Sir Mix A Lot) sehr verdächtig ähnelte. Zugegebenermaßen, habe ich auch erst im Nachhinein von dieser Parallele erfahren, aber auch ohne dieses Wissen gestaltet sich dieser Rechtsstreit in mehrerlei Hinsicht äußerst interessant, amüsant und kurzweilig.

Zunächst einmal gab es mit der Involvierung von Burl Preston ein nettes Wiedersehen. Burl hat mit Lockhart/Gardner, inklusive Alicia, noch einige Rechnungen aus früheren Aufeinandertreffen offen. Nicht zu vergessen ist natürlich auch der damals von Clarke Hayden initiierte und letztendlich misslungene Übernahmeversuch der Kanzlei. Die Allianz zwischen ihm und Will war natürlich nur ein Zweckbündnis, das aber durch Wills Aussage ("Your enemy is my enemy.") durchaus eine zusätzliche Brisanz im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Alicia bekam. Dabei ist die Formulierung "Feind" meines Erachtens doch etwas überzogen. Bei Will muss der Stachel, den Alicias Abgang hinterließ, immer noch ziemlich tief sitzen.

Womit ich dann auch schon beim nächsten und vielleicht auch herausragendsten Punkt dieses Handlungsstrangs angelangt bin. In dem ziemlich trick- und wendungsreichen Fall wird nämlich nicht nur mit Paragraphen und Einsprüchen gearbeitet, sondern auch mit psychologischen Waffen gekämpft. Erneut zeigt sich der verletzte Stolz (und vielleicht auch die Nachwirkung der verschmähten Liebe) bei Will, der zuerst in die Trickkiste greift und sich an Alicias alte Schwachstelle in der Prozessführung, nämlich den vermehrten Einsprüchen der Gegenseite, erinnert. So hagelt es also eine Fülle an Einwänden, die bei Alicia auch tatsächlich den gewünschten Effekt erzielen und sie aus dem Konzept bringen. Es ist interessant zu sehen, wie sie sich trotz ihrer inzwischen so langen Erfahrung, doch noch von vermeintlich normalen Rechts- und Anwaltsmitteln beeinflussen lässt. Oder ist das nicht vielleicht doch nur die Kombination aus ihrer alten Schwachstelle und dem gerade von Will gegen sie verwendeten Wissen eben genau dieser? Spätestens ab diesem Zeitpunkt spielt sich der Fall damit auf zwei Ebenen ab, einer rechtlichen und einer persönlichen. Seit der Kanzleigründung wurden uns schon vermehrt neue Seiten an Alicia gezeigt, die von mehr Selbstbewusstsein zeugen. Und auch in dieser Situation präsentiert sie sich nur kurzzeitig geschwächt, bevor sie mit ihrem Kostümwechsel zum Gegenschlag ausholt und ihrerseits Will ins Schlingern geraten lässt, der durch die Erinnerung an die erste gemeinsame Nacht völlig abgelenkt ist. Dieses kleine, privat geführte Duell erfährt seinen ganz eigenen Reiz natürlich auch aus der Tatsache, dass die Außenstehenden, aber dennoch am Fall Beteiligten wie Cary oder Burl gar nicht nachvollziehen können, was hier eigentlich passiert. Für uns Zuschauer ergibt sich dadurch eine ganz besondere, zusätzliche Spannung. Zugleich sehen wir aber auch, dass beide ihre gemeinsame Vergangenheit immer noch nicht losgelassen haben oder auch nicht loslassen können.

Auch wenn Alicias und Wills kleines Psycho-Duell durchaus auch für amüsante Momente sorgt, so ist es doch vor allem den beiden von Florrick/Agos vertretenen Musikern und insbesondere dem Gastauftritt von Matthew Lillard zu verdanken, dass der Humor in diesem Fall nicht zu kurz kam. Ihm ging es da ein wenig wie mir, denn auch ich habe es zwischendurch kaum noch verstanden, welchen Dreh der Prozess gerade wieder genommen hatte. "Can I just say that I love this stuff even I don't understand a word you guys are saying but this is awesome." Auch die Referenz, dass die Art des Songvortrags an einen Rick Astley Song erinnern sollte, fand ich sehr gelungen. Zumindest war der Song doch wirklich ähnlich eingängig wie die Hits des Sängers in den späten 80ern und entpuppte sich damit auch nach dem Ende der Folge für längere Zeit als Ohrwurm.

Der zweite Sieg für Florrick/Agos war insgesamt nicht nur ein Erfolg vor Gericht, sondern für Alicia auch ein wenig eine persönliche Genugtuung im Duell mit Will. Der hatte zwar sicher auch an der Niederlage zu knabbern, aber im Grunde genommen war er wohl auch von Alicias Auftritt ganz angetan. Schließlich gefällt es ihm doch schon immer, wenn Frauen sich ein wenig widerspenstig verhalten und nicht einfach zu erobern sind. Daher bin ich mir auch sicher, dass wir diese Art von Spielchen oder zumindest noch viele weitere Aufeinandertreffen der beiden zu sehen bekommen werden. Wenn es in diesem Stil weiter geht, dann gerne mehr davon.

Peter und Peter

Die Folge setzt übrigens nahtlos an #5.10 an. Und wir erleben noch einmal die göttliche Szene, als Eli förmlich nach Luft schnappt, als er aus Marilyns Mund den geplanten Namen ihres Babys zu hören bekommt. Nach wie vor steht Peter Florrick als vermeintlicher Kindsvater im Raum, worüber Eli nun endgültig Gewissheit erlangen will, so dass er Kalinda damit beauftragt, den Erzeuger ausfindig zu machen. Interessant, dass Kalinda zunächst nicht gewillt war, dies zu recherchieren. Erst als Eli Alicia ins Spiel bringt, lässt sie sich darauf ein. Für mich ein Zeichen, dass sie der Freundschaft noch immer hinterher trauert. Fraglich ist allerdings, wie die beiden sich wieder annähern sollen, wenn beide auf verschiedenen Seiten arbeiten und sich Kalinda noch dazu bei der Aufsplittung der Kanzlei nicht gerade loyal gegenüber Alicia und auch Cary verhalten hat. Dass letztendlich Kalindas Spur wieder auf Peter Florrick hinaus zu laufen scheint, entpuppt sich aber als ganz große Finte. Stattdessen erlebt Eli quasi sein blaues oder besser noch sprachloses Wunder, als er von der Journalistin mit dem Video des Wahlbetrugs aus dem letzten Staffelfinale konfrontiert wird. Ich hatte damals schon geahnt, dass dies noch einmal zum Thema werden könnte, aber der Zeitpunkt kam nun doch überraschend, hätte in dieser Situation aber nicht besser passen können. Ein wirklich starker Twist und ein erneuter Beweis dafür, wie durchdacht die Autoren vorgehen und auf vergangene Folgen immer wieder Bezug nehmen. Als i-Tüpfelchen ist dann noch die Enthüllung des tatsächlichen Vaters zu sehen, die Eli in diesem Moment total kalt lässt. Das war übrigens auch noch ein netter Gastauftritt des Regisseurs Peter Bogdanovich als er selbst und Namensgeber des künftigen Nachwuchses.

Chicago, New York, L.A.

Abseits dieser beiden, die Episode dominierenden Handlungsstränge, ist aber auch der interne Machtkampf bei Lockhart/Gardner spannend mit anzusehen. Dabei gerät Diane immer mehr in Bedrängnis, ist doch ihr Verhältnis zu Will noch immer gestört. Dazu werden in der Kanzlei zunehmend Männerfreund- und -seilschaften geknüpft, allen voran mit Damian Boyle, David Lee, aber auch Howard Lyman. Diane scheint mir da wirklich noch die Besonnenste von allen zu sein, die gerne auch die schnellen Expansionspläne von Will etwas einbremsen möchte. Letztendlich ist sie den Kampf aber auch Leid oder will einfach nur wieder das Vertrauen von Will erlangen, indem sie ihm ihre Zustimmung zusichert. Auch dieser Handlungsstrang wird hoffentlich noch weiter gesponnen und wird Diane auch wieder mehr in den Mittelpunkt rücken. Zuletzt hatte sie doch recht wenig zu tun, außer in Partnermeetings die mahnende Hand zu heben.

Fazit

Nach der Jubiläumsfolge der letzten Woche steht bereits die nächste starke Folge an, die einen wirklich gelungenen Mix aus Rechtsfall und Charakterdrama bildet. Das von Will und Alicia vor Gericht ausgetragene Duell spielt sich dabei auf zwei ganz unterschiedlichen Ebenen ab und weiß vollends zu überzeugen. Rund um Eli ereigneten sich sehr amüsante, aber auch spannende Szenen, deren letztendlicher Twist nun jede Menge Brisanz im Hinblick auf die Zukunft von Peter und natürlich auch Alicia haben wird. Abzüge in der B-Note gibt es für die derzeitige Unterbeschäftigung von Diane sowie sämtliche Szenen in Sachen Kalindas Liebesleben, die sich inzwischen einfach nur zu wiederholen scheinen, nicht einmal mehr provozieren können, sondern nur noch langweilen.

Jan H. - myFanbase

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