Bewertung

Review: #5.04 Das Schließfach

"#5.04 Why is this night different? ist irgendwie unspektakulär. Im Vergleich zu anderen 'Homeland'-Folgen passiert kaum etwas richtig Aufregendes…" hätte wohl das Fazit gelautet, wenn, ja, wenn da nicht die letzten paar Minuten gewesen wären. Denn die haben es absolut in sich! Angefangen beim Versuch, Quinn zu ermorden, bis hin zur Explosion des Flugzeugs - aber vor allem, vor allem (!) Carries Anruf bei Nina Myers … äh … Allison Carr. Aber mal ehrlich: Was bei "24 - Twenty Four" Nina Myers war, ist bei "Homeland" Allison Carr. "Der Feind in meinem Bett" oder so ähnlich – in Sauls Fall sogar wortwörtlich zu verstehen.

Diese ganzen Verschwörungen und Intrigen, die bei "Homeland" ablaufen, sind der Wahnsinn. Gefühlt kann man kaum jemandem über den Weg trauen: Der Hacker wird von den Russen reingelegt, die CIA schmiedet geheime Pläne mit Youssef, Quinn und Saul haben es, so wirkte es zumindest, auf Carrie abgesehen und Allison legt irgendwie gleich alle rein. Nichts ist so, wie es scheint. Zum Zuschauen eine Freude!

"You don't know what you are doing. - …"

"… - I'm not stupid."… Doch. Irgendwie schon. Die Geschichte um Korzenik erinnert ein wenig an einen typischen Teenie-Horrorfilm. Man ahnt schon zu Beginn, wie es am Ende ausgeht. Nicht gut. Man sieht dem Protagonisten dabei zu, wie er in die Falle läuft - in diesem Fall in die der Russen - und fragt sich zwangsläufig, wie Korzenik nur so naiv sein und ernsthaft denken kann, er könnte mit den Russen Geschäfte machen, ohne dabei den Kürzeren zu ziehen?!

Die Russen sind nun also in Besitz des Speichersticks und damit von brisantem Material. Fragt sich nur: Was für Material? Und was wollen sie damit? Es muss ja einen Grund haben, dass "Homeland" diesen Nebenschauplatz aufmacht. Der einzige, der das Material noch kennen/haben könnte, ist Numan, der inzwischen in direktem Kontakt zu Laura Sutton steht. Er dürfte ahnen, dass er sich auf ziemlich gefährliches Terrain begeben hat und ihm wahrscheinlich nicht mehr nur der BND und die CIA im Nacken sitzen.

"What the fuck is going on?"

Ebenfalls jemanden im Nacken sitzen hat Carrie. Und bis zu Beginn dieser Folge dachte man, dieser jemand wäre Quinn. Zuzutrauen wäre es ihm. Als er sich mit Carrie unterhält, erfährt man, dass er die letzten zwei Jahre in Syrien war. Wer weiß schon, wie ihn diese Zeit verändert hat und ob Carrie für ihn nicht tatsächlich nur irgendein Auftrag ist, den er gehorsam ausführt!? In den ersten Minuten, in denen Carrie gefesselt aufwacht und Quinn mit dem Messer in der Hand vor ihr steht, glaubt man wirklich noch, er könnte seinen Auftrag durchziehen wollen. "Homeland" spielt dabei natürlich sehr gekonnt mit den Befürchtungen der Zuschauer. Ist Quinn jetzt der Gute oder der Böse? Er wird Carrie doch nicht ernsthaft etwas antun? Nicht, nachdem die beiden mehr verbindet als nur ihre frühere gemeinsame Arbeit für die CIA. Es ist also zunächst schwer, Quinns Absichten einzuschätzen. Gut gemacht. Im Grunde aber doch ziemlich unnötig, wenn man bedenkt, dass sich Quinn wenige Sekunden später als Carries "Retter" entpuppt. Die Erleichterung ist groß, als man merkt, dass er sie natürlich nicht umbringen, sondern ihr beim Untertauchen helfen will, damit sie in Sicherheit ist. Quinn vermutet, dass Saul es auf Carrie abgesehen haben könnte. Schließlich erhält er von ihm seine Aufträge. Doch wieso sollte ausgerechnet Saul Carrie umbringen wollen? Aus welchem Grund??? Und doch hält man es für möglich. Mehrfach wurde betont, wie sehr sich Saul verändert hätte und dass es um sein Verhältnis zu Carrie nicht gut bestellt sein soll… Carrie kann und will das aber nicht glauben. Trotz all ihrer Probleme bestand zwischen den beiden immer ein sehr enges Vertrauensverhältnis. Das ändert sich doch nicht einfach so. Und schon gar nicht so drastisch. Ist Carrie nun also naiv? Oder liegt sie mit ihrer Intuition (wieder einmal) richtig? Bis zum Ende der Folge weiß man es nicht. Carrie und Quinn wollen also herausfinden, was los ist. Carrie fährt, mehr schlecht als recht "verkleidet", gemeinsam mit Quinn zur Post, um auf seinen Auftraggeber zu warten. Von Untertauchen keine Spur. Haben die beiden keine Bedenken, dass Carrie auf offener Straße am helllichten Tag erkannt wird? Hätte Quinn nicht allein dorthin fahren können? Hätte mehr Sinn ergeben. Wäre aber auch weniger spektakulär gewesen. Denn dann nimmt die Folge endlich Fahrt auf: Quinn wird angeschossen. Carrie rettet ihn. Sie kommen an das Handy des Attentäters. Carrie wählt die im Handy hinterlegte Nummer. Wer geht ran? Allison Carr! Was spricht sie? Russisch! Da wären sie also wieder… Die Russen! Ganz so unwichtig scheint die vermeintliche Nebenhandlung um Korzenik also nicht zu sein. Es scheint einen Zusammenhang zu geben … Der Zuschauer ist nun also ein Stück schlauer. Nur Quinn und Carrie sind es nicht. Es sei denn Carrie konnte innerhalb weniger Sekunden Allison Carrs Stimme identifizieren … Unwahrscheinlich.

"Lead them forward. Lead them into the light."

Allison scheint also ein Maulwurf zu sein, eine Doppelagentin. Eben die oben erwähnte Nina Myers von "Homeland". Sie führt alle hinters Licht und Saul ahnt nicht, auf wen er sich da eingelassen hat. Dass er offensichtlich nicht weiß, welches Spiel Allison spielt, merkt man an seiner Reaktion, als das Flugzeug explodiert. Und diese Explosion macht ihrem Namen alle Ehre: baff sitzt man vorm Fernseher. Spätestens jetzt wird klar, dass Allison Carr irgendetwas Großes im Schilde führt. Nur was?

Was nicht klar ist: Saul weiß, dass sie ihn in #5.02 The Tradition of Hospitality bei Dar Adal angeschwärzt hat. Warum vertraut er ihr noch? Sie mögen vielleicht ein Verhältnis haben, aber trotzdem muss diese Aktion doch Misstrauen in ihm wecken. Und eine andere Frage: Wenn sie, wie wir nun wissen, tatsächlich mit den Russen zusammenarbeitet und offensichtlich etwas ausheckt, warum ist sie dann das Risiko eingegangen, bei Saul und Dar Adal in Ungnade zu fallen? Damit hätte doch ihre gesamte "geheime Mission" scheitern können. Richtig nachvollziehbar ist das (noch) nicht …

Interessant war übrigens die Geschichte um Saul und den syrischen General Youssef. Wie sich dieser Erzählstrang weiterentwickelt und welche Rolle er im Fall der Staffel noch spielen wird, bleibt abzuwarten. Spannend war jedoch zu sehen, dass Saul dem General deutlich zu verstehen gibt, dass die USA ihn als Nachfolge von Assad sehen wollen und ihn finanziell unterstützen, damit er sich den nötigen Einfluss erkaufen kann. Das klingt, wenn man es aufschreibt, ganz nett: die USA wollen ihn "unterstützen". Im Grunde glich es eher einer Erpressung. Da fragt man sich doch: Läuft das in der Welt tatsächlich so ab? Ziehen die USA (und sicher auch andere Staaten) auf diese Weise ihre Fäden? Sicher, "Homeland" ist Fiktion. Aber so fiktiv erscheint die Serie manchmal gar nicht …

Fazit

Abgesehen vom Ende dieser Episode war #5.04 Why is this night different? ganz solide. Nicht die beste "Homeland"-Folge, aber auch nicht die schlechteste. Dafür war sie aber wohl eine sehr wichtige: der Zuschauer weiß nun, wer in dieser Staffel derjenige ist, mit dem es Carrie und Co. aufnehmen müssen, nämlich mit Allison Carr und den Russen. Zumindest fürs Erste. Bis der nächste noch bösere "Bad Guy" die Bühne betritt.

Positiv angemerkt seien außerdem noch die tollen Dialoge und der Schnitt. Mit doppeldeutigen Texten und entsprechenden Bildern werden die Szenen der einzelnen Handlungsstränge ganz geschickt miteinander verwoben. Etwa wenn der israelische Botschafter sagt: "And let's remember the enemies we still have all over the world who wish to destroy us. We pray for the strength to defeat them.", und im nächsten Moment sehen wir Carrie, die sich von unzähligen "Feinden" umzingelt sieht und genau diese Kraft braucht, um sich zu schützen. Oder als Carrie Quinn eindringlich zu verstehen gibt, dass sie herausfinden muss, wer ihr das Leben nehmen will, und die nächste Szene beginnt mit einer Aufnahme von Allison Carr – von der wir bis zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen, dass sie die Drahtzieherin ist. Die Art und Weise wie Geschichten bei "Homeland" erzählt werden, mit welchen kleinen, oft subtilen Hinweisen und Anspielungen der Zuschauer auf eine Fährte gelockt wird, die er selbst wahrscheinlich noch gar nicht erkennt, ist große Klasse. Es lohnt sich also bei "Homeland" genau hinzuschauen und hinzuhören. Sonst könnte einem vielleicht das eine oder andere entgehen...

Franziska G. - myFanbase

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