Bewertung
Strunk, Heinz

Fleisch ist mein Gemüse – Eine Landjugend mit Musik

Swingtime is good time, good time is better time. Aber wie gut können zwölf Jahre sein, wenn man andauernd "an der Nordseeküste" von Klaus & Klaus spielen muss? Und was bringt das Leben für einen, der nichts hat, nichts wirklich erreichen will und nur wenig kann? "Fleisch ist mein Gemüse" ist eine Loserballade aus dem hohen Norden Deutschlands.

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Inhalt

1985 ist Heinz 23 Jahre alt, leidet an Akne, einem Mangel an weiblichen Kontakten und der Enge im heimatlichen Harburg – wohlgemerkt Harburg, nicht Hamburg. Dort lebt er zusammen mit seiner psychisch gestörten Mutter in einem Zwergenhaus und verbringt die Tage mit Nichtstun und Biertrinken.

Durch einen Zufall gelangt er an einen Job bei einer Tanzkapelle und steht fortan jedes Wochenende als Bläser der "Tiffanys" auf den Bühnen norddeutscher Schützenfeste und Hochzeitsfeiern. In den nächsten zwölf Jahre ist er nun als Mukker unterwegs, doch statt Sex, Drugs & Rock 'n' Roll gibt es nur Spiegeleier, Spielautomat & Frustration. Das Leben von Heinz ist geprägt durch Besuche beim Stamm-Griechen mit seinen Musikfreunden, erfolglosen Flirtversuchen und der Sorge um die kranke Mutter, die immer wieder in andere Kliniken untergebracht wird. Doch in all den Jahren, welche die Erzählung umspannt, schlägt sich Heinz durch. Denn der Verlierer kann zumindest eins: richtige gute Mukke abliefern!

Kritik

Als vielgelobtes Stück Popliteratur liegt "Fleisch ist mein Gemüse" vor einem und entsprechend hoch ist auch die Erwartung. Man erwartet ein witziges und kurzweiliges Vergnügen, gut geschrieben und mit der entsprechenden Würze – doch leider hält das Buch nicht, was es verspricht.

Heinz Strunk erzählt in seinem Text von zwölf Jahren Leben. Nicht nur von zwölf Jahren Musik machen. Da werden viele Themen angerissen, aber am Ende zu einem Ganzen gefügt. Die kranke Mutter taucht dann und wann wieder auf, ebenso weitere Nebenfiguren. Die Geschichte um die Ambitionen der Hauptfigur als Produzent Karriere zu machen, verkommen zu einer Episode wie vieles andere. Natürlich könnte man nun jetzt anmerken, dass das richtige Leben sich ebenfalls in mancher Hinsicht verläuft, aber in dieser literarischen Fassung ist es zu beliebig.

Dann und wann gibt es aber auch wahre Lichtblicke, so zum Beispiel wenn Heinz wie im Halbschlaf vor sich hin phantasiert und sich die absurdesten Ereignisse vor seinem inneren Auge abspielen. Dann brodelt es nur über vor beißendem Sarkasmus und schrägem Zynismus. Da erhellt sich auch der Alltag ein wenig – aber der ständige Trott kehrt immer wieder: "Was für ein Leben: Mucken, Mutter besuchen, Schorsch, Spielhalle, ab und zu nach Winsen fahren, frickeln, fernsehen, melken. Weiber Fehlanzeige. Restaurantbesuche, Urlaub, Disco Fehlanzeige, Fehlanzeige, Fehlanzeige. Alle anderen ja, ich nein."

Die Sprache des Buches ist alltäglich und bietet dem Leser die Möglichkeit, sich in der ein oder anderen Situation mit der Hauptfigur zu identifizieren und anzufreunden. Aber Heinz ist einfach unsympathisch, nicht auf Grund seiner Verliererrolle, sondern in der Art, wie er sie auslebt. Diese Gleichgültigkeit, die er dem Leben entgegen bringt, die Arroganz, mit der er anderen Menschen begegnet und immer dieses Hingeben in die Langeweile des Alltags. Das kann und ist natürlich an einigen Stellen tragisch-komisch, aber so wirklich will der Funke nicht beim Lesen überspringen. Das ist wirklich schade, da das Buch nur so vor skuriller Figuren wimmelt: neben Heinz und seiner Mutter, gibt es so unter anderem den Bandleader der Tiffanys, Gurki, dem ein großer Mangel an Musikalität attestiert wird, der aber die Planung in der Hand hat, oder der Bandkollege Jens, der Heinz quasi mit der Spielsucht infiziert. Auch die abendliche After-Hour nach einem Auftritt, bei der jedes Mal Dutzende von Spiegeleiern gebraten werden, gibt ausbaufähigen Stoff.

Bei "Fleisch ist mein Gemüse" erwartet man keinen brachialen Humor bei dem man schallend lacht, aber hier stellt sich zu selten selbst eine einfache Gefühlsregung beim Lesen ein.

Fazit

Vielleicht waren auch die Erwartungen zu hoch und ein unbefangener Leser hat mehr Freude an dem Buch. Aber die Fülle an Kritikpunkten und die wenigen Highlights ergeben alles in allem folgendes Fazit: ein Buch das man lesen kann, aber nicht unbedingt muss. Eine ganz nette Lektüre für Zwischendurch, die nicht unbedingt im Gedächtnis haften bleibt.

Barbara Kotzulla - myFanbase
21.10.2007

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