Bewertung
Boyes, Roger

My dear Krauts – Wie ich die Deutschen entdeckte

Ein Engländer in Berlin hat es wahrlich nicht leicht: So benehmen sich die Teutonen doch in vielerlei Hinsicht ganz anders als die Bewohner des Vereinigten Königreichs – und das ganz besonders in Liebesdingen. Wie man sich trotz allem im exotischen Reich Deutschland durchschlagen kann, zeigt der Journalist Roger Boyes in seinem autographisch angehauchten Werk.

Inhalt

Als Korrespondent einer englischen Zeitung in Deutschland zu leben, ist ein Drahtseilakt: Auf der einen Seite möchte man seinen Beruf nicht der Lächerlichkeit preisgeben, auf der anderen Seite interessieren sich die Leser auf der Insel mehr für Hitlers Zahnbürsten als für innenpolitische Geschehnisse.

Und so rast Roger Boyes in dieser halb-biografischen Erzählung routinemäßig von einem skurillen Termin zum nächsten bis ihn eine Nachricht aus dem Alltag wirft: Sein Vater, ein ehemaliger Bomberpilot der Royal Air Force im zweiten Weltkrieg, ist pleite und kündigt zudem an, dass ehemalige Feindesland zu besuchen. Eine Stippvisite beim Steuerberater gibt dem Protagonisten dann den Rest: Um die finanzielle Lage für Vater und Sohn möglichst angenehm zu gestalten, wäre es am ratsamsten, zu heiraten – und zwar schnell.

Und so begibt sich die Hauptfigur in einen Strudel aus Liebeswahnsinn und Zukunftsparanoia: Vom Speed-Dating bis zum Marathonlauf als Zuneigungsbeweis wird alles ausprobiert. Doch das Leben läuft selten wie geplant und hat noch einige Überraschungen in petto...

Kritik

Da ist sie, die Marketingfalle, in die man nur zu gerne hineintappt und so ist es auch dieses Mal geschehen: Vom Käufer – also in diesem Fall mir – durch die Beschreibung als witzige und humorvolle Satire auf die deutsch–englische Beziehung verstanden, präsentiert sich dieses Buch zwar als Komödie, aber leider in einem ganz anderen Sinn.

Roger Boyes zeichnet hier eine Familiengeschichte. Sein Vater ist pleite und der Sohn muss nun die Verantwortung übernehmen. Als erste Pointe wird nun die Situation mit dem hundeverrückten Steuerberater eingeführt, der zur dringenden Hochzeit mit einem deutschen Vollweib rät. So weit so gut, doch im Laufe der Geschichte wird es einfach zu albern: Wenn die Hauptfigur beim Speed-Dating alle Frauen zum Weinen bringt oder einen Quickie auf der Theatertoilette vermasselt, lacht man nicht, man rollt nur genervt mit den Augen.

Die anfangs noch recht amüsante Geschichte rutscht immer mehr in den Slapstick hinein. Da beißt auch schon mal der Hund des Erzählers einem Schaffner ins Gemächt - und das ist noch nicht einmal besonders witzig dargebracht. Die verzwickten Situationen häufen sich und man merkt einfach, dass sich dieses Buch an Pointenreichtum selber immer wieder überbieten möchte. Zum Ende hin wird die ganze Handlung einfach ad absurdum geführt, nämlich, wenn der senile Vater selber zum Bräutigam wird.

Das alles hat mit trockenem, britischen Humor nichts zu tun. Hier wird mehr wie in einer Nummernrevue ein Witz nach dem anderen erzählt. Eine wirklich gute Komödie glänzt durch die Mischung aus scherzhaften und tragischen Momenten und den hintergründigen Zwischentönen. Roger Boyes schafft es nicht, das alles zu einem schmackhaften Brei zu vermischen. Ab und an blitzt das typisch britische in der Sprache und Ausdrucksweise auf, hält sich aber nicht über die Länge des gesamten Buches. Schade, bieten doch gerade die Unterschiede zwischen Deutschen und Engländer viel Stoff für eine wunderbare Satire, ganz ohne Holzhammerhumor.

Fazit

"My dear Krauts" wäre gerne eine spritzige und amüsante Komödie, geht aber nicht über gut gemeinten Slapstick hinaus. Mit einigen netten Pointen als Rückendeckung schafft es das Buch es gerade noch so, zu Ende gelesen zu werden. Roger Boyes tut einem dabei die ganze Zeit leid, da er auf der Suche nach den richtig lustigen Schlagfertigkeiten sein eigenes Versagen als Sohn, Liebhaber und Journalist preisgibt. Nicht empfehlenswert.

Barbara Kotzulla - myFanbase
29.10.2007

Diskussion zu diesem Buch